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Pharmig: EU-Pharma-Reform: statt Klarheit gibt es Unsicherheiten

Studie beleuchtet Risiken der geplanten Pharma-Gesetzgebung für Arzneimittelforschung, Investitionen und Gesundheitsversorgung in Europa.

Die geplante Reform der EU-Pharma-Gesetzgebung soll den Zugang zu Arzneimitteln fairer gestalten, die Medikamentenversorgung sicherer und Europa wettbewerbsfähiger machen. Ob das mit den Maßnahmen gelingen kann, die im Überarbeitungsentwurf definiert sind, stand vor kurzem im Zentrum einer Diskussionsrunde der PHARMIG und des Austrian Health Forums. Basis dafür war eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes Economica. Sie ermöglicht eine Einschätzung, wie sich einzelne Vorgaben des Gesetzespakets tatsächlich auswirken würden, etwa auf Investitionen in Arzneimittel-Forschungsprojekte oder auch darauf, ob neu entwickelte Therapien auch zeitnah in Europa verfügbar wären.

Um derartige Vorhersagen tätigen zu können, nimmt die Studie ein für die Entwicklung neuer Therapien wichtiges Kriterium in den Fokus: den Unterlagenschutz auf Forschungsdaten. Dieser ermöglicht es den Unternehmen, ihr neu entwickeltes Medikament bzw. eine neue Therapie eine gewisse Zeit davor zu schützen, dass Nachfolgeprodukte entwickelt und auf den Markt gebracht werden können.

Derzeit gibt es acht Jahre Unterlagenschutz und zwei Jahre Marktexklusivität. Erst dann darf ein Nachfolgeprodukt (Generikum) erstmals in Verkehr gebracht werden. Nun soll der Unterlagenschutz um zwei Jahre verkürzt werden. Gegebenenfalls kann es eine Verlängerung geben, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden. So können nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission zum Beispiel zwei Jahre hinzugewonnen werden, wenn ein Produkt in allen EU-Märkten innerhalb von zwei Jahren eingeführt wird. Jedoch liegt es nicht allein im Einflussbereich eines Unternehmens, ob ein Produkt innerhalb einer festgelegten Frist in allen EU-Staaten verfügbar gemacht werden kann. Mit mehreren Beispielen veranschaulichte die Studie im Rahmen der Diskussionsveranstaltung, dass die überarbeitete Fassung der EU-Pharma-Gesetzgebung große Risiken für die Förderung von Innovationen in Europa und somit auch für die Versorgung der Patientinnen und Patienten in den Mitgliedsstaaten birgt.

„Mittelfristig wird sich die Gesundheitsversorgung verschlechtern, weil neu entwickelte Therapien verstärkt woanders und nicht in Europa entwickelt werden. Denn durch die vorgeschlagenen Änderungen im Unterlagenschutz wird ein Klima der Verunsicherung für Unternehmen entstehen und so zu einem deutlichen Investitionsrückgang führen. Die Folge wird sein, dass diese neuen Therapien mit zeitlicher Verzögerung nach Europa kommen werden“, warnt Nicole Daniela Schlautmann, Geschäftsführerin der Pfizer Corporation Austria und Vorstandsmitglied der PHARMIG.

Aus ihrer Sicht ist es eine marktwirtschaftliche Realität, dass Investitionen in einem unsicheren Umfeld zurückgehen: „Unternehmen brauchen sichere Rahmenbedingungen, um einschätzen zu können, ob sich das Investment in die Medikamentenentwicklung lohnt, indem ich die investierten Kosten auch wieder zurückverdienen kann“, so Schlautmann mit Verweis auf die Daten, die von der Europäischen Kommission als Grundlage herangezogen werden.

„Ich kann absolut nachvollziehen, dass nur planbare Rahmenbedingungen dazu beitragen, die Investitionshäufigkeit in Europa zu erhöhen. Umso mehr müssen wir aufpassen, dass sich die EU mit den neuen Regelungen keine zu großen Fesseln auferlegt. Denn die eigentliche Intention der EU ist es, damit Innovationen zu fördern“, erklärt Josef Smolle, Abgeordneter zum Nationalrat und ÖVP-Gesundheitssprecher. Angesichts der Deindustrialisierung Europas und der Verlagerung der Wirkstoffproduktion in andere Teile der Welt fordert Smolle eine klare Stärkung des Standorts.

Eine solche steht aber auch mit einer weiteren Vorgabe des Gesetzespakets auf dem Spiel: So wird der Begriff des „ungedeckten medizinischen Bedarfs“ adaptiert, womit beabsichtigt ist, Forschung in jenen Bereichen anzukurbeln, wo es bislang noch gar keine oder keine zufriedenstellenden Therapiemöglichkeiten gibt. Diese neue Definition sowie die damit verbundenen Anreize und Förderungen bergen die Gefahr, dass dies zu einem Rückgang der Forschung und Entwicklung in verschiedenen Krankheitsbereichen führt. Dies könnte in weiterer Folge die Wettbewerbsfähigkeit der EU mindern und Europa im Vergleich zu anderen Regionen wie USA, Indien und China weiter schwächen.

Aus dem Publikum war während der Veranstaltung zu vernehmen, dass die EU-Gesetzesreform eher einem faulen Apfel als einer frischen Karotte gleiche. Die Anreize seien keine wirklichen Triebfedern für mehr Medikamentenentwicklung. Andernfalls würde die forschende pharmazeutische Industrie Beifall klatschen, anstatt derartig heftige Kritik zu üben. Smolle griff in einem seiner Statements diesen Vergleich auf und ergänzte in Anspielung auf die geplanten Bedingungen: „Ganz grundsätzlich muss der Esel auch in der Lage sein, die Karotte zu erreichen, ansonsten verliert er das Interesse.“

Leonhard Dobusch, Mitbegründer und wissenschaftlicher Leiter des Momentum-Instituts, spricht das Thema der Gesundheitsversorgung an und zweifelt, ob es sich um die richtigen Stellschrauben handelt, um diese in Europa wirklich zu verbessern. Der Experte schlägt vor, Lösungen „jenseits von Schutzfristen“ zu suchen und spricht sich für eine mutigere und geopolitisch getriebene Industriepolitik aus, konkret für mehr öffentliche Investitionen in Grundlagenforschung sowie in den Ausbau der Arzneimittelproduktion in Europa.

Die Maßnahmen der Europäischen Kommission im EU-Pharma-Gesetzespaket sieht auch Economica-Geschäftsführer Christoph Schneider kritisch. Die Union versuche, Defizite, die sie auf nationaler Ebene sieht, mit einer supranationalen Regelung zu verbessern. Dabei werde undifferenziert Angebot und Nachfrage in einem Paket zusammengeworfen. „Ob die EU-Kommission die geeigneten Mittel ergreift, um ihre Ziele zu erreichen, darf man hinterfragen. Es entstehen Kosten für alle Stakeholder, die aber dem Ziel, Menschen langfristig Zugang zu mehr medizinischer Versorgung zu geben, entgegenlaufen“, so Schneider.

Das Video zur AHF-Diskussion ist hier abrufbar.

Über die Pharmig: 

Die PHARMIG ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband ca. 120 Mitglieder (Stand April 2024), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die PHARMIG und ihre Mitgliedsfirmen stehen für eine bestmögliche Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Gesundheitswesen und sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt.

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