Europäische Kommission: Selmayr: Teamwork statt Wettlauf der Kontinente sichert Corona-Impfstoff

Heute Nachmittag startet eine globale Geberkonferenz. Das Spendenziel von 7,5 Milliarden Euro ist laut dem EU-Kommissionsvertreter ein erster wichtiger Schritt.

„Wir brauchen jetzt keinen Wettlauf der Kontinente, wer zuerst einen Impfstoff gegen das Coronavirus findet, sondern enges globales Teamwork. Schließlich handelt es sich um eine globale Pandemie. Covid-19 kennt keine Grenzen und keine Nationalitäten“, sagte Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, bei einem Pressegespräch. Die EU und ihre globalen Partner werben heute ab 15 Uhr bei einer virtuellen Geberkonferenz um finanzielle Mittel – mit dem Ziel, allen Staaten rund um den Erdball einen gleichberechtigten und sicheren Zugang zu Diagnostika, Therapeutika und Impfstoffen rund um das Coronavirus zu ermöglichen. In einem ersten Schritt sollen 7,5 Milliarden Euro aufgebracht werden. „Das kann nur der Auftakt sein. Um eine Massenproduktion eines erschwinglichen Impfstoffes zu gewährleisten, wird es mehr Mittel brauchen“, ergänzt Selmayr, der die Herausforderung wie folgt skizziert: Die Weltbevölkerung umfasst derzeit rund 8 Milliarden Menschen, die Hälfte davon soll geimpft werden. In der Regel braucht es pro Person mindestens zwei Dosen, um einen anhaltenden Schutz zu erzielen. Das ergibt einen Bedarf von 8 Milliarden Dosen. Große Unternehmen produzieren im Jahr rund eine Milliarde Impfdosen über alle Impfkategorien hinweg. Von einem neuen Impfstoff gegen das Coronavirus wird ein großes Unternehmen etwa 300 bis 600 Millionen Dosen produzieren können. „Das heißt, wir können uns hier nicht nur auf den Markt verlassen. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung.“ Die EU startet bei den Bemühungen freilich nicht bei null: Im Zuge der Coronakrise werden 18 Projekte mit insgesamt 48,5 Millionen Euro aus dem Forschungsprogramm Horizon 2020 unterstützt. Das Wiener Biotech-Unternehmen Apeptico koordiniert eines davon. Zudem erhalten einzelne Unternehmen günstige Darlehen über die Europäische Investitionsbank (EIB).

Während der Spendenmarathon diese Woche startet, biegt die Europäische Kommission bei den Arbeiten an einem adaptierten Vorschlag für den Finanzrahmen 2021-2027 in die Zielgerade. Er soll in den kommenden zehn Tagen vorgelegt werden und dazu beitragen, dass der Wiederaufbau Europas symmetrisch abläuft. „Einige Staaten sind von der Krise stärker getroffen als andere“, erinnert Selmayr. Die eine Billion Euro, die der EU-Haushalt über sieben Jahre umfassen wird, solle so eingesetzt werden, „dass sie schnell und multipliziert bei der Wirtschaft ankommt“. Mit dem gemeinsamen Haushalt im Rücken könne die EU vorübergehend jährlich 200-300 Milliarden Euro an den Finanzmärkten lukrieren. Wichtig sei in diesem Zusammenhang eine rasche Einigung auf den Finanzrahmen. „Die Mitgliedstaaten sollten dazu noch vor der Sommerpause einen Konsens finden“, rät Selmayr.

„Weiters müssen wir dafür Sorge tragen, dass der Binnenmarkt rasch wieder sein volles Potenzial entfalten kann.“ Gerade für eine Exportnation wie Österreich – allein die Warenexporte haben im Vorjahr einen Wert von knapp 40 % des Bruttoinlandsprodukts erreicht – ist ein funktionierender Binnenmarkt der Motor für den wirtschaftlichen Aufschwung. Damit dieser Motor läuft, braucht es faire Wettbewerbsbedingungen. „Gäbe es keine Beihilfenregeln, so würden nicht mehr betriebswirtschaftliche Kriterien über den Erfolg eines Unternehmens entscheiden, sondern die Spendierfreude bzw. das Spendierpotenzial des Staates und die Effizienz der Lobbyisten eines Unternehmens.“ Auch österreichische Unternehmen müssten dann damit rechnen, von Mitbewerbern ausgebootet zu werden, wenn diese dank üppiger staatlicher Finanzspritzen zu günstigeren, marktverzerrenden Konditionen anbieten können. Abgesehen davon sei das EU-Beihilfenrecht derzeit angesichts der Coronakrise ohnehin äußert flexibel: „Wir haben das Wettbewerbsrecht so gelockert, dass kein Unternehmen fürchten muss, dass ihm der Staat nicht unter die Arme greifen kann, wenn die Bedingungen dafür erfüllt sind“, unterstreicht Selmayr. Allein im April hat die EU-Kommission rund 100 einzelstaatliche Beihilfemaßnahmen genehmigt.

EZB kauft monatlich österreichische Anleihen um eine Milliarde Euro

Ein wichtiger Impuls für den Aufschwung geht laut Selmayr von der Europäischen Zentralbank (EZB) aus. Sie hat ihr Anleihenkaufprogramm zu Beginn der Corona-Krise um 120 Milliarden hochgefahren und hält dadurch die Zinsen am Markt niedrig. Zusätzlich hat sie Mitte März ein Sonderprogramm in Höhe von 750 Milliarden Euro aufgelegt, das Pandemic Emergency Purchase Programme. Die Käufe österreichischer Staatsanleihen haben sich zuletzt auf eine Milliarde Euro monatlich summiert. „Wenn Bankomaten weiter Geld ausgeben, liegt das auch an der Politik der EZB.“ Morgen steht ein wichtiges Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zu früheren EZB-Anleihekaufprogrammen an. „Es ist sehr zu hoffen, dass die EZB voll funktionsfähig bleibt“, sagt Selmayr, der im Rahmen der Europawoche am Dienstag dazu mit dem früheren Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank Ewald Nowotny diskutieren wird.

Das schärfste Damoklesschwert für die wirtschaftliche Erholung ist eine zweite Corona-Welle. „Wir alle können und müssen dazu beitragen, diese abzuwenden, indem wir mit unseren wiedergewonnenen Freiheiten verantwortungsvoll umgehen. Durch einen gemeinsamen Kraftakt haben wir es geschafft, die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. Wir dürfen jetzt kein Risiko eingehen. Seuchenbekämpfung im Sisyphos-Stil können wir uns nicht leisten“, betonte Selmayr. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, bei den Grenzöffnungen behutsam und nach objektiven Kriterien vorzugehen. Bezüglich der Möglichkeiten für Sommerurlaube gelte es, die richtige Mitte zwischen „einer einsamen Bergwanderung und einer Party in El Arenal“ zu finden.

Europawoche: „Jetzt mehr Europa wagen?“

Heute startet auch die Europawoche, die heuer unter dem Motto „Jetzt mehr Europa wagen?“ steht. Bis zum 10. Mai organisiert die Vertretung der Europäischen Kommission gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik und in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament täglich Diskussionen und Veranstaltungen rund um die Zukunft Europas. Am Mittwoch wird es um den Wirtschaftsstandort Europa gehen: Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck diskutiert um 14.30 Uhr mit Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

Das ganze Programm der Europawoche

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