CeMM: Auf den Spuren der Organisation der menschlichen Zellmaschinerie

Ein gemeinsames Forschungsprojekt des Wiener CeMM und der ETH Zürich rückt die vollständige Entschlüsselung und Kartierung des menschlichen Proteoms in den Bereich des Machbaren. Die Ergebnisse der gemeinsamen Studie wurden am 3. März 2013 vorab online vom renommierten Fachjournal Nature Methods online publiziert.

Die erfolgreiche Entschlüsselung des menschlichen Genoms hat eine neue Ära in der molekularmedizinischen Forschung eingeleitet. Gene kodieren für Eiweiße, und diese sogenannten Proteine sind die eigentlichen Macher in den Zellen. Alle Proteine gemeinsam bilden das Proteom und sorgen für die Struktur und Ernährung der Zelle, für deren Verdauung, sie transportieren, stützen und kümmern sich um die Abwehr von Krankheiten. Um diese komplexen Aufgaben erfüllen zu können, arbeiten Proteine in Verbänden. Dabei haben einzelne Proteine oft mehrere „Arbeitsplätze“ und erfüllen in verschiedenen Maschinerien unterschiedliche Aufgaben. Eine verlässliche Methode zu finden, um dieses komplexe Zusammenspiel zu entschlüsseln und zu kartieren, ist nun in einer gemeinsamen Studie des CeMM Forschungsinstitut für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit dem Institut für Molekulare Systembiologie der ETH Zürich, gelungen.

Einer der beiden Studienleiter, Giulio Superti-Furga, Wissenschaftlicher Direktor am CeMM: „Bisher kennen wir das Zusammenspiel der Proteine, also der Genprodukte, nur für einen Bruchteil der Fälle. Es ist aber ein dringendes Anliegen, es für alle Genprodukte zu kennen.“ Ziel der Studie war es daher, eine zuverlässige Methode zu entwickeln, um den Prozess voranzutreiben und in den zwei unterschiedlichen Labors, in Zürich und in Wien, den exakt genauen Prozess und die identische Methodologie anzuwenden, sodass man zum ersten Mal die Zuverlässigkeit der Experimente hat messen können. Proben und Material wurden auf allen Stufen des Prozesses ausgetauscht und gegenseitig analysiert, eine logistische Herausforderung die ein Höchstmaß an Disziplin gefordert hat.“ Die entwickelte Methode erlaubt es den Wissenschaftlern nun, mit einer wirklichen robusten Methode die gesamte Zellmaschinerie zu kartieren. Der zweite Studienleiter Matthias Gstaiger, ETH Zürich: „Wir konnten mit unseren parallelen Studien zeigen, dass die Daten mit unserem Protokoll zwischen den zwei Laboratorien reproduzierbar sind. Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt, um das Zusammenspiel der menschlichen Proteine schliesslich vollständig und zuverlässig entschlüsseln zu können.“

Die vollständige Kartierung des menschlichen Proteoms rückt in den Bereich des Machbaren
Zur Entwicklung der Methode haben die beiden Forschungsgruppen in Wien und Zürich drei Jahre lang parallel gearbeitet. Alle Schritte wurden abgestimmt, es wurden die gleichen Komponenten und Reagenzien verwendet, die Proben ausgetauscht um parallel und unabhängig gemessen zu werden. Es wurden gleiche Massenspektrometer verwendet, aber es wurde mit unterschiedlichen Einstellungen analysiert. Die Messergebnisse stimmen im Städtevergleich 85 Prozent überein. Die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse innerhalb eines Institutes liegt bei 91 Prozent.

Die vollständige Entschlüsselung der Interaktionen des menschlichen Proteoms rückt durch die Arbeit am CeMM und an der ETH in den Bereich des Machbaren. Es ist eine Aufgabe für mehrere Institute, Teilnehmer und Geldgeber und könnte einen Meilenstein für das Verständnis der genetischen Grundlage von Krankheiten und die Weiterentwicklung der zielgerichteten Medizin sein. Giulio Superti-Furga: „Das Wissen um das komplexe Zusammenspiel der Proteine ist ein Rosetta-Stein für das Genom. Erst dadurch kann man versuchen, die Rolle der einzelne Gene zu verstehen und wie deren Zusammenwirkung eigentlich funktioniert. Wir haben gezeigt, dass die Technologie sehr verlässlich ist. Wir würden jetzt ungefähr 10 Millionen Euro benötigen, um eine erste Kartierung der ganzen Zellmaschinerie des Menschen, des funktionellen Proteoms, in höchstens 5 Jahre schaffen.“

Kompass für das Verständnis genetischer Krankheiten
Viele Wirkstoffe, die zur Bekämpfung von Krankheiten eingesetzt werden, zielen auf ein bestimmtes Protein ab. Dabei ist das Protein meist Teil eines unbekannten Verbandes von mehreren Proteinen, die die Wirkung beeinflussen. Zusätzlich können Proteine verschiedensten Verbänden angehören, die dann allesamt – quasi als Nebenwirkung – auch vom Wirkstoff beeinflusst werden. „Ein komplettes Bild der Protein-Protein-Interaktionen beim Menschen stellt dann sowohl die funktionelle Verwirklichung des Genoms dar und liefert auch einen Kompass, um genetische Krankheiten zu verstehen und zielgerichtete Medikamente zu entwickeln, “ bestätigt Gstaiger.

Giulio Superti-Furga ist es in einer bahnbrechenden Studie 2002 und einer Folgestudie 2006 gelungen, die Proteomik der Hefe zu entschlüsseln, einem der in der Biologie wichtigsten Modellorganismen. Die Studie ist bis zum heutigen Tag die weltweit meistzitierte Studie über molekulare Netzwerke in der Biomedizin. Sowohl Matthias Gstaiger als auch Superti-Furga haben Methoden entwickelt, um menschliche Proteinkomplexe zu charakterisieren. Die neue Studie beruht auf einem Gstaiger Protokoll, eingebettet in einen gemeinsam erarbeiteten Workflow. Die aktuelle Studie zur Entschlüsselung des menschlichen Proteoms, „Interlaboratory reproducibility of large-scale human protein-complex analysis by standardized AP-MS“, ist am 3. März 2013 vorab online in Nature Methods erschienen.

Studie:
Interlaboratory reproducibility of large-scale human protein-complex analysis by standardized AP-MS
Markku Varjosalo1,4, Roberto Sacco2,4, Alexey Stukalov2,4, Audrey van Drogen1, Melanie Planyavsky2, Simon Hauri1, Ruedi Aebersold1,3, Keiryn L Bennett2, Jacques Colinge2, Matthias Gstaiger1 & Giulio Superti-Furga2 1Department of Biology, Institute of Molecular Systems Biology, ETH Zurich, Zurich, Switzerland. 2CeMM Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences, Vienna, Austria. 3Faculty of Science, University of Zurich, Zurich, Switzerland. 4These authors contributed equally to this work.

CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften – Kurzprofil
Das CeMM ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin. „Aus der Klinik für die Klinik“ – orientiert sich das CeMM an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen und Immunstörungen.
Infos: www.cemm.oeaw.ac.at.

ETH Zürich - Kurzprofil
Die ETH Zürich ist eine der weltweit führenden technisch-naturwissenschaftlichen Hochschulen. Sie ist bekannt für ihre exzellente Lehre, eine wegweisende Grundlagenforschung und den direkten Transfer von neuen Erkenntnissen in die Praxis. 1855 gegründet, zählt die ETH Zürich heute gegen 18‘000 Studierende aus über 100 Ländern, davon 3800 Doktorierende. Forschenden bietet sie ein inspirierendes Umfeld und ihren Studierenden eine umfassende Ausbildung. 21 Nobelpreisträger, die an der ETH Zürich studiert, gelehrt oder geforscht haben, unterstreichen den hervorragenden Ruf der Hochschule. www.ethz.ch Das ETH Institut für Molekulare Systembiologie beschäftigt sich mit der Struktur und Dynamik von molekularen Netzwerken um Einsichten in die Funktion und Kontrolle von biologischen Systemen zu erlangen. www.imsb.ethz.ch

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