Leptospirose ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit, die in Menschen und Tieren auftritt. Bei standardmäßig durchgeführten Labortests auf das auslösende Leptospira-Bakterium erhöht der Rückgriff auf lokale Varianten die Genauigkeit der Untersuchungen. In Österreich war bisher allerdings kein lokal zirkulierender Stamm verfügbar. Ein Forscherteam rund um Amélie Desvars-Larrive, die am Complexity Science Hub (CSH) sowie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) tätig ist, konnte diese sehr praxisrelevante Forschungslücke nun schließen.
„Wir zeigen in unserer Studie erstmals, dass Rinder in österreichischen Landwirtschaftsbetrieben das Leptospira-Bakterium in sich tragen und eine Quelle für Infektionen sein können“, berichtet Desvars-Larrive. Die genetische Analyse des Pathogens enttarnte Leptospira borgpetersenii eine äußerst anpassungsfähige Variante. „Der identifizierte Stamm ist in Teilen Europas und Nordamerikas verbreitet und wurde bereits in verschiedenen Wild- und Nutztieren sowie im Menschen nachgewiesen“, sagt Desvars-Larrive.
Gezielte Probennahme
Die Suche nach dem Erreger in Österreich gestaltete sich alles andere als einfach, schildert die Epidemiologin. Um eine möglichst hohe Trefferquote zu erzielen, führten die Forschenden von CSH, Vetmeduni Wien und AGES in den Jahren 2021 und 2022 eine gezielte Probennahme durch. Statistische Verfahren, Literarturrecherche sowie ein Netzwerk von Landwirtschaftsbetrieben, aus denen Verdachtsfälle gemeldet wurden, halfen bei der Suche nach infizierten Tieren.
„Bei 410 Rindern, bei denen die Recherche ein erhöhtes Risiko einer zurückliegenden Infektion ergab, wurden Proben genommen“, resümiert die Wissenschafterin. „Fünf davon konnten positiv auf Leptospira getestet werden. Drei Mal wurde das Bakterium erfolgreich isoliert, kultiviert und genau identifiziert.“ Unterstützt wurde die Studie mit ihrer aufwendigen Probennahme von der FTI-Initiative des Landes Niederösterreich.
Auch der Prozess hinter der Charakterisierung des Bakteriums stellte die Forschenden vor eine Reihe von Herausforderungen. „Die Kultivierung von Leptospira ist sehr aufwendig. Proben mussten innerhalb von zwei bis sechs Stunden im Labor sein. Dort benötigte das Bakterium ein komplexes Medium, in dem Antibiotika gezielt vor der Kontamination durch andere Bakterienstämme schützen“, erklärt Cynthia Sohm von der Vetmeduni den heiklen Prozess. „Bis das Bakterium beobachtet werden kann, mussten Proben zwischen sieben und 23 Wochen kultiviert werden, wobei sein Vorhandensein mittels PCR-Test verifiziert wurde“, fügt Desvars-Larrive hinzu.
Detaillierte Bestimmung
Schließlich wurde das Bakterium aus besonders erfolgreichen Kulturen isoliert und am ebenfalls an der Studie beteiligten Institut Pasteur in Paris einer Genotypisierung unterzogen. „Bestimmte Teile im Erbmaterial werden dabei sequenziert, sodass der Bakterienstamm genau charakterisiert werden kann“, erklärt Desvars-Larrive. Das Ergebnis im Detail: Es handelt sich um Leptospira borgpetersenii, Serogruppe Sejroe, Serovar Hardjobovis, cgMLST cluster 40.
Für die Forscherin hilft die Studie auch, Bewusstsein für die Gefahren durch Leptospirose zu schaffen. Im Gegensatz zu wasserreichen tropischen Gebieten, wo Häufigkeit und Schwere der Infektionen ungleich höher sind, gilt die Erkrankung in Österreich zwar bisher als relativ harmlos. „Mit der Klimaerwärmung und der einhergehenden Zunahme von Überflutungsereignissen tritt sie aber zunehmend oft in urbanen Gebieten und in Ländern mit gemäßigtem Klima auf“, erklärt die Epidemiologin. „Damit könnte künftig auch in Europa die Gefahr durch den Erreger ansteigen.“
Vielfältiges Krankheitsbild
Insgesamt gibt es eine hohe Bandbreite an Symptomen, die durch Leptospira ausgelöst werden können: Bei Menschen führen leichte Verläufe unter anderem zu Fieber, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen. In seltenen Fällen ist Leptospira Auslöser von Morbus Weil – einer schweren Krankheit, die Multiorganversagen, septischen Schock und damit den Tod des Patienten zur Folge haben kann. Auch im Tierreich gibt es eine Vielzahl an Symptomen. Zum Teil übertragen die Tiere den Erreger nur, erkranken aber selbst nicht.
In Rindern kann Leptospirosis zu Fruchtbarkeitsproblemen und reduzierter Milchproduktion führen, was die Krankheit auch für wirtschaftliche Gesichtspunkte relevant macht. Steigt der Infektionsdruck, kann sich die Landwirtschaft nur mit einem integrierten Ansatz aus verschiedenen Maßnahmen schützen, betont Desvars-Larrive. „In Rinderbetrieben benötigt man Verbesserungen bei der Biosicherheit und Umweltschutz. Ratten und andere Nagetierpopulationen müssen möglichst reduziert werden. Wenn die Infektion im Tierbestand diagnostiziert wird, können auch Antibiotika zur Behandlung eingesetzt werden.“
Die Studie „First isolation and genotyping of pathogenic Leptospira spp. from Austria“ wurde kürzlich im Journal Scientific Reports veröffentlicht.
*Presseinformation des Complexity Science Hub und der Vetmeduni, 26.02.2024