ÖVIH: Unberechenbare FSME kennt keine Grenzen

Umfassendes Standardwerk zu FSME mit weltweiten Verbreitungsdaten veröffentlicht

FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) ist mittlerweile ein globales Phänomen. Weltweit werden jährlich etwa 10.000 bis 12.000 FSME-Fälle registriert, die Sterberate liegt zwischen 0,2 und 20 Prozent. Seit 2012 ist FSME in der EU eine meldepflichtige Krankheit. Die Fallzahlen in den einzelnen Ländern sind selbst in Europa aufgrund unterschiedlicher Definitionen schwer miteinander vergleichbar und dürften wegen der hohen Dunkelziffer vermutlich nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Die Risikogebiete ändern sich laufend. Auch Reisende sind immer häufiger von der Erkrankung betroffen. Der aktuelle Stand der Wissenschaft zu allen Aspekten der FSME (englisch: TBE), von den Übertragungswegen über die Diagnostik bis hin zum Umgang mit speziellen Patientengruppen, wird nun im neuen Buch über FSME („The TBE-Book“) zusammengefasst, das am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien vorgestellt wurde.

Umfassende Falldatenrecherche

Trotz einheitlicher Krankheitsdefinition in der EU gibt es nur in wenigen Ländern nationale FSME-Aufklärungs- oder Impf-Programme, sodass es nach wie vor große Differenzen bezüglich der Überwachung (Fallmeldungen) und Diagnostik gibt. „Daten zur Krankheitslast sind somit nur schwer vergleichbar. Wissenschaftlich valide Fallzahlen gibt es nicht“, erläutert Priv. Doz. Dr. Gerhard Dobler vom Nationalen Konsiliarlabor für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Für das Buch wurde nun die weltweite Epidemiologie (Krankheitsverbreitung) so genau wie möglich recherchiert, heruntergebrochen auf Länder- und teilweise sogar regionale Ebene. „Diese epidemiologischen Daten stammen fast immer von Wissenschaftlern aus der Region selbst und wurden bisher noch nie in einer derart umfassenden und kompakten Form veröffentlicht“, ergänzt Mitherausgeber Dr. Michael Bröker.

Risikogebiete im Wandel

Das TBE-Book dient aber nicht nur als Nachschlagewerk, sondern soll auch aufzeigen, wie wichtig weitere Forschungen auf diesem Gebiet sind. So galten die Niederlande zum Beispiel bis vor drei Jahren als FSME-frei. In der Zwischenzeit wurde das widerlegt. „Ähnliche Beispiele werden noch folgen“, ist sich Bröker sicher. So werde in einigen europäischen Ländern (z.B. Griechenland, Länder des Balkans, Rumänien, Bulgarien) bis heute nicht systematisch auf FSME getestet. Nachgewiesene Fälle seien nach wie vor Zufallsbefunde und beruhten häufig auf den Aktivitäten einzelner interessierter Wissenschaftler. „Selbst bereits definierte Risikogebiete können sich ändern“, ergänzt Dobler. In Zentraleuropa, speziell in Österreich und Deutschland, beobachten Wissenschaftler beispielsweise derzeit, dass FSME-Risikogebiete in mittleren Höhenlagen (ca. 400 m) wieder verschwinden, aber gleichzeitig in höheren Ebenen, ab etwa 600 Metern Seehöhe, neue Risikogebiete entstehen. „Es ist also schwer zu sagen, ob man und wo man wirklich sicher ist“, so Dobler.

Ziel des Buches ist daher unter anderem, darauf aufmerksam zu machen, dass hinter manch ungeklärtem Fall von Gehirn- oder Gehirnhautentzündung auch FSME stecken könnte.

FSME als Reisekrankheit

FSME wird aber auch als Reiseimpfung immer relevanter. „Entgegen vieler Annahmen ist auch jemand gefährdet, sich mit FSME zu infizieren, wenn er nach Skandinavien, ins Baltikum oder auf die dänische Insel Bornholm reist“, erklärt Bröker. In Russland gibt es ganz besonders viele Fälle, FSME wurde aber auch fern von Europa in China, Japan, der Mongolei oder Korea nachgewiesen. Durchschnittlich bis zu fünf Prozent der in Deutschland registrierten FSME-Fälle sind Infektionen, die ursprünglich im Ausland erworben wurden. Manchmal auch über unpasteurisierte Milch- oder Milchprodukte. „In der Slowakei kommen bis zu 20 Prozent aller Infektionen auf diesem Weg zustande“, erläutert Dobler.

„Gerade in Österreich besteht für Touristen ein nicht zu unterschätzendes Risiko“, betont Univ. Prof. Dr. Michael Kunze vom Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien. „Das Risiko, sich in einem Endemiegebiet mit FSME zu infizieren liegt bei 1:10.000. Es ist damit ähnlich hoch wie jenes eines ungeimpften Touristen an Typhus zu erkranken, wenn er in ein indisches Risikogebiet fährt.“ Legt man die Erkrankungswahrscheinlichkeit auf die Anzahl der jährlichen Übernachtungen in Österreich um, ergibt dies 60 Fälle von reiseassoziierter FSME pro Sommer.

Niedrige Durchimpfungsraten in Europa

„Obwohl man sich in vielen Ländern Europas mit FSME infizieren kann, sind viele Menschen nicht dagegen geimpft“, berichtet Kunze. Eine in elf europäischen Ländern durchgeführte Befragung hat unter anderem gezeigt, dass selbst in Ländern mit relativ vielen Fallzahlen wie z.B. in Finnland oder im Baltikum, die Durchimpfungsraten oft relativ niedrig sind (Lettland 53 Prozent, Estland 31 Prozent). Häufig kommt es vor, dass die Menschen die notwendigen Auffrischungsimpfungen nicht wahrnehmen. Nur 27 beziehungsweise 15 Prozent aller befragten Personen in den elf Ländern gaben an, die erste und zweite Auffrischungsimpfung erhalten zu haben. Mit einer Durchimpfungsrate von über 80 Prozent gilt Österreich als Musterbeispiel, allerdings sinkt diese Zahl hierzulande deutlich, wenn man die korrekt durchgeführten Auffrischungsimpfungen berücksichtigt.

Das Buch

Details zu diesen und vielen weiteren Themen finden interessierte Mediziner und Wissenschaftler im Buch, zu dem zusätzlich wöchentliche Kurzkommentare und monatliche Newsletter veröffentlicht werden. Das Buch kann nach einer Registrierung kostenfrei unter https://id-ea.org/tbe/ heruntergeladen werden. Gedruckt ist es beim Verlag GLOBAL HEALTH PRESS sowie in Kürze auch beim Onlinebuchhändler Amazon erhältlich.

Dobler G, Erber W, Bröker M, Schmitt HJ, eds.
The TBE Book.
2nd ed. Singapore: Global
Health Press; 2019. doi: 10.33442/978-981-14-0914-1_1

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