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Complexity Science Hub: Die KI-Revolution findet statt – mit oder ohne Europa

Expert:innen diskutierten Strategien für den europäischen Umgang mit rasanter KI-Entwicklung.

„The AI takeoff has started“, schrieb OpenAI-CEO Sam Altman kürzlich. Mit diesen Worten eröffnete der Ökonom Anton Korinek vergangenen Donnerstag einen hochkarätigen Workshop, den der Complexity Science Hub (CSH) gemeinsam mit der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und dem Centre for Economic Policy Research (CEPR) organisierte.

Der „AI-Takeoff" beschreibt einen Wendepunkt: KI-Systeme, die heute Texte schreiben oder Bilder erstellen, könnten schon bald eigenständig forschen, komplexe Probleme lösen und sogar bessere KI-Systeme entwickeln. Korinek, der derzeit Gastforscher am CSH ist, verwies damit auf die Einschätzung von Expert:innen, dass wir möglicherweise in eine solche Phase eintreten – in der sich die Fähigkeiten von KI-Systemen derart rasant weiterentwickeln, dass sie schon bald die meisten kognitiven Aufgaben besser bewältigen können als Menschen.

Was würde das für die Wirtschaft Europas bedeuten und wie kann sich Europa darauf vorbereiten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Workshops mit führenden internationalen Expert:innen – darunter Skype-Mitgründer Jaan Tallinn und AI-Policy-Experte Daniel Susskind.

Produktivitätssprung und Arbeitslosigkeit

Die Potenziale von KI sind enorm: Konservative Schätzungen gehen von möglichen Produktivitätssteigerungen um drei Prozent aus, andere Prognosen liegen deutlich höher. „Der Grund, warum wir heute viel wohlhabender sind als vor 200 Jahren, liegt an der höheren Produktivität“, erklärte Anton Korinek, der auch Professor an der University of Virginia ist und kürzlich in den Anthropic Economic Advisory Council berufen wurde. „KI wird eine ähnliche Dynamik in Gang setzen – mehr Output durch künstliche Intelligenz könnte zu mehr Wohlstand führen.“

Gleichzeitig warnten die Expert:innen vor erheblichen Verwerfungen am Arbeitsmarkt. Daniel Susskind, der bereits mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht hat, erklärte, dass es zu mehr Arbeitslosigkeit kommen könne – einerseits, weil es einfach nicht genug Arbeit für alle gibt, andererseits, weil viele Menschen nicht mehr über die passenden Fähigkeiten verfügen könnten oder weil sie nicht in Branchen arbeiten möchten, mit denen sie sich nicht identifizieren. Besonders drastisch könnte die Entwicklung im Programmierbereich werden: „Die führenden KI-Labs prognostizieren, dass nächstes Jahr die letzte von Menschen geschriebene Zeile Code bei ihnen entstehen wird“, so Korinek.

Europa darf Anschluss nicht verlieren

Europa hinkt in der KI-Entwicklung hinterher, warnen die Expert:innen. Und Europa müsse besser darin werden, die Potenziale zu erkennen und zu nutzen. „Die gefährlichste Strategie ist es, die laufenden KI-Fortschritte zu ignorieren – denn gewisse negative Konsequenzen werden sich materialisieren, egal ob wir alle positiven Aspekte nutzen oder nicht“, so Korinek. Europa müsse nicht zwingend bei der Entwicklung von KI-Technologie führend sein, könne aber die vorhandene Technologie entlang der gesamten Wertschöpfungskette deutlich besser einsetzen. Als warnendes Beispiel führte er die europäische Automobilindustrie an, die in den vergangenen Jahren – vor allem wegen rasanten Fortschritten in China – an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat.

Für europäische Regierungen identifizierte Korinek drei zentrale Aufgaben: KI ermöglichen, KI nutzen und KI verantwortungsvoll gestalten – also sicherstellen, dass sie mit gesellschaftlichen Zielen in Einklang steht.

CSH-Präsident Stefan Thurner unterstrich die Dringlichkeit: „Die KI-Revolution in der Wissenschaft ist bereits in vollem Gange – mit vielversprechenden Fortschritten, aber auch erheblichen Herausforderungen. Es ist absehbar, dass ähnliche Entwicklungen bald auch die gesamte Gesellschaft betreffen werden. Wir müssen vorbereitet sein – denn das Schlimmste wäre, nicht zu verstehen, was gerade passiert.“

Martin Summer, Head of Research Section der OeNB, zeigte sich optimistisch: „Auch wenn momentan Europa im Wettlauf um die Entwicklung von KI-Systemen nicht an der Spitze steht, können wir auf die Stärken unseres Kontinents vertrauen: hochqualifizierte Arbeitskräfte, robuste Institutionen und die Fähigkeit zur durchdachten, verantwortungsvollen Einführung dieser revolutionären Technologie.“

Bildung und Vorbereitung als Erfolgsfaktoren

Einigkeit herrschte unter den Expert:innen, dass die Ausbildungssysteme angepasst werden müssen. Dabei muss KI-Kompetenz auf allen Bildungsebenen vermittelt werden – von unseren Schulen über die Universität bis hin zur beruflichen Weiterbildung. Welche Fähigkeiten werden in einer KI-dominierten Arbeitswelt noch gebraucht? Wie und wann im Leben sollen sie erlernt werden? Oder müssen wir grundsätzlich überdenken, was Bildung in einer Welt bedeutet, in der KI viele menschliche Fertigkeiten übertrifft? Diese Fragen werden über Europas Zukunftsfähigkeit entscheiden.

Weder blinder Optimismus noch Untergangsstimmung werden Europa weiterbringen, so die Expert:innen. Stattdessen brauche es nüchterne Analyse, strategisches Handeln und eine gewisse Flexibilität, denn mögliche Zukunftsszenarien klaffen derzeit noch weit auseinander. Die KI-Revolution findet statt – mit oder ohne Europa. Die Frage ist nicht, ob die Transformation kommt, sondern wie Europa sie für sich nutzt.

Über den Complexity Science Hub

Der Complexity Science Hub (CSH) ist Europas wissenschaftliches Zentrum zur Erforschung komplexer Systeme. Wir übersetzen Daten aus einer Reihe von Disziplinen – Wirtschaft, Medizin, Ökologie, Sozialwissenschaften – in anwendbare Lösungen für eine bessere Welt. Gegründet im Jahr 2016, forschen heute über 70 Wissenschafter:innen am CSH, getragen von der wachsenden Notwendigkeit für ein fundiertes Verständnis der Zusammenhänge, die unserer Gesellschaft zugrunde liegen – vom Gesundheitswesen bis zu Lieferketten. Mit unseren interdisziplinären Methoden entwickeln wir die Kompetenzen, um Antworten auf heutige und zukünftige Herausforderungen zu finden.

Mitglieder des CSH sind AIT Austrian Institute of Technology, BOKU University, Central European University (CEU), IT:U Interdisciplinary Transformation University Austria, Medizinische Universität Wien, TU Wien, TU Graz, Universität für Weiterbildung Krems, Vetmeduni Wien, WU (Wirtschaftsuniversität Wien) und Wirtschaftskammer Österreich (WKO). csh.ac.at

Rückfragen & Kontakt

Complexity Science Hub
Anja Böck, MSc
Telefon: +43 664 2323802
E-Mail: boeck(at)csh.ac.at
Website: https://csh.ac.at/

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