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Uni Wien: Neue genomische Einblicke in die menschliche Entwicklungsgeschichte in Ostasien

Die Mongolei beflügelte den kulturellen Austausch zwischen Ost- und West-Eurasien

Über ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt heute in Ostasien. Dort finden sich auch einige der am weitesten verzweigten Abstammungslinien des Menschen außerhalb Afrikas. In dieser Region werden heute unzählige Sprachen gesprochen, außerdem wurden bereits sehr früh Tiere und Pflanzen domestiziert. Über die genetische Vielfalt der Populationen und ihre Wanderungsbewegungen war bisher wenig bekannt, denn im Vergleich zu West-Eurasien gibt es hier kaum Daten uralter DNA. Eine aktuell in "Nature" veröffentlichte Studie, u.a. von Ron Pinhasi von der Universität Wien, ermöglicht nun neue genomische Einblicke in die Entwicklungsgeschichte der Menschen Ostasiens.

Ein Team von Forscher*innen aus Genetik, Archäologie und Sprachwissenschaft analysierte die Genomdaten von 167 Menschen, die in den vergangenen 8.000 Jahren in Ostasien gelebt haben, und 46 Gruppen der Gegenwart. "Die Genomgeschichte Ostasiens ist derzeit noch nicht so gut untersucht wie jene Europas. Unsere Studie ändert das nun: Wir haben eine große Menge uralter ostasiatischer Genome untersucht und die Ergebnisse mit entsprechenden archäologischen Daten und Sprachdaten abgeglichen", erklärt Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien.

Die Studie stützt die These, dass es im Jungpleistozän Wanderungsbewegungen entlang einer Küstenroute gab, die Südostasien, das japanische Archipel und den äußersten Osten von Russland verband. Das 40.000 Jahre alte, aus dem Jungpaläolithikum stammende Genom aus Tianyuan in China und die aus dem frühen Holozän stammenden Genome aus der Mongolei und dem Amur-Gebiet gehören hingegen einer anderen Abstammungslinie an, die sich früh abgespalten und über eine Route im Landesinneren verbreitet hat.

Erklärung für geringe genetische Differenzierung

Die Ergebnisse weisen auch auf einen starken Rückgang der genetischen Differenzierung während der Entstehung komplexer Gesellschaften in Ostasien hin. Am Ende der letzten Eiszeit gab es unterschiedliche Populationen in Ostasien. Diese Populationen vermischten sich in der Jungsteinzeit und verringerten dadurch ihre Heterogenität. In der Bronze- und Eisenzeit vermischten sie sich weiter, wodurch die verhältnismäßig geringe Differenzierung im heutigen Ostasien zu erklären ist.

Die Ergebnisse lassen auch darauf schließen, dass die heutige Mongolei im Holozän den kulturellen Austausch zwischen Ost- und West-Eurasien beflügelt hat. An der Wende zum dritten Jahrtausend vor der Zeitrechnung übte zum Beispiel die Afanassjewo-Kultur, die eine östliche Ausbreitung der in der Steppe lebenden und viehhaltenden Jamnaja-Kultur darstellt, Einfluss auf die Region aus. Sie führte die Milchwirtschaft ein und beeinflusste nachfolgende archäologische Phänomene.

Nach dem Niedergang der Afanassjewo-Kultur wurde die Abstammungslinie, die diese migrierende Bevölkerung mit sich brachte, in der Mongolei fast vollständig verdrängt – im Gegensatz zu Europa, wo sich die Jamnaja dauerhaft etablieren konnten. Dennoch können im Nordwesten Chinas Nachfahren der Jamnaja und ihrer ursprünglichen Ausbreitung bis in die Eisenzeit nachgewiesen werden. 

Publikation in Nature: 

Reich, David; et al.: Genomic Insights into the Formation of Human Populations in East Asia. Nature, 2021. 
DOI: 10.1038/s41586-021-03336-2

Wissenschaftlicher Kontakt

Ron Pinhasi, PhD
Department für Evolutionäre Anthropologie
Universität Wien
1090 - Wien, Althanstraße 14 (UZA I)
+43-1-4277-547 21
+43-664-60277-547 21
ron.pinhasi(at)univie.ac.at

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