Derzeit wird der Kurvenverlauf der Erkrankten in Österreich als kontrolliert eingeschätzt. Die Dunkelziffer der Infizierten ist jedoch hoch, da es in 30 bis 40 Prozent der Fälle zu einem asymptomatischen Verlauf kommt, d. h., die Personen waren infiziert, haben aber nie Erkrankungserscheinungen gezeigt.
Antikörpertest gibt Aufschluss über Dunkelziffer
Aktuell werden in Österreich sogenannte PCR-Tests durchgeführt, bei denen nach dem Erbgut von Sars-CoV-2 gesucht wird. Das ist die sicherste Methode, um eine aktive Erkrankung festzustellen. „Der PCR-Test sagt jedoch nichts darüber aus, ob jemand die Erkrankung bereits durchgemacht hat und damit immun gegen Corona ist“, betont Reingard Grabherr, Leiterin des Department für Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Ein Antikörpertest würde Aufschluss über die Dunkelziffer im Land geben: „Diejenigen, die nicht mehr krank sind und Antikörper haben, können nicht mehr angesteckt werden und den Virus auch nicht mehr übertragen – und daher vorbehaltlos wieder in Kontakt zu anderen treten und an ihren Arbeitsplatz, in die Spitäler, Geschäfte usw. zurückkehren. Besonders wichtig ist es, Ärzte und Pflegepersonal zu testen“, so Grabherr. Nach Wochen des Ausnahmezustandes ein Lichtblick in Richtung Normalität des Alltags.
Virologe Florian Krammer, der bis 2009 Kollege von Reingard Grabherr am Department für Biotechnologie an der BOKU war und heute an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York forscht, hat unlängst im Labor den ersten nicht kommerziellen Antikörpertest entwickelt, mit dem bestimmt werden kann, ob eine Person bereits eine Immunreaktion auf das Sars-Cov-2-Virus hatte.
BOKU stellt Proteine für österreichweite Schnelltests her
Noch in dieser Woche treffen die für den Test notwendigen Werkzeuge aus den Vereinigten Staaten an der BOKU ein. „Und dann können wir loslegen: Wir beginnen mit der Herstellung relevanter Oberflächenproteine des Coronavirus, um einen sensitiven und spezifischen Antikörpertest zu entwickeln. Am Department für Biotechnologie arbeiten wir dafür mit tierischen und bakteriellen Zellsystemen, Kollegin Eva Stöger am Department für Angewandte Genetik und Zellbiologie mit Pflanzen als Produktionssystem“, so die BOKU-Virologin Grabher.
Unterstützt wird die BOKU von der Veterinärmedizinische Universität Wien. Auch die Medizinische Universität Wien (MedUni) und Forscher*innen an der Universität Salzburg werden ihre Expertise einbringen. „In einem ersten Schritt arbeiten wir gemeinsam an einer schnellen, skalierbaren Produktionsplattform, um die Oberflächenproteine des Coronalvirus in ausreichender Menge und in gleichbleibender Qualität zu liefern.“ Mit Hilfe dieser Proteine können in Folge verschiedene Labors in Österreich gleichzeitig Schnelltests aufsetzen und durchführen. Für dieses Projekt hat die BOKU gemeinsam mit der Vetmeduni und der MedUni auch einen Antrag beim Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) eingereicht.
„Wir werden diese Tests lange brauchen und eventuell auch für das Ausland verfügbar machen. Es ist unerlässlich, mehr zu testen, sowohl mit PCR-Tests, als auch mit Antikörpertests“, so Grabherr abschließend. „Das hilft, bessere Prognosen zu haben und gezieltere Maßnahmen einzusetzen.“
Um auch die aktuell durchgeführte PCR-Testrate zu erhöhen, steht die BOKU mit vielen anderen Institutionen in Kontakt und stellt u.a. PCR-Geräte und ihre Expertise dem Ludwig Boltzmann Institut am Lorenz Böhler Krankenhaus oder der AGES (Arbeitsgemeinschaft für Gesundheit und Enrährungssicherheit) als Unterstützung zur Verfügung.
Die Universität für Bodenkultur Wien ist eine der führenden Life-Science-Universitäten Europas. Die Verbindung von Naturwissenschaften, Technik sowie Sozial- und Wirtschaftswissenschaften charakterisiert ihre Forschung und Lehre. Wichtige Forschungsschwerpukte sind neben der Nachhaltigkeit und der Ressourcennutzung die medizinischen Biotechnologie.