CeMM: WissenschaftlerInnen am CeMM entdecken ein grundlegendes Organisationsprinzip biologischer Materie

Zwei zeitgleich, in den renommierten Fachmagazinen Cell und Cell Reports, veröffentlichte Arbeiten, des Labors von Prof. Giulio Superti-Furga, offenbaren einen unerwarteten Regulationsmechanismus der Fettbestandteile unserer Zellen. In den zwei Studien des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften untersuchten die WissenschaftlerInnen die Rolle von Lipiden in der Immunantwort. Marielle Köberlin, Berend Snijder, Leonhard Heinz und Kollegen haben dabei ein ringförmiges Organisationsprinzip entdeckt, das die Regulation von Membranlipiden beschreibt. Insbesondere konnten die ForscherInnen zeigen, dass die Immunantwort von der zellulären Lipidkomposition abhängig ist, und durch den neu entdeckten „Regulierungscode“ in einer Weise vorhergesagt werden kann, wie es bis dato noch nicht möglich war.

Das menschliche Immunsystem verfügt über unterschiedliche Abwehrstrategien und kann damit verschiedenste Krankheitserreger, sogenannte Pathogene, meist erfolgreich bekämpfen. Eine wichtige Rolle im Abwehrsystem spielen Fresszellen (Makrophagen), die eindringende Bakterien in sich aufnehmen und zerstören. Der erste Kontakt findet an der Zelloberfläche statt, die aus zwei gegengleich orientierten Lipidschichten besteht, die eine Doppelmembran formen, sowie aus Membranproteinen, die in der Lage sind, eindringende Pathogene zu erkennen. Während die Aufgabe der Proteine in der Immunabwehr relativ gut erforscht ist, war über die Rolle der hunderten, chemisch unterschiedlichen Lipide der Zellmembran bisher nur wenig bekannt.

Wie Membranlipide die Zelleigenschaften beeinflussen
Superti-Furgas Team am CeMM ist es nun erstmals gelungen, die höhere Organisation der Membranlipide aufzuzeigen und ihre wichtige Rolle in der Immunabwehr zu erhellen. Marielle Köberlin, Berend Snijder und Kollegen konnten in einer systematischen Studie zeigen, dass die Menge und Zusammensetzung verschiedener Lipidmoleküle einem höheren Organisationsprinzip folgt. Die Mengen bestimmter Lipidmoleküle sind so reguliert, dass sie entweder gemeinsam ansteigen oder gemeinsam abnehmen. Die Visualisierung der beobachteten Co-Regulation zeigt ein nahezu perfekt ringförmiges Netzwerk, in welchem sich die Membranlipide simultan beeinflussen.

Anders als bei Proteinen, ist der Bauplan von Lipiden nicht direkt im Genom festgeschrieben. Lipide werden aus chemischen Bausteinen aufgebaut, die mit der Nahrung aufgenommen und von Proteinen verändert und umgebaut werden. Bei diesem Lipidstoffwechsel haben die AutorInnen der Studie angesetzt: dabei haben sie verschiedene Proteine des Lipidstoffwechsels auf genetischer Ebene in Zellkultursystemen dereguliert und anschließend die Mengenverteilung hunderter verschiedener Lipidmoleküle in der Zelle gemessen. So konnten die WissenschaftlerInnen nicht nur die zugrundeliegende komplexe Co-Regulation der Membranlipide entschlüsseln und darstellen, sondern außerdem zeigen, dass deren Co-Regulation evolutionär konserviert ist und bei Maus und Mensch dem gleichen ringförmigen Prinzip folgt. Mit den neuen Erkenntnissen konnten die ForscherInnen im Superti-Furga Labor die Rolle hunderter verschiedener Lipidmoleküle in der zellulären Immunabwehr entschlüsseln. Das Wissen um die Co-Regulation ermöglicht darüber hinaus eine präzise Prognose, welche Lipide eine Immunantwort stimulieren, nachdem die Fresszellen ein Pathogen erkannt haben, und welche diese unterdrücken.

Lipide als Regulatoren der Immunantwort
Darauf aufbauend ist es einem Team um Leonhard Heinz im Superti-Furga Lab gelungen, die Funktion des Stoffwechselenzyms SMPDL3B genauer zu charakterisieren. In einer Kollaboration mit der Medizinischen Universität Wien und der National University of Singapore, konnten die WissenschaftlerInnen zeigen, dass SMPDL3B, welches an der Oberfläche von Makrophagen lokalisiert ist, die zelluläre Lipidzusammensetzung wesentlich beeinflusst und dadurch einen neue Art der Regulation der Immunantwort ermöglicht.

Letztautor Giulio Superti-Furga, Principal Investigator am CeMM und Professor für Medical Systems Biology an der Medizinischen Universität Wien sagt dazu: „Diese Studien offenbaren nicht nur eine wichtige und unerwartete Rolle von Lipiden bei Signalübertragungsprozessen des angeborenen Immunsystems, sondern untermauern auch die Tatsache, dass grundlegende Organisationsprinzipien biologischer Materie durch die gleichzeitige Betrachtung vieler Moleküle in globalen Studien gefunden werden. Das am CeMM entdeckte ringförmige Regulationsprinzip von Lipiden wird vermutlich Teil der zukünftigen Biochemielehrbücher.“

Studien
A Conserved Circular Network of Coregulated Lipids Modulates Innate Immune Responses
Marielle S. Köberlin, Berend Snijder, Leonhard X. Heinz,  Christoph L. Baumann,  Astrid Fauster, Gregory I. Vladimer, Anne-Claude Gavin and Giulio Superti-Furga
Cell 162, July 2, 2015: 1-14. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2015.05.051

The Lipid-Modifying Enzyme SMPDL3B Negatively Regulates Innate Immunity
Leonhard X. Heinz, Christoph L. Baumann,  Marielle S. Köberlin, Berend Snijder, Riem Gawish, Guanghou Shui, Omar Sharif, Irene M. Aspalter,  André C. Müller, Richard K. Kandasamy, Florian P. Breitwieser, Andreas Pichlmair,  Manuela Bruckner, Manuele Rebsamen, Stephan Blüml,  Thomas Karonitsch, Astrid Fauster, Jacques Colinge, Keiryn L. Bennett, Sylvia Knapp,  Markus R. Wenk, and Giulio Superti-Furga
Cell Reports 11, June 30, 2015: 1–10. http://dx.doi.org/10.1016/j.celrep.2015.05.006

Förderungen
Das CeMM dankt folgenden Institutionen, die zur Finanzierung der Studie beigetragen haben: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Medizinische Universität Wien, European Research Council, Europäische Union, EMBO, Swiss National Science Foundation und FWF.

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