Einmal im Jahr verleiht die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ihre höchsten Wissenschaftspreise. Der Wilhelm Hartel-Preis, der Erwin Schrödinger-Preis und der Elisabeth Lutz-Preis sind jeweils mit 15.000 Euro dotiert und gehen 2018 an vier Wissenschaftler/innen, die in Österreich forschen.
An den Quellen des Mittelalters: Karl Brunner
Der Mediävist Karl Brunner (Universität Wien) wird in Anerkennung seiner herausragenden Leistungen zur mittelalterlichen Geschichte, insbesondere der Realienkunde, mit dem Wilhelm Hartel-Preis ausgezeichnet. Brunner ist Professor für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien. Von 1996 bis 2003 leitete er das vormalige ÖAW-Institut für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Von 2002 bis zu seinem Ruhestand 2009 war Brunner Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.
Seine Forschungsarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass er Lebenswelten für Epochen zu erschließen und anschaulich zu vermitteln vermag, die als „quellenarm“ gelten. Dazu bindet Karl Brunner konsequent umwelt- und alltagsgeschichtliche Fragestellungen in seine Forschungen mit ein. Sein aktuellstes Buch mit dem Titel „Kontext der Dinge. Kultur und Natur in der mittelalterlichen Selbstdeutung“ zeigt, wie wichtig die Arbeit an der Überlieferung der Quellen und ihrer Interpretation ist.
Regenerationsbiologie und Signalverarbeitung: Elly Tanaka und Peter Jonas
Elly Tanaka und Peter Jonas erhalten zu gleichen Teilen den Erwin Schrödinger-Preis. Elly Tanaka (IMP - Research Institute of Molecular Pathology) wird für ihre hervorragenden Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Regenerationsbiologie, insbesondere zu den molekularen und zellulären Grundlagen der Regeneration, ausgezeichnet. Am Beispiel des mexikanischen Schwanzlurchs, dem Axolotl, erforscht sie, wie die Tiere nach Verletzungen komplette Gliedmaßen samt Muskeln, Knochen und Nerven neu bilden. Sogar Teile des Rückenmarks können Axolotln regenerieren, während diese Fähigkeiten bei Säugetieren nicht mehr vorhanden sind.
Tanaka hat 1987 das Bachelorstudium in Biochemie an der Harvard University abgeschlossen, bevor sie 1993 an der University of California (San Francisco) im Fach Biochemie promovierte. Nach Zwischenstationen am Ludwig Cancer Research Institute (University College, London) sowie am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik ist Tanaka seit September 2016 Senior Scientist am IMP in Wien.
Der Neurowissenschaftler Peter Jonas (IST Austria) wird für seinen maßgeblichen Beitrag zum Verständnis der synaptischen Signalverarbeitung auf molekularer und zellulärer Ebene ausgezeichnet. In der jüngeren Vergangenheit konnte Jonas die erstaunlich hohe Energieeffizienz der Signalübertragung in Synapsen und Nervenzellen aufzeigen. Seine Forschungen über Mechanismen des Speicherns, Abrufens und der Unterscheidung von Erinnerungen im Hippocampus, einer für das Gedächtnis essentiellen Hirnregion, können auch zum Verständnis der Entstehung von Hirnerkrankungen beitragen.
Jonas hat das Medizinstudium 1987 an der Universität Gießen abgeschlossen. Nach der Habilitation 1992 an der Universität Heidelberg und einer weiteren Station an der TU München war er lange Jahre Leiter des Physiologischen Instituts an der Universität Freiburg. 2010 wurde Peter Jonas als erster Neurowissenschaftler an das IST Austria in Klosterneuburg berufen. 2016 wurde Jonas mit dem Wittgensteinpreis des FWF ausgezeichnet.
Genregulation bei Krebserkrankungen: Georg Winter
Der Elisabeth-Lutz-Preis geht an den Biomediziner Georg Winter vom CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW. Winter wird für seine Forschungsleistungen zum Verständnis der Genregulation bei der Entstehung von Krebs ausgezeichnet. Obwohl viele der krebsrelevanten Transkriptionsfaktoren seit Jahrzehnten bekannt und charakterisiert sind, konnten gegen die überwiegende Mehrzahl dieser „molekularen Schalter“ keine Medikamente entwickelt werden. Winters Forschungsarbeiten haben in den letzten drei Jahren einen neuen Ansatz aufgezeigt, um derartige genregulatorische Schaltkreise pharmakologisch blockieren zu können.
Nach Abschluss des Masterstudiums Molekulare Biotechnologie an der FH Campus Wien absolvierte Georg Winter ein Doktoratsstudium am CeMM der ÖAW. Von 2013 bis 2016 forschte er als Postdoc am Dana Farber Cancer Center der Harvard Medical School in Boston, bevor er 2016 als Gruppenleiter wieder ans CeMM der ÖAW zurückkehrte.
Weitere Preisträger
Darüber hinaus wird Andreas Grüneis (TU Wien) mit dem Hans und Walter Thirring-Preis (4.000 Euro) für seine hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Computational Materials Science ausgezeichnet. Thomas Wannerer (Universität Jena) und Volker Ziegler (Universität Salzburg) werden zu gleichen Teilen mit dem Edmund und Rosa Hlawka-Preis für Mathematik (4.000 Euro) prämiert: Wannerer wird für seine Forschungen zur Konvex- und Integralgeometrie ausgezeichnet, Ziegler für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Zahlentheorie, insbesondere der diophantischen (also nur ganzzahlig zu lösenden) Gleichungen.
Hintergrund: Die Preise der ÖAW
Mit dem Erwin Schrödinger-Preis, benannt nach dem heimischen Nobelpreisträger für Physik, werden in Österreich wirkende Forscher/innen ausgezeichnet, die hervorragende wissenschaftliche Leistungen in den von der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW vertretenen Fächern erbracht haben.
Sein Pendant, der Wilhelm Hartel-Preis, ehrt Wissenschaftler/innen, die in den von der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW vertretenen Fächern forschen. Der Elisabeth Lutz-Preis wiederum wird für grundlagenorientierte und anwendungsoffene Forschung im Bereich Life Sciences vergeben.
Die feierliche Überreichung an alle Preisträger/innen findet am 10. Dezember 2018 um 17 Uhr im Festsaal der ÖAW in Wien statt.