Was kann und soll eine Branchenvertretung im Bereich Nachhaltigkeit leisten? Wie finden Unternehmen ihren Weg zwischen Regulatorien und Auflagen, eigenem Anspruch und Stakeholder-Erwartungen bzw. zwischen Greenwashing und echter Strategie? Diesen komplexen Fragestellungen, die angesichts der multiplen Krisen unserer Zeit noch zusätzlich an Brisanz gewonnen haben, widmete die AUSTROMED, die Interessensvertretung der österreichischen Medizinprodukte-Unternehmen, ihre diesjährigen Herbstgespräche. Titel der hochkarätig besetzen Veranstaltung, die am vergangenen Freitag in Wien stattfand: „Nachhaltigkeit: Erfolgsfaktor oder lästige Pflicht?“
Mag. Florian Frauscher, Leiter der Sektion Wirtschaftsstandort, Innovation und Internationalisierung im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, betonte als Keynote-Speaker die Bedeutung des Medizinprodukte-Sektors für die österreichische Life-Sciences-Branche, sowohl in Bezug auf die Gesundheitsversorgung als auch hinsichtlich seines Beitrags zur österreichischen Volkswirtschaft. „Nachhaltigkeit spielt auch in diesem Sektor als Investition in die Wettbewerbsfähigkeit eine wesentliche Rolle. Das Wirtschaftsministerium unterstützt diese Entwicklung mit der Transformationsoffensive, in deren Rahmen Forschung, Entwicklung und nachhaltige Investitionen gefördert werden“, so Frauscher.
In der Folge wurde das Thema Nachhaltigkeit in einer von Manuela Raidl (Puls4) moderierten Podiumsdiskussion aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei der Bedeutung von nachhaltigem Denken und Handeln für die Medizinprodukte-Branche.
Soziale und gesellschaftliche Verantwortung wird bereits gelebt
„Es ist keine Frage des „Ob“, sondern des „Wie“, wenn wir über sozial und ökologisch verantwortungsvolles Handeln sprechen. Die pharmazeutischen Unternehmen leben bereits durch ihre Produkte eine hohe soziale und gesellschaftliche Verantwortung, und zwar sowohl im Entwickeln als auch beim Produzieren und Bereitstellen dieser Produkte. Es ist daher nur konsequent, wenn wir uns noch genauer anschauen, wo weitere Chancen für nachhaltiges Handeln bei diesen Prozessen bestehen. Als Verband leisten wir dabei eine wichtige Funktion als Wissensspeicher und Informationsvermittler und sehen hier eine enorm hohe Bereitschaft zum Austausch innerhalb der gesamten Branche“, betonte etwa Peter Richter, BA MA MBA, Head of Communications & Public Relations beim Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (PHARMIG).
Mag. Dr. Andrea Karner von respACT, Österreichs führender Unternehmensplattform für verantwortungsvolles Wirtschaften, ging besonders auf die Frage ein, was ein solches Wirtschaften für die Gesellschaft der Zukunft leisten muss: „Mehr Kreisverkehr, weniger Einbahn – das heißt, möglichst wenig Abfall erzeugen und Rohstoffe wie auch Produkte so lang wie möglich im Wirtschaftskreislauf erhalten. Das gelingt mit unternehmens- und branchenübergreifender Zusammenarbeit und einem gesellschaftlichen Miteinander. So schaffen wir ein Wirtschaftssystem, das soziale, ökonomische und ökologische Aspekte gemeinsam betrachtet, uns in die Zukunft führt und niemanden zurücklässt.“
DI Monika Brom vom Umweltbundesamt erläuterte: „In Zukunft wird es darum gehen, ein tiefgehendes Verständnis für die eigenen Lieferketten und Beschaffungsstrukturen zu haben bzw. wirkungsvolle und realisierbare ökologische Beschaffungskriterien zu implementieren, die auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft wirksam sind.“ Was die ebenfalls notwendige tiefere Einsicht in die Umweltwirkungen entlang des gesamten Lebenszyklus von Produkten angeht, verwies Brom auf das Life Cycle Assessment (LCA). Es stellt für Organisationen, die ihren ökologischen Fußabdruck gezielt reduzieren wollen, ein hilfreiches Instrument dar, da es bei der End-of-Life Modellierung eng mit Circular Economy verknüpft ist.
AUSTROMED und PHARMIG erarbeiten Nachhaltigkeits-Leitfaden
Einen Überblick zu den Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit bei der AUSTROMED gab deren Präsident Gerald Gschlössl. Dass die Medizinprodukte-Branche sich mit den spezifischen Anforderungen und Chancen eines nachhaltigen Wirtschaftens beschäftigen muss, steht dabei für die AUSTROMED außer Frage. Eine „Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit“ widmet sich bereits der Aufgabe, faktenbasierte Grundlagen zu schaffen und Wege zur Nachhaltigkeit an die Mitgliedsunternehmen zu kommunizieren.
Gschlössl: „Ein erster Schritt ist dabei die Erarbeitung eines Leitfadens branchenübergreifend mit der PHARMIG, der als Informations-Tool für die Unternehmen dienen soll. Er wird anlässlich der AUSTROMED-Hauptversammlung im Frühjahr 2023 präsentiert. In der AUSTROMED konzentrieren wir uns stark auf Ökonomie und Soziales. Das kommende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bringt es mit sich, noch stärker in die soziale Nachhaltigkeit zu investieren: Die Unternehmen der AUSTROMED beschäftigen im Vergleich mit anderen Branchen überdurchschnittlich viele Frauen. Außerdem wollen wir uns für Menschen mit Beeinträchtigungen besonders einsetzen.“ Zur Rolle der Digitalisierung für die Nachhaltigkeit meinte Gschlössl: „Digitalisierung systematisiert Prozesse, reduziert Wege, der Datenaustausch minimiert Redundanzen und verringert Fehler.“
Über AUSTROMED
Die AUSTROMED ist die Interessensvertretung für Unternehmen, die in der Entwicklung, der Produktion, der Aufbereitung und dem Handel von Medizinprodukten in Österreich tätig sind. AUSTROMED ist Partner der Gesundheitspolitik und versteht sich als Service- und Anlaufstelle für knapp 130 Mitglieder. Insgesamt gibt es über 500.000 Medizinprodukte. Sie bilden einen fixen Bestandteil des täglichen Lebens und einen wesentlichen Grundpfeiler der heutigen Medizin. Das Medizinprodukte-Angebot der AUSTROMED-Mitgliedsunternehmen ist vielfältig. Es reicht von Einmalprodukten bis zu Hightech-Geräten. Medizinprodukte-Unternehmen sind als wesentlicher Versorger des Gesundheitswesens ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber mit einer Bruttowertschöpfung von 4,5 Mrd. Euro und rd. 56.000 Beschäftigten (direkt und indirekt).