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IMBA: Geheimnisse des dopaminergen Systems im Gehirn entschlüsselt

Neues Organoidmodell bildet wichtiges neuronales Netzwerk nach

Ein neues Organoidmodell des dopaminergen Belohnungszentrums in unserem Gehirn gibt Aufschluss über dessen komplizierte Funktionsweise und seinen möglichen Einfluss auf Parkinson-Erkrankungen. Das Modell, das von der Gruppe von Jürgen Knoblich am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickelt wurde, bildet die Struktur, Konnektivität und Funktionalität des dopaminergen Systems nach. Die Studie, die am 5. Dezember in Nature Methods erscheint, enthüllt auch die anhaltenden Auswirkungen von chronischem Kokainkonsum auf das dopaminerge System.    

Ein vollendeter Lauf, die erste Tasse Kaffee am Morgen, der Geruch von frischgebackenen Keksen - all diese belohnenden Momente sind auf einen Anstieg des Neurotransmitters Dopamin zurückzuführen, der von Neuronen in einem neuronalen Netzwerk in unserem Gehirn, dem so genannten „dopaminergen Belohnungsweg“, ausgeschüttet wird. Dopaminerge Neuronen vermitteln nicht nur das Gefühl der Belohnung, sondern spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Feinmotorik - die bei der Parkinson-Krankheit verloren geht. Trotz der Bedeutung von Dopamin sind die wichtigsten Merkmale des Systems noch wenig verstanden, und es gibt keine Heilung für Parkinson. In ihrer jüngsten Studie entwickelte die Gruppe von Jürgen Knoblich am IMBA ein Organoidmodell des dopaminergen Systems, das nicht nur die Morphologie und die Nervenprojektionen, sondern auch die Funktionalität des Systems rekonstruiert.    

Ein Modell der Parkinson-Krankheit  

Tremor und ein Verlust der Feinmotorik sind charakteristische Merkmale der Parkinson-Krankheit. Diese Symptome werden verursacht durch einen Verlust von dopaminergen Neuronen, also jener Nervenzellen, die den Neurotransmitter Dopamin freisetzen. Mit dem Absterben dieser dopaminergen Neuronen verschlechtert sich die Feinmotorik, was bei den Betroffenen zu Zittern und unkontrollierbaren Bewegungen führt. Obwohl der Verlust dopaminerger Neuronen für die Entstehung der Parkinson-Krankheit entscheidend ist, sind die Mechanismen, die zu diesem Verlust führen, sowie mögliche Ansätze zur Prävention oder Reparatur des Systems noch weitgehend unverstanden.   

Tiermodelle für die Parkinson-Krankheit gewähren einen gewissen Einblick in die Parkinson-Krankheit. Da aber Nagetiere nicht von Natur aus an Parkinson erkranken, erwiesen sich Tierstudien als unbefriedigend, wenn es darum ging, die charakteristischen Merkmale der Krankheit zu rekapitulieren. Außerdem enthält das menschliche Gehirn viel mehr dopaminerge Neuronen, die auch im menschlichen Gehirn anders verdrahtet sind als in Nagetieren und Projektionen zum Striatum und zum Kortex senden. „Wir haben versucht, ein In-vitro-Modell zu entwickeln, das diese menschlichen Merkmale in so genannten Hirnorganoiden rekapituliert“, erklärt Daniel Reumann, ehemaliger Doktorand im Labor von Jürgen Knoblich am IMBA und Erstautor der Arbeit. „Hirnorganoide sind von menschlichen Stammzellen abgeleitete dreidimensionale Strukturen, die zum Verständnis der Entwicklung des menschlichen Gehirns und seiner Funktion verwendet werden können“, erklärt Reumann weiter.    

Das Team entwickelte zunächst Organoidmodelle des so genannten ventralen Mittelhirns, des Striatums und des Kortex - der Regionen, die durch Neuronen im dopaminergen System verbunden sind - und entwickelte dann eine Methode, um diese Organoide zu fusionieren. Wie im menschlichen Gehirn senden die dopaminergen Neuronen des Mittelhirn-Organoids Projektionen ins Striatum und Kortex-Gewebe aus. „Etwas überraschend beobachteten wir ein hohes Maß an dopaminerger Innervation sowie die Bildung von Synapsen zwischen dopaminergen Neuronen und Neuronen in Striatum und Kortex“, berichtet Reumann.    

Um festzustellen, ob diese Neuronen und Synapsen funktionsfähig sind, arbeitete das Team mit der Gruppe von Cedric Bardy am SAHMRI und der Flinders University in Australien zusammen. Sie untersuchten, ob die Neuronen in diesem System beginnen würden, funktionelle neuronale Netzwerke zu bilden. Und tatsächlich: als die Forscher das Mittelhirn, das dopaminerge Neuronen enthält, stimulierten, reagierten Neuronen im Striatum und im Kortex auf die Stimulation. „Wir haben den dopaminergen Schaltkreis in vitro erfolgreich modelliert, da die Zellen nicht nur korrekt verdrahtet sind, sondern auch zusammen funktionieren“, fasst Reumann zusammen.    

Das Organoidmodell des dopaminergen Systems bietet die Möglichkeit, Zelltherapien zur Behandlung von Parkinson zu verbessern. In ersten klinischen Studien haben andere Forschungsgruppen bereits Vorläuferzellen dopaminerger Neuronen in das menschliche Gehirn injiziert. Ziel war es, die verlorengegangene natürliche Innervation zu ersetzen. Der Erfolg dieser Studien sind jedoch bis jetzt gemischt. In Zusammenarbeit mit dem Labor von Malin Parmar an der Universität Lund, Schweden, konnte das Team zeigen, dass die in das dopaminerge Organoidmodell injizierten dopaminergen Vorläuferzellen zu vollständigen Neuronen heranreifen. Diese Neuronen sind in der Lage, ihre neuronalen Projektionen innerhalb des Organoids auszusenden. „Unser Organoidsystem könnte als Plattform dienen, um die Bedingungen für Zelltherapien zu testen. Es erlaubt uns zu beobachten, wie sich Vorläuferzellen in einer dreidimensionalen menschlichen Umgebung verhalten“, erklärt Jürgen Knoblich, der korrespondierende Autor der Studie. „Dies ermöglicht es den Forschern zu untersuchen, wie Vorläuferzellen effizienter differenziert werden können. Außerdem bietet das Organoidsystem eine Plattform, mit der untersucht werden kann, wie dopaminerge Axone in Zielregionen rekrutiert werden können - und das alles im Hochdurchsatzverfahren."    

Einblicke in das Belohnungssystem 

Dopaminerge Neuronen werden auch aktiviert, wenn wir uns belohnt fühlen, und bilden damit die Grundlage des „Belohnungsweges“ in unserem Gehirn. Aber was passiert, wenn die dopaminerge Signalübertragung gestört wird, wie beispielsweise bei einer Sucht? Um diese Frage zu untersuchen, verwendeten die ForscherInnen einen bekannten Dopamin-Wiederaufnahmehemmer, Kokain. Als die Organoide chronisch, über 80 Tage hinweg Kokain ausgesetzt waren, veränderte sich der dopaminerge Schaltkreis funktional, morphologisch und auf transkriptioneller Ebene. Diese Veränderungen hielten an, selbst als die Kokainexposition 25 Tage vor dem Ende des Experiments gestoppt wurde, was den Entzugszustand simulierte. „Selbst fast einen Monat nach Beendigung der Kokainexposition waren die Auswirkungen von Kokain auf den dopaminergen Schaltkreis noch sichtbar. Das bedeutet, dass wir nun untersuchen können, was die langfristigen Effekte der dopaminergen Überstimulation in einem menschenspezifischen in vitro-System sind“, fasst Reumann zusammen. 

Originalpublikation

Daniel Reumann, Christian Krauditsch, Maria Novatchkova, Edoardo Sozzi, Sakurako Nagumo Wong, Michael Zabolocki, Marthe Priouret, Balint Doleschall, Kaja I Ritzau-Reid, Marielle Piber, Ilaria Morassut, Charles Fieseler, Alessandro Fiorenzano, Molly M Stevens, Manuel Zimmer, Cedric Bardy, Malin Parmar, Jürgen A Knoblich. In vitro modeling of the human dopaminergic system using spatially arranged ventral midbrain–striatum–cortex assembloids. Nature Methods. DOI: 10.1038/s41592-023-02080-x  

Über das IMBA

IMBA, das Institut für Molekulare Biotechnologie, ist eines der führenden biomedizinischen Forschungsinstitute in Europa. IMBA ist im Vienna BioCenter angesiedelt, einem dynamischen Cluster aus Forschungsinstituten, Universitäten und Biotech-Unternehmen in Österreich. IMBA ist ein Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem führenden nationalen Förderer der außeruniversitären akademischen Forschung. Zu den Forschungsthemen des IMBA gehören Organoid- und Entwicklungsbiologie, Neurowissenschaften, RNA-Biologie und Chromosomenbiologie. 

Forschung für diese Publikation im Labor von Jürgen Knoblich wurde durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Horizon-2020-Programms der Europäischen Union, das Österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Stadt Wien, den Österreichischen Wissenschaftsfonds und die Österreichischen Lotterien finanziert. 

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