AIT-Spin-off CellEctric revolutioniert Diagnose von Blutvergiftung

CellEctric gewinnt den PHÖNIX Gründerpreis 2022 in der Kategorie Prototyp

Das Wiener Unternehmen CellEctric Biosciences hat ein Verfahren zur schnellen, spezifischen und automatisierten Erkennung von krankmachenden Mikroorganismen entwickelt und beschleunigt so die Diagnose von Blutvergiftungen um das Zehnfache. Dafür wurden sie nun mit dem PHÖNIX Gründerpreis in der Kategorie Prototyp ausgezeichnet.

Eine Sepsis (Blutvergiftung) ist eine schwere Infektion des Körpers, die durch Mikroorganismen, z.B. Bakterien, Pilzen oder Viren, hervorgerufen wird. Sie entsteht, wenn eine Infektion nicht nur lokal begrenzt auftritt, sondern sich über das Blut im Körper ausbreitet. Infolge von Organfunktionsstörungen treten nicht selten lebensbedrohliche Situationen (septischer Schock) ein. Allein in Österreich sind jährlich rund 28.000 Patient:innen betroffen, jedes Jahr sind 6700 Todesfälle zu beklagen. Sepsis gehört damit zu den häufigsten Todesursachen.

Die Behandlung mithilfe von Antibiotika wird dadurch erschwert, dass die auslösenden Krankheitserreger zuvor identifiziert werden müssen und diese Untersuchung aufwendige Laboruntersuchungen und Zellkulturen erfordert. Dadurch vergeht wertvolle Zeit, die am Ende oft fehlt.

Das Wiener Unternehmen CellEctric Biosciences – ein Spin-off des AIT Austrian Institute of Technology – hat in den vergangenen Jahren ein Verfahren entwickelt, das eine schnelle, spezifische und automatisierte Charakterisierung der krankmachenden Mikroorganismen im Blut ermöglicht. Für dieses mikrofluidische Verfahren, das auf einem Chip durchgeführt wird („Lab on a Chip“), sind nur wenige Milliliter Blut erforderlich.

Für dieses Verfahren wurde das Unternehmen nun mit dem PHÖNIX Gründerpreis in der Kategorie Prototyp ausgezeichnet. Der Preis wird im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung und des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort vergeben und vom Austria Wirtschaftsservice (aws) in Kooperation mit der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der Industriellenvereinigung (IV) organisiert. Für den Preis gab es insgesamt 205 Einreichungen. 20 Unternehmen waren nominiert, aus denen schließlich von einer Jury die Siegerinnen und Sieger ausgewählt wurden. Der PHOENIX Gründerpreis zeigt, wie essentiell der erfolgreiche Wissenstransfer für den Innovationsstandort Österreich ist.

Elektrische Felder ermöglichen eine Beschleunigung

Das Herzstück des CellEctric-Verfahrens ist ein elektrodynamisches Zellmanipulationssystem: Dabei sorgen elektromagnetische Felder für die gezielte Entfernung unerwünschter Zellen, die das Erkennen der relevanten Zellen oft erschweren. Entwickelt wurde die Technologie im AIT Center for Health & Bioresources (Competence Unit Molecular Diagnostics): Unter Leitung von Klemens Wassermann wurde ein ganzes Patentportfolio rund um die neue Technologie erarbeitet, welches das von Wassermann und seinem Kollegen Terje Wimberger Anfang 2021 gegründete Unternehmen CellEctric nun im Rahmen eines exklusiven Lizenzvertrages nutzt.

„Durch die Isolierung lebensfähiger Erreger aus einer Patientenprobe kann die derzeitige Sepsis-Diagnose um das Zehnfache beschleunigt werden, sodass Ärzte eine lebensrettende Therapie deutlich früher einleiten können als mit den derzeitigen Technologien“, erläutert Wassermann.

„Das neu entwickelte Verfahren ist eine flexible Plattform-Technologie für die hochspezifische biologische Probenvorbereitung, die auch für andere Analyse-Aufgaben genutzt werden kann“, erklärt Elke Guenther, Head of Center Health & Bioresources. „Als erstes Beispiel wird die CellEctric-Technologie eingesetzt, um eine innovative Lösung für die Sepsis-Diagnostik zu etablieren“, ergänzt Martin Jung, Leiter der Competence Unit Molecular Diagnostics.

Zehn Jahre Forschung

Begonnen mit der Entwicklung des „Lab on a Chip“ zur Sepsis-Diagnose hat Wassermann im Jahr 2012 als Dissertant im Projekt DNautomat. Als Hauptproblem kristallisierte sich die Aufbereitung der Proben zur Isolierung der Erreger heraus. Unter der Betreuung von Christa Nöhammer und Johannes Peham rückte bald die Verwendung von elektrischen Feldern für die zellspezifische Isolation in den Fokus – eine Methode, die u.a. ein gezieltes Aufbrechen von Blutzellen erlaubt, ohne dadurch die Bakterien, die ja nachgewiesen werden sollen, zu schädigen. Konkret geht es um ein Verfahren namens „Pulsed Electric Field“ (PEF) und das Konzept eines „Smart Electrodynamic Filters“ (smartEDF). Durch diese schnelle und automatisierte Filtertechnologie für Zellen entlang von Elektroden können unspezifische Störungen ausgeschlossen werden – die Analyse-Ergebnisse sind dadurch von sehr hoher Spezifität bei gleichzeitig hohem Durchsatz. Dadurch erübrigen sich aufwendige Kulturen der Mikroorganismen im Labor.

Schon im Jahr 2013 wurde ein erstes Patent eingereicht – Wassermann gewann mit dieser Idee überdies den „Innovator of the Year Award“ beim international renommierten Wissenschaftsfestival „Falling Walls Lab“ in Berlin. Es dauerte dann einige Jahren, bis die Methode zuverlässig kontrolliert werden konnte. Um sich entsprechendes Wissen anzueignen und die Technologie in der Tiefe zu verstehen, hat Wassermann auch an der TU Wien Elektrotechnik inskribiert. 2015 begann CellEctric-Mitgründer Terje Wimberger sein PhD-Projekt in diesem Bereich. Noch im selben Jahr wurde die Arbeit von der Community mit einem „Young Investigator Award“ ausgezeichnet. Nach weiteren Jahren der Verfeinerung wurde 2018 das FFG-Spin-off Fellowship-Projekt „CellEctric Biotech“ genehmigt, um die Technologie aus dem Labormaßstab in den industriellen Maßstab überzuführen. Nachdem auch noch der Experimentalphysiker Michael Holler und die Biotechnologin Julia Dolezel zum Team dazustießen, wurde 2020 beschlossen, mit starker Unterstützung durch das AIT das Unternehmen CellEctric Biosciences zu gründen. Ein PreSeed-Projekt der Austria Wirtschaftsservice (AWS) wurde erfolgreich abgeschlossen und ein breites Netzwerk an Unterstützer:innen und Expert:innen gebildet. Die Zahl der Mitarbeiter von CellEctric hat sich seither sprunghaft auf aktuell acht erhöht.

Erfolgreiche Finanzierungsrunde

„Wir sind davon überzeugt, dass unser technologischer Ansatz ein erster Schritt in eine neue Ära des Umgangs mit Zellen und biologischem Material sein wird, die langfristig angelegt ist", sagt Klemens Wassermann. Und Mit-Gründer und -Geschäftsführer Terje Wimberger betont: „Unser gesamtes Team ist hoch motiviert, die Sepsis-Diagnose zu beschleunigen und Patienten viel früher als bisher mit lebensrettenden Therapien zu versorgen.“

Zusätzlich zu der laufenden Unterstützung von AWS und FFG wurde heuer im Februar eine erste Finanzierungsrunde mit IST cube als Lead-Investor und weiteren privaten Partner erfolgreich abgeschlossen.

„Das AIT hat die Entwicklung von CellEctric buchstäblich von Anfang an unterstützt und die technologische Entwicklung in allen Phasen begleitet. Wir freuen uns, ein weiteres erfolgreiches Beispiel für den Unternehmergeist zu haben, auf den wir am AIT Wert legen", erklärt Alexander Svejkovsky, CFO des AIT. Maßgebliche Unterstützung erhielten die Firmengründer durch den AIT-Start-up-Coach Hans-Peter Blahowsky: „Wir freuen uns über den Erfolg des CellEctric-Gründerteams und hoffen, dass dies weitere AIT-Wissenschaftler:innen motiviert, im Rahmen des AIT Startup Programms spannende Technologien selbst am Markt zu positionieren.“

Weitere Informationen über das AIT: https://www.ait.ac.at/

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