Jedes Jahr im April macht die WHO (Europäische Impfwoche heuer von 20 bis 26. April) auf die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Impfungen aufmerksam. Dieses Jahr ist den Impfungen die Aufmerksamkeit gewiss, wartet die Welt doch dringend auf einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2. Auch wenn noch nicht klar ist, wann es einen oder mehrere Impfstoffe zur Verhinderung von COVID-19 geben wird, ein Blick darauf, wo der ersehnte Impfstoff einmal herkommen könnte, lohnt sich jedenfalls. Aus europäischer Sicht beruhigend: Die Impfstoffproduktion und -innovation findet zu einem überwiegenden Teil in Europa statt. Auch Österreich leistet einen Beitrag. Es gibt hierzulande gleich mehrere Forschungs- und Produktionsstätten.
Pro Jahr 1,7 Milliarden Impfstoffdosen aus Europa
1,7 Milliarden Impfstoffdosen von bereits zugelassenen Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten werden jährlich in Europa produziert. Damit werden 76 % des weltweiten Impfstoffbedarfs abgedeckt. Aus Nordamerika kommen 13 % der Impfstoffdosen, aus Asien 8 %.[1]
Die impfstoffherstellenden pharmazeutischen Unternehmen leisten in Europa aber nicht nur einen wichtigen Beitrag für die medizinische Forschung und Produktion, sie sind auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Europäischen Union. Allein im Jahr 2016 wurden durch die Impfstoffindustrie direkt oder indirekt 122.000 Jobs geschaffen 1.
Forschung und Produktion quer durch Europa
Die europäische Produktion ist auf 11 Länder und 27 Produktionsstätten verteilt. Zudem gibt es 12 Forschungszentren in 8 Ländern, die auf die Entwicklung von neuen Impfstoffen fokussieren, also entweder auf die nächste Generation bestehender Impfstoffe oder auf völlig neue Impfstoffindikationen. Der europäische Fokus ist gerade jetzt besonders relevant, denn auch hier wird mit Hochdruck an einem Impfstoff gegen SARS-CoV-2 geforscht. Die Wahrscheinlichkeit, dass der dringend benötigte Impfstoff tatsächlich aus Europa kommen wird, ist durchaus gegeben, denn: „Europa ist das Herz der Impfstoff-Innovation, unzählige Forscherteams arbeiten praktisch Tag und Nacht, um so schnell wie möglich einen wirksamen und sicheren Impfstoff zu entwickeln und dann auch in großen Mengen zu produzieren. Aber Impfstoffforschung und -produktion sind sehr komplex, somit müssen wir wohl noch etwas Geduld haben“, erläutert Renee Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH) und National Industry Group-Koordinatorin der europäischen Dachgesellschaft „Vaccines Europe“.
Impfstoffinnovation und -produktion auch aus Österreich
Österreich ist eines jener Länder, in denen sowohl Forschung als auch Produktion stattfinden. Vier von sechs Impfstoffherstellern haben in Österreich Forschungs-, und/oder Produktionsstandorte. „In Österreich leisten wir somit einen aktiven und wichtigen Beitrag zur weltweiten Impfstoffversorgung“, berichtet Sigrid Haslinger, Vizepräsidentin des ÖVIH. So gibt es beispielsweise für den humanen Impfstoffbereich ein großes Impfstoff-Forschungszentrum im Vienna Bio Center, eine Impfstoff-Produktionsstätte in Orth a.d. Donau, eine Impfstoffantigen-Produktion (also eine Teilproduktion eines Impfstoffes) in Kundl in Tirol sowie eine veterinärmedizinische Impfstoffproduktionsstätte in Krems.
Weltweite Kooperationen
Aufgrund der intensiven Investitionen und globalen Kooperationen findet derzeit ein massiver Innovationsschub in der Impfstoffentwicklung statt. Pharmazeutische Unternehmen arbeiten weltweit (mitunter auch gemeinsam) mit Behörden und öffentlichen Institutionen intensivst an wissenschaftlichen Entwicklungen. Das Ziel ist, ehest möglich wirksame Therapien sowie effektive und wirksame Impfstoffe für alle in ausreichender Menge zur Verfügung zu haben.
Die Entwicklung eines neuen Vakzins dauert im Regelfall 10 bis 15 Jahre. Nach der sogenannten präklinischen Phase und den Tests im Tiermodell muss noch ein umfangreiches klinisches Entwicklungsprogramm durchlaufen werden, um Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffes sicherzustellen, bevor um Zulassung angesucht werden kann. Auch bei der Herstellung gelten umfangreiche Sicherheitsstandards.
Im Fall von COVID-19 müssen all diese Phasen extrem stark abgekürzt werden. „Alle Stakeholder, von der Politik über Behörden, medizinische Experten bis zur Industrie bündeln gerade all ihre Kräfte in einem nie dagewesenen Ausmaß. Nur so können in viel kürzerer Zeit als sonst die notwendigen Entwicklungen und Tests für einen wirksamen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 durchgeführt werden“, bringt Gallo-Daniel die aktuellen Anstrengungen auf den Punkt.
Neben SARS-CoV-2 auf andere Impfungen nicht vergessen
Um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, wird man in den nächsten Jahren vermehrt darauf achten müssen, dass PatientInnen mit COVID-19 und Influenza-PatientInnen nicht gleichzeitig die Kapazitäten des Gesundheitssystems beanspruchen. An einer intensivierten Influenzaprävention führt kein Weg vorbei. So dramatisch die COVID–19 Situation derzeit auch ist, wichtig ist, dabei nicht auf bereits verfügbare Impfungen zu vergessen. "Wenn wir nicht wollen, dass bereits zurückgedrängte Krankheiten wiederkommen oder wieder häufiger werden, müssen wir gegen jene Erkrankungen, gegen die wir bereits passende Impfstoffe haben, auch unter schwierigen Umständen weiter impfen“, betont Bernhard Prager, der Generalsekretär des ÖVIH. Denn: Allein durch die bisher existierenden Impfungen können weltweit etwa zwei bis drei Millionen Todesfälle verhindert werden, mit Potenzial für weitere 1,5 Millionen, wenn die Durchimpfungsraten gesteigert würden.[2]
Der österreichische Verband der Impfstoffhersteller setzt sich dafür ein, dass der Dialog zum Thema „Impfungen“ auch unabhängig von COVID-19 weitergeführt wird und möglichst vielen Menschen in allen Altersgruppen Impfstoffe zur Verfügung gestellt werden können.
[1] https://www.vaccineseurope.eu/wp-content/uploads/2020/02/VE_Factsheet.pdf
[2] https://www.who.int/news-room/feature-stories/ten-threats-to-global-health-in-2019 zuletzt abgerufen am 14.4.202019