St. Anna: Nervenheilung: Nachbarzellen spielen Polizei – und könnten Tumore gutartig machen

St. Anna Kinderkrebsforscher:innen zeigen, dass Schwann Zellen bei der Nervenheilung Funktionen von Immunzellen übernehmen. Ähnliche Mechanismen könnten Nerventumore am Wachstum hindern.

Schwann-Zellen sind dafür bekannt, Nervenzellen zu schützen und zu reparieren. Bisher wusste man aber nicht, dass sie bei der Nervenheilung selbst Funktionen bestimmter Immunzellen übernehmen. Beispielweise produzieren sie Signalmoleküle, die andere Immunzellen aktivieren können. Insbesondere sind sie aber dazu in der Lage, Entzündungsreaktionen wieder zu beenden, um eine übermäßige Gewebeschädigung zu verhindern und die Regeneration des Nervs zu ermöglichen.

„Das ist essenziell, denn durch die Entzündung werden freie Radikale ausgeschüttet, vor denen sich Nervenfasern nicht selbst schützen können. Daher muss die Entzündung rasch bereinigt werden, was eben durch Schwann-Zellen geschieht“, erklärt Dr. Sabine Taschner-Mandl, die die Studie konzipiert hat und eine Forschungsgruppe an der St. Anna Kinderkrebsforschung leitet. Die neuen Ergebnisse, an denen auch die Medizinische Universität Wien maßgeblich beteiligt ist, wurden im Fachjournal Glia veröffentlicht.

Schützen Schwann-Zellen vor Bösartigkeit?

Was diese Ergebnisse mit dem Tumorwachstum zu tun haben? Nach einer Nervenverletzung nehmen Schwann-Zellen einen „Reparatur“-Modus an, den man auch bei gutartigen kindlichen Nerventumoren findet. Dort bewirkt er, dass die Tumorzellen reifen und somit in ein Stadium kommen, in dem sie ihre aggressiven Eigenschaften verlieren und sich nicht mehr ungebremst teilen (Weiss T., Taschner-Mandl S., et al., Nat Commun 2021).

„Aufgrund der aktuellen Ergebnisse vermuten wir nun, dass die Immunzell-Funktionen der Schwann-Zellen auch bei kindlichen Nerventumoren wirksam werden. Denn bei einer Krebserkrankung brodelt immer auch eine Art Entzündung, die nie zum Stillstand kommt. Bei gutartigen Nerventumoren, den Ganglioneuromen, könnte diese Entzündung durch die Schwann-Zellen gestoppt werden, ähnlich wie bei der Nervenheilung, denn gutartige haben im Gegensatz zu bösartigen Nerventumoren viele Schwann-Zellen in ihrer Mikroumgebung. Wir sehen zudem, dass sehr viele Immunzellen in diese Tumore einwandern, wofür ebenfalls die Schwann-Zellen verantwortlich sein könnten“, meint Sabine Taschner-Mandl.

Gesunde Entzündung: Erst Aktivieren, dann Abschalten

Die aktuelle Studie zeigt insbesondere, dass Schwann-Zellen bestimmte Immunzellen, sogenannte T-Zellen, beeinflussen können, welche eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krebs spielen. Schwann-Zellen – sowohl jene bei der Nervenregeneration, also auch jene in gutartigen Tumoren – tragen MHC-I- und MHC-II-Moleküle an ihrer Oberfläche, die für die T-Zell-Regulation wichtig sind. Über diese Moleküle präsentieren Schwann-Zellen Erkennungsmerkmale von Material, das sie zuvor aus ihrer Umgebung aufgenommen haben.

„Wir haben im Labor eine Entzündungsreaktion nachgestellt und eine ganze Reihe an zusätzlich stimulierenden und hemmenden Oberflächenmolekülen nachgewiesen, die ebenfalls für die T-Zell-Aktivierung notwendig sind“, erklärt Jakob Berner, MSc, Co-Erstautor der Studie und zwischenzeitlich PhD-Student in Kaan Boztugs Gruppe an der St. Anna Kinderkrebsforschung. „Unsere Experimente zeigen, dass Schwann-Zellen in der Lage sind, mittels Phagozytose große Mengen an Material aufzunehmen.“

Als erste Immunantwort bei einem Nervenschnitt schütten Schwann-Zellen Stoffe aus, die T-Zellen, Makrophagen und andere Immunzellen anlocken. Nun zeigte sich, dass nicht nur eine Reaktion zwischen den klassischen Immunzellen stattfindet, sondern auch zwischen Schwann-Zellen und T-Zellen.

Während Schwann-Zellen die Entzündungsreaktion anfangs durch Interferon-gamma-Ausschüttung anheizen, können sie diese später wieder beenden, und zwar durch Hinaufregulieren des T-Zell-hemmenden PD-L1-Moleküls.

„Zuerst Aktivieren, dann Abschalten – das ist der normale Prozess einer Entzündungsreaktion. Wenn das bei Krebs auch so wäre, dann könnte das das Krebswachstum eindämmen“, kommentiert Sabine Taschner-Mandl. Ob und wie sich diese Erkenntnisse für potentielle Krebstherapien nutzen lassen, wird nun beforscht.

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