MedUni Wien: Neu entdeckt: Zelltyp zur Steuerung der Informationsströme im Gehirn

Ein wissenschaftliches Team des Zentrums für Hirnforschung der MedUni Wien hat nun jene Zellen identifiziert, die die Informationsübertragung zwischen Gehirnarealen regulieren. Mit dieser Entdeckung schaffen die Forscher:innen die Basis für die Entwicklung neuer Behandlungsoptionen von neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Autismus, bei denen die Koordinierung von Informationsströmen im Gehirn beeinträchtigt ist. Die Studie wurde jetzt im Top-Journal Science publiziert.

In den Mittelpunkt ihrer Grundlagenforschung stellten die Wissenschafter:innen die Frage, wie die Kommunikation zwischen verschiedenen Hirnarealen reguliert wird, und wie die sich ständig verändernden Informationsströme aus unterschiedlichen Quellen ohne Störungen verarbeitet werden können. Die Antwort suchten und fanden Ece Sakalar, Thomas Klausberger und Balint Lasztoczi von der Abteilung für Kognitive Neurobiologie des Zentrums für Hirnforschung der MedUni Wien im so genannten CA1-Bereich des Hippocampus, einer zentralen Schaltstelle des Gehirns: Dort bewirken die so genannten Neurogliaformzellen, dass die im Hippocampus zusammenlaufenden Informationen aus der aktuellen Umgebung sowie aus relevanten früheren Erfahrungen zwar kombiniert werden können, aber nicht durcheinandergeraten.

Über die Funktion der Neurogliaformzellen tappte die Wissenschaft bisher im Dunkeln. „In unseren präklinischen Experimenten haben wir nun entdeckt, dass diese Zellen durch kurzzeitige Hemmung anderer Zelltypen dafür sorgen, dass gegenwärtige Wahrnehmung und Erinnerungen an vergangene Erlebnisse sowohl getrennt voneinander, aber auch kombiniert, verarbeitet werden können“, erläutert Studienautor Balint Lasztoczi. So ist es möglich, dass
z. B. beim Betrachten eines Fotos der Großmutter (sensorische Information) und den dabei aufkommenden Erinnerungen an den Duft ihrer Kekse (Gedächtnis) das Bewusstsein dafür erhalten bleibt, was tatsächlich erlebt und was erinnert wird.

Ampel im Verkehrsfluss der Informationen

Dass die Informationsströme aus aktuellen und erinnerten Einflüssen zwischen Hirnregionen störungsfrei reguliert werden, bildet die Grundlage eines funktionierenden Nervensystems. Bei verschiedenen neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Autismus läuft diese Organisation nicht fehlerfrei ab. In diesem Zusammenhang geben die aktuellen Forschungsergebnisse aus der MedUni Wien-Studie Hoffnung: Mit der Entschlüsselung der Funktion der Neurogliaformzellen als Ampel im Verkehrsfluss der Informationen legen die Wissenschafter:innen den Grundstein für die Entwicklung neuer Behandlungsoptionen. In der Folge soll erforscht werden, wie die Neurogliaformzellen beeinflusst werden können, um den Ansatzpunkt für neue Medikamente und Therapieoptionen bei neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Autismus zu bilden.

Erschienen in: Science

Neurogliaform cells dynamically decouple neuronal synchrony between brain areas
Ece Sakalar, Thomas Klausberger, Balint Lasztoczi
Doi: 10.1126/science.abo3355

www.science.org/doi/10.1126/science.abo3355

 

Die inhaltliche Verantwortung für diesen Beitrag liegt ausschließlich beim Aussender. Beiträge können Vorhersagen enthalten, die auf Erwartungen an zukünftige Ereignisse beruhen, die zur Zeit der Erstellung des Beitrags in Aussicht standen. Bitte verlassen Sie sich nicht auf diese zukunftsgerichteten Aussagen.

Als Life Sciences Organisation mit Sitz in Wien möchten Sie, dass LISAvienna auf Ihre News und Events hinweist? Senden Sie uns einfach Ihre Beiträge an news(at)lisavienna.at.