Mehr als 200 Ansätze für Impfstoffkandidaten und über 3.100 klinische Studien zu Hunderten verschiedenen Coronavirus-bedingten Themen – innerhalb von nicht ganz einem Jahr ist die Erforschung und Entwicklung von Impfstoffen und Therapien gegen Sars-CoV-2 weit fortgeschritten. Nach neun Monaten intensiver Entwicklung wurde seit Anfang Oktober für drei Impfstoffkandidaten das Überprüfungsverfahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA gestartet. Läuft alles weiterhin positiv, werden sie alsbald verfügbar sein.
Impfstoffe bieten bei Infektionserkrankungen die Möglichkeit, Gesundheitskrisen und schwere Erkrankungen hintanzuhalten, bei einem vergleichsweise geringen Risiko. „Dass die Entwicklung eines COVID-Impfstoffes nicht, wie gewöhnlich, viele Jahre dauert, sondern innerhalb so kurzer Zeit bereits extrem weit fortgeschritten ist, hätte im Februar niemand zu hoffen gewagt und lässt zuversichtlich auf eine Möglichkeit zur Bewältigen der Gesundheitskrise im Jahr 2021 blicken“, so PHARMIG Generalsekretär Mag. Alexander Herzog.
Normalerweise werden Impfstoffe nach umfangreichen klinischen Prüfungen, in denen sie in drei Phasen ihre Wirksamkeit und Sicherheit unter Beweis stellen, über Jahre erforscht, entwickelt und zur Zulassung gebracht. Damit die Entwicklung von COVID-19 Impfstoffen beschleunigt werden kann, hat die Europäische Zulassungsbehörde EMA einige bürokratische Hürden beseitigt und durch einen Fast-Track-Prozess Wartezeiten und Antragsfristen für klinische Prüfungen verkürzt oder aufgehoben. „Die Intensität der wissenschaftlichen und empirischen Untersuchungen spiegelt die Dringlichkeit wider, der Coronavirus-Pandemie mit effektiven Mittlen zu begegnen. Dennoch gehen weder die Arzneimittelbehörde noch die Hersteller Kompromisse ein - eine Zulassung gibt es nur, wenn Sicherheit, Wirksamkeit und höchste Qualität belegt werden“, so Herzog.
Zudem können die Phasen der klinischen Prüfung parallel ablaufen. Die Forscherinnen und Forscher dürfen auch Zwischenergebnisse zur Prüfung an die EMA übermitteln. In sogenannten Rolling-Reviews werden Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten aus noch laufenden Studien geprüft sobald sie verfügbar sind und nicht erst mit dem Antrag auf Zulassung. So kann die Zulassungsbehörde früher zu einer Stellungnahme darüber kommen, ob ein Impfstoff zugelassen werden sollte oder nicht. Die Überprüfung wird fortgesetzt, bis alle erforderlichen Daten für einen Zulassungsantrag durch den Impfstoff-Hersteller vorliegen. „Die COVID-19 Impfstoffentwicklung ist zeitlich sehr verkürzt. Das funktioniert zum einen, weil Forschung und Entwicklung das gesamte Know-how bündeln, viele Prozesse gleichzeitig laufen können und der Austausch von Herstellern und Behörden kontinuierlich stattfindet. Zum anderen bauen Impfstoffhersteller parallel zur Entwicklung Produktionsstätten aus und starten die Impfstoffherstellung frühzeitig, bereits vor einer möglichen Zulassung“, erklärt Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller ÖVIH.
Die Intensität der wissenschaftlichen und empirischen Untersuchungen spiegelt die Dringlichkeit wider, der Coronavirus-Pandemie mit effektiven Mittlen zu begegnen. „Hygienemaßnahmen wie Händewaschen, Abstand halten und das Tragen eines Mund-Nasenschutzes werden uns weiterhin begleiten“, sagt Dr. Stefan Kähler, Leiter des PHARMIG Standing Committees Klinische Forschung. Jüngste Untersuchungen ergaben, dass lebensfähige Sars-CoV-2 Viren bis zu 28 Tage lang bei 20 Grad auf Oberflächen wie Glas, Edelstahl, Papier- als auch Polymerbanknoten isoliert werden konnten. Umgekehrt überlebte das infektiöse Virus auf einigen Oberflächen bei 40 Grad weniger als 24 Stunden. Betrachtet man die Coronavirus-Pandemie aus epidemiologischer Sicht, fallen Übereinstimmungen mit anderen Infektionsausbrüchen früherer Zeiten ins Auge. Laut Kähler sind die Ausprägungen der momentanen epidemiologischen Wellen mit jenen der Spanischen Grippe vor 100 Jahren und die Zirkulation des Virus von Ost nach West über den Globus (saisonale Komponente) „durchaus interessant“.
Hinsichtlich der Therapien, die bei bereits infizierten Personen zum Einsatz kommen, gibt es ähnlich verkürzte Zulassungsverfahren wie für Impfstoffe. Bislang ist in Europa eine medikamentöse Therapie für den Einsatz bei COVID-19 Patienten bedingt zugelassen und kann für Patienten ab zwölf Jahren, die an einer Lungenentzündung erkranken und zusätzlich Sauerstoff benötigen, angewendet werden. Während zwar auch jüngste Studiendaten zeigen, dass die Sterblichkeitsrate damit nicht gesenkt werden kann, so weisen die Ergebnisse doch darauf hin, dass dadurch zumindest die Krankheitslast verringert werden kann.
Eine weitere Therapie wurde durch die EMA auf Grund von Daten aus der weltweit laufenden RECOVERY Studie zur Anwendung unter bestimmten Voraussetzungen empfohlen. Für insgesamt rund 170 Therapien und mehr als 40 Impfstoffentwicklungen gibt die EMA aktuell wissenschaftliche Beratung als auch informelle Konsultationen in der Behörden-internen Pandemie-Arbeitsgruppe COVID-ETF ab. Sie stützt sich auch auf Daten aus der Praxis, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Medikamenten zu überwachen, die bei Patienten mit COVID-19 eingesetzt werden.
Zur Aufzeichnung des Pressegesprächs:
https://events.streaming.at/pharmig-20201120
Die Unterlagen zum Pressegespräch sind hier abrufbar.