Trotz der jüngsten Fortschritte bei den Therapieoptionen ist die Gesamtprognose für die meisten AML-PatientInnen schlecht. Daher besteht ein dringender Bedarf an einem besseren Verständnis der molekularen Mechanismen der Leukämie-Entstehung und -Erhaltung, um neuartige Therapien zu entwickeln. 10 bis 15 % aller an AML erkrankten PatientInnen weisen Mutationen im CEBPA-Gen auf, das den Transkriptionsfaktor CCAAT/Enhancer-Bindungsprotein Alpha (C/EBP alpha) kodiert. Frameshifts im CEBPA-N-Terminus, die zur ausschließlichen Expression einer verkürzten p30-Isoform führen, stellen den häufigsten Typ von CEBPA-Mutationen bei AML dar. C/EBP alpha p30 interagiert mit der epigenetischen Maschinerie, aber es konnte bisher nicht eindeutig nachvollzogen werden, wie p30-induzierte Veränderungen Leukämie verursachen.
MSI2 überlebenswichtig für AML-Krebszellen
Die WissenschafterInnen der Veterinärmedizinischen Universität Wien stellten nun die Hypothese auf, dass kritische Effektorgene in CEBPA-mutierter AML von einer p30-vermittelten Dysregulation des Epigenoms abhängen. Um ihre Hypothese zu prüfen, kartierten sie p30-assoziierte regulatorische Elemente in einem myeloischen Vorläuferzellmodell für p30-getriebene AML. Begleitende p30-abhängige Veränderungen der Genexpression wurden mittels RNA-Sequenzierung gemessen.
„In einer integrativen Analyse konnten wir p30-abhängige regulatorische Elemente bestimmen. Die Expression von 33 Genen wurde direkt durch das C/EBP alpha p30-Onkoprotein gesteuert. Eine funktionelle Untersuchung durch CRISPR/Cas9-Screening identifizierte das RNA-bindende Protein MUSASHI-2 (MSI2) als einen kritischen Effektor von p30. AML-PatientInnen mit CEBPA-Mutationen exprimierten hohe MSI2-Spiegel, und MSI2 war für das Überleben von murinen und humanen AML-Zellen mit CEBPA-Mutationen erforderlich“, so Studienerstautorin Elizabeth Heyes vom Institut für Medizinische Biochemie der Vetmeduni Vienna.
MSI2-Knockdown verzögert in menschlichen Zellen die Entstehung von AML
Wurde nun MSI2 in p30-getriebenen murinen AML-Zellen und in der CEBPA-mutierten menschlichen AML-Zelllinie KO-52 ausgeschaltet, verursachte dies einen Proliferationsstopp und eine terminale myeloide Differenzierung und verzögerte den Beginn der Leukämie in vivo. Zusammenfassend präsentiert die vorliegende, vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union finanzierte Studie einen umfassenden Datensatz von p30-abhängigen Effekten auf die epigenetische Regulation und Genexpression und identifiziert MSI2 als einen Effektor des C/EBP alpha p30-Onkoproteins. Daher könnte MSI2 ein potenzielles neues Behandlungsziel bei PatientInnen mit CEBPA-mutierter AML darstellen.