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ÖVIH: Planung für Covid-19-Impfstoffe auf Kurs

Hunderttausende Personen in Studien – genaues Behördenmonitoring – detaillierte Pläne für Verteilung und Beschaffung

Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat sich in der Entwicklung von Impfstoffen viel getan. Beinahe 200 Impfstoff-Kandidaten gegen SARS-CoV-2 sind in der klinischen Entwicklung, 42 werden bereits in klinischen Studien geprüft, 10 davon schon in der dritten und damit letzten Phase. Für zwei Impfstoffkandidaten hat der „Rolling Review“ der europäischen Zulassungsbehörden begonnen. Dahinter steckt ein Kraftakt von allen Seiten, auch mehrere österreichische Unternehmen sind in Forschung und Produktion an vorderster Front beteiligt. Die EU hat im Rahmen einer koordinierten Impfstoffbeschaffung gewährleistet, dass für alle Mitgliedsstaaten ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen wird, vorausgesetzt, es werden entsprechende Marktzulassungen erteilt. Für Österreich wird bereits an Szenarien gearbeitet, wie die Impfungen durchgeführt werden können.

Kurze Entwicklungszeit ohne Abstriche bei der Sicherheit

Für die Entwicklung von Impfstoffen gibt es klar definierte Vorgangsweisen und Verfahren. Diese betreffen alle Stadien der Entwicklung, von der Präklinik über klinische Studien bis zur Einreichung bei den Behörden. „Für SARS-CoV-2 können diese an mehreren Stellen verkürzt werden, da bereits auf Erfahrungen mit der Entwicklung und Zulassung von pandemischen Influenzaimpfstoffen zurückgegriffen werden kann“, erläutert der internationale Impfstoffexperte Dr. Otfried Kistner.

Für alle derzeit in weit fortgeschrittener klinischer Entwicklung befindlichen Impfstoffe werden sogenannte Plattformtechnologien verwendet, die normalerweise für die Herstellung von Impfstoffen gegen unterschiedlichste Erreger zur Impfstoffproduktion oder für Immuntherapien in der Krebsforschung benützt werden. Bei den Behörden gibt es also schon entsprechende Dossiers dazu. Diese Plattformen haben in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass die hergestellten Impfstoffe verträglich sind und eine schützende Immunantwort produzieren können.

Außerdem könne die Möglichkeit der Verdichtung von Studienphasen zur Anwendung kommen, so Kistner. Das sei aber kein Mechanismus, der bei SARS-CoV-2 zum ersten Mal eingesetzt würde. Die Studienprotokolle würden in so einem Fall von Anfang an so aufgesetzt, dass es die Möglichkeit zur Erweiterung gibt. „Das bedeutet, dass, wenn die Sicherheit bewiesen ist und genügend Probanden zur Verfügung stehen, weitere Personen in die Studie aufgenommen werden können. Das sind dann zum Beispiel Personen aus Risikogruppen wie ältere Menschen oder Personen mit sogenannten Grunderkrankungen“, erklärt der Experte.

Zulassungsbehörde begutachtet laufend

Auch der Zulassungsprozess kann beschleunigt werden, wie das für zwei Impfstoffkandidaten bereits der Fall ist. „Hierfür steht der sogenannte "Rolling Review"-Prozess zur Verfügung, bei dem die Arzneimittelbehörden bei vielversprechenden Kandidaten schon während der noch laufenden Entwicklung parallel zu begutachten beginnen“, erläutert DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der AGES Medizinmarktaufsicht. „Das nachfolgende "eigentliche Zulassungsverfahren" kann dann stark verkürzt ablaufen, da wesentliche Bausteine des Dossiers bereits im Detail begutachtet wurden.“ Klar sei, dass es bei den Covid-19-Impfstoffen in Qualität, Art und Umfang der behördlichen Begutachtung keine Abstriche und Unterschiede zum "herkömmlichen" Zulassungsprozess geben wird.

Österreichische Unternehmen in Forschung und Entwicklung vorne dabei

Gleich mehrere österreichische Unternehmen haben sich der Arbeit gegen das Virus verschrieben. So forscht Themis Bioscience an einem eigenen Impfstoff gegen SARS-CoV-2. „Wir verwenden den – auch als Kinderimpfstoff bekannten – Masernvirusimpfstoff als Trägermedium (Vektor)“, berichtet CEO Dr. Erich Tauber. Erfunden wurde diese Technologie vom französischen Institut Pasteur, das diese an Themis auslizensiert hat und nach wie vor Forschungskooperationen mit Themis unterhält. Derzeit arbeitet Themis gemeinsam mit dem amerikanischen Konzern MSD, dem Themis seit kurzem angehört, mit Hochdruck an der Vorbereitung von Phase-III-Studien.

Die Firma Valneva, in der vor einigen Jahren die österreichische Firma Intercell aufgegangen ist, arbeitet derzeit an einem inaktivierten Ganzvirusimpfstoff gegen Covid-19, der Ende des Jahres 2020 in die Phase I gehen soll. „Am Wiener Standort werden vor allem die klinische Entwicklung des Covid-19-Impfstoffkandidaten geplant und gesteuert, sowie wichtige Prozesse des Qualitätsmanagements durchgeführt“, erläutert CEO Thomas Lingelbach. Entwicklung, klinische Prüfung, Produktion und abschließende Testung eines Impfstoffes unterliegen dabei äußerst strengen Sicherheitsvorschriften. Derzeit werden beinahe alle Testungen zur Freigabe sowohl bereits am Markt befindlicher Impfstoffe als auch für Valnevas Impfstoffkandidaten in Wien durchgeführt.

Der österreichische Hidden Champion Polymun ist ein ganz wichtiges Unternehmen, wenn es um die Produktion von RNA-Impfstoffen geht. Es ist nämlich eines von wenigen Unternehmen weltweit, die auf die Herstellung von sogenannten Lipid-Nanopartikeln spezialisiert sind. Diese werden auch für die Herstellung von mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19 gebraucht. „Polymun hat diese Technologie in den letzten 20 Jahren etabliert, weswegen die Firma heute ein logischer Partner für Hersteller von mRNA-Vakzinen ist“, erzählt Dr. Andreas Wagner, der für diese Technologie bei Polymun verantwortlich ist. Die Kandidaten-Impfstoffproduktion wird derzeit für mehrere Auftraggeber durchgeführt.

Gemeinsame EU-Beschaffung sichert ausreichend Impfstoff für alle

Sobald einer oder mehrere Impfstoffe gegen Covid-19 die europäische Zulassung erhalten und zur Verfügung stehen, werden diese in der EU verteilt. Um zu gewährleisten, dass ausreichend viele Impfstoffe vorhanden sein werden, haben sich die Mitgliedsländer der EU gemeinsam mit der Europäischen Kommission verpflichtet, im Rahmen des gemeinsamen Beschaffungsprozesses nicht jeweils getrennt, sondern gemeinsam als 27 Länder mit den Herstellern von potenziellen Covid-19-Impfstoffen Vorverträge zur Reservierung von Liefermengen abzuschließen. „Innerhalb der EU werden die reservierten Liefermengen dann jeweils nach Bevölkerungsanteil aufgeteilt“, erklärt Dr. Clemens Martin Auer, Sonderbeauftragter für Gesundheit. Aktuell sieht das Portfolio sieben unterschiedliche Impfstoffe vor, basierend auf drei Technologien (mRNA, non-replicant viral vector, protein subunit). Ob (überhaupt) ein oder mehrere Impfstoffe verfügbar sein werden, hänge von der Marktzulassung ab, betont Auer.

Freiwillige Impfung und unterschiedliche Impfstofftechnologien

„Alle in Österreich lebenden Personen können sich freiwillig impfen lassen, das wurde im Ministerrat so festgelegt“, ergänzt der Sonderbeauftragte. „Das BMSGPK arbeitet derzeit gemeinsam mit vielen an der Distribution beteiligten Institutionen an möglichen Impfstrategien beziehungsweise Verteilungskonzepten. Wer zu welchem Zeitpunkt geimpft werden kann, hängt von vielen Parametern ab. Wichtig dabei ist sicherlich, ob beziehungsweise wann die jeweiligen Impfstoffe eine Marktzulassung bekommen und welche Impfstoffmengen in welchem Zeitrahmen zur Verfügung stehen können. Ein großer Vorteil bei den Entwicklungen von SARS-CoV-2-Impfstoffen ist, dass die Unternehmen bei der Impfstoffentwicklung an unterschiedlichen Technologien forschen. So haben wir die Chance, am Ende vielleicht mehrere unterschiedliche Impfstoffe im Kampf gegen das Virus zu haben“, erläutert Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH) die weitere Vorgangsweise. Wann es soweit sei, könne derzeit niemand genau sagen, so Auer. „Wir gehen derzeit aber davon aus, dass dies Anfang 2021 der Fall sein könnte.“

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