Forscher:innen des AIT Austrian Institute of Technology entwickeln gemeinsam mit Partner:innen aus Kroatien und Italien ein leistungsfähiges Tool, mit dessen Hilfe ein hochempfindliches, rasches und kostengünstiges Nachweisverfahren für infektiöse Bakterien möglich wird
Um uns herum leben unzählige Bakterienarten, von denen die allermeisten für den Menschen harmlos oder sogar nützlich sind. Manche Bakterien, wie etwa Salmonellen, Coli-Bakterien oder die Erreger der Cholera, können allerdings Krankheiten auslösen. Deshalb muss alles darangesetzt werden, dass z. B. Wasser, Getränke oder Lebensmittel frei von solchen pathogenen Keimen sind. Herkömmlicherweise werden diese Bakterien durch Zellkulturen im Labor nachgewiesen, das dauert aber zwei bis drei Tage. Alternative molekularbiologische Methoden gehen zwar schneller, sie sind aber teuer und in vielen Fällen nicht empfindlich genug. Eine bessere Lösung hat eine Gruppe von Forschenden unter der Leitung des AIT Center for Health & Bioresources im Auge: Ihr Ziel ist die Entwicklung einer raschen, hochempfindlichen und zugleich kostengünstigeren Nachweismethode. Eine Basis dafür wurde im EU-Projekt MARA gelegt. Nun wird im Folgeprojekt MARILIA, das im Rahmen des EU-Forschungsprogramms „Horizon 2020“ mit rund zwei Millionen Euro gefördert wird, der Prototyp eines Testverfahrens entwickelt, das in der Folge unmittelbar für die Analyse von Wasser und anderen Getränken eingesetzt werden kann.
Proteine und DNA im Computer
Die neuartige Nachweismethode beruht auf rekombinanten Proteinen, die mit DNA-Strängen verknüpft sind: Sobald pathogene Bakterien erkannt werden, verändern diese Moleküle ihre Struktur – und dies lässt sich durch einfache Messungen nachweisen. Entscheidend dabei ist es, dass diese kompliziert gebauten Moleküle, die speziell für diesen Zweck designt werden, exakt die richtige Struktur aufweisen. „Diese Strukturen sind zu komplex, um sie ohne Hilfe durch Computer bauen zu können“, erläutert Projektleiter Ivan Barisic, Senior Scientist der AIT Unit Molecular Diagnostics. „Durch die Berechnung der Strukturen im Computer ist es möglich, die nötige Arbeit im Labor stark zu reduzieren“, so Barisic. Das erspart also viel Zeit und Kosten.
Ein wichtiger Teil des MARILIA-Projekts war es daher, eine entsprechend leistungsfähige Software dafür zu entwickeln – denn die bisher verfügbaren Tools haben Barisic zufolge Schwächen, sie sind z. B. nicht umfassend genug für die konkrete Aufgabe im MARILIA-Projekt. „Wir haben ein benutzerfreundliches, webbasiertes Modellierungswerkzeug entwickelt, um Proteine, DNA und DNA-Nanostrukturen zu entwerfen und zu manipulieren“, berichtet Barisic. Das Ergebnis dieser Forschungsarbeit ist das System CATANA, das kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Nucleic Acids Research“ (gkac350, https://doi.org/10.1093/nar/gkac350) der Fachwelt vorgestellt wurde.
3D-Modellierung und Visualisierung
CATANA umfasst ein Tool zur dreidimensionalen Modellierung und Manipulation von komplexen Biomolekülen in Echtzeit, sowie zur Visualisierung in mehreren Detailierungsgraden – bis hinunter auf atomare Ebene. Neben userfreundlichen Daten-Import und -Export-Funktionen wurde ein neues Datenformat etabliert, das in der Folge auch für die Untersuchungen der Moleküldynamik verwendet werden kann. Integriert wurde überdies „AlphaFold“, ein auf Künstlicher Intelligenz beruhendes Tool, das auf Basis der Aminosäurensequenz die exakte dreidimensionale Struktur eines Proteins in bislang unerreichter Qualität vorhersagt. Diese Methode wurde von der Wissenschaftszeitschrift „Science“ als „breakthrough of the year 2021“ ausgezeichnet.
CATANA ist als webbasierte Anwendung konzipiert, die den Nutzern unabhängig von ihrem Betriebssystem über einen Web-Browser einen einfachen Zugang zu den Modellierungs- und Visualisierungstools ermöglicht. Die Software selbst läuft auf einem Server des AIT und ist als Open-Source-Lösung frei für Wissenschaftler:innen in aller Welt zugänglich. Geplant ist nun, das System zu einer kommerziell nutzbaren Anwendung weiterzuentwickeln und durch ein Spin-off-Unternehmen am Markt anzubieten. Großen Nutzen kann CATANA z. B. bei der Entwicklung von Medikamenten stiften.
Untersuchung von Wasser und Lebensmitteln
Im MARILIA-Projekt selbst leistet CATANA bereits wertvolle Dienste, um die konzipierte Nachweismethode für pathogene Bakterien zu optimieren und zu einer praxisstauglichen Anwendung für die Untersuchung von Wasser und Getränken weiterzuentwickeln. In weiterer Folge schwebt den Forscher:innen vor, den Anwendungsbereich der neuen Methode auf Lebensmittel, Landwirtschaft und den Gesundheitssektor auszuweiten.
Das MARILIA-Projekt
Im EU-Forschungsprojekt MARILIA („MARA-based Industrial Low-cost Identification Assays“) entwickeln Forscher:innen des AIT Austrian Institute of Technology (Unit Molecular Diagnostics) gemeinsam mit Kolleg:innen der Universität Zagreb, des Ruder Boskovic Instituts, des italienischen Multi Utility Konzerns IREN und des italienischen Startup-Inkubators Day One ein hochempfindliches, rasches und kostengünstiges Verfahren zum Nachweis von infektiösen Bakterien in Wasser und Getränken. Das im September 2020 gestartete und auf 30 Monate angelegte Projekt wird vom AIT koordiniert und im Rahmen des EU-Forschungsprogramms „Horizon 2020“ mit rund zwei Millionen Euro gefördert. Ein wichtiger Zwischenschritt dabei war die Etablierung des Software-Tools CATANA, mit dem die Struktur der für den Bakteriennachweis erforderlichen Moleküle exakt designt werden kann.
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