Uni Wien: Samenfarne: Pflanzen experimentierten vor 201 Millionen Jahren mit netzartiger Blattäderung

Blütenpflanzen-ähnliche Blattadern starben aus und entwickelten sich im Laufe der Erdgeschichte mehrmals neu

Laut einem Forschungsteam unter der Leitung von Paläontolog*innen der Universität Wien entwickelte sich die für Blütenpflanzen typische netzartige Blattäderung bereits deutlich früher als gedacht, starb aber mehrfach wieder aus. Mithilfe neuer Methoden wurde die fossile Pflanze Furcula granulifer nun als ein solcher Vorreiter identifiziert: Die Blätter dieser Samenfarnart wiesen bereits in der späten Trias (etwa vor 201 Millionen Jahren) die hierarchische, vernetzte Äderung auf. Die Studie erschien aktuell im Fachjournal New Phytologist. 

Mario Coiro und Leyla Seyfullah vom Institut für Paläontologie der Universität Wien haben in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen des Nationalmuseums für Naturgeschichte in Stockholm und der Hebräischen Universität in Jerusalem neue Hinweise auf den Ursprung der Blütenpflanzen – der erfolgreichsten Pflanzengruppe der Erde – entdeckt: "Bei der Durchsicht alter Sammlungen konnten wir mithilfe neuer Methoden eine 201 Millionen Jahre alte Pflanze identifizieren, die ähnliche Merkmale wie heutige Blütenpflanzen entwickelte – allerdings ohne den gleichen evolutionären Erfolg zu haben: Sie starb nämlich aus", erklärt der Paläobotaniker Mario Coiro.

"Obwohl die 201 Millionen Jahre alten fossilen Blätter von Furcula granulifer die für die meisten heutigen Pflanzen typische netzartige, hierarchische Äderung der Blätter zeigen, haben wir herausgefunden, dass die Furcula eigentlich zu der inzwischen ausgestorbenen Gruppe der Samenfarne gehört. Es scheint also, dass sich diese typische Blattäderung, die eine effiziente Photosynthese ermöglicht, im Laufe der Erdgeschichte mehrmals entwickelt hat", bestätigt Leyla Seyfullah, Leiterin der Forschungsgruppe Paläobotanik und terrestrische Paläoökologie an der Universität Wien. 

Pflanzen-Revolution durch neue Blattstruktur

Blütenpflanzen – genauer gesagt Bedecktsamer – sind die heute wichtigste Pflanzengruppe auf der Erde, dominieren die meisten Ökosysteme an Land und sind für das Überleben des Menschen unverzichtbar. Ihr Auftreten in der Kreidezeit (etwa 145 - 66 Millionen Jahre vor unserer Zeit) revolutionierte die Artenvielfalt auf der Erde und führte zur Ausbreitung anderer Gruppen wie Säugetiere, Insekten und Vögel und damit zu einem Anstieg der Gesamtvielfalt auf der Erde.

Diese Pflanzen-Revolution wurde zum Teil durch eine neuartige Blattstruktur ausgelöst: Die Blätter von Blütenpflanzen weisen eine netzartige, hierarchische Adernstruktur auf, durch die Kohlendioxid viel effizienter gebunden werden kann. "Unter den wenigen anderen fossilen Pflanzen mit solchen Blattadern ähnelt das fossile Blatt der Furcula granulifer aus der späten Trias Grönlands der heutigen Struktur besonders auffällig – so sehr, dass es ursprünglich als ein Bedecktsamer-Blatt beschrieben wurde, obwohl diese Gruppe nach heutigem Wissensstand erst mehr als 50 Millionen Jahre später entstand", sagt Coiro. Dies sorgte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft für Diskussionen, die tatsächliche Verwandtschaft von Furcula wurde aber fast 100 Jahre lang nicht neu analysiert.

Mit neuen Augen sehen

Für die vorliegende Studie griff das Forschungsteam einerseits auf historisches Material zurück, untersuchte aber die Proben auch mithilfe von herkömmlicher sowie konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie in Bezug auf ihren mikroskopischen Aufbau und den Aufbau der Schicht, welche die Blätter umgibt (Kutikula) neu. Dadurch konnte die Furcula nun einer ausgestorbenen Gruppe der Samenpflanzen mit farnähnlichen Blättern – "Samenfarnen" bzw. Pelatspermalen – zugeordnet werden.

Die Adernstruktur der Blätter hat sich demnach im Laufe der Evolution unabhängig voneinander mehrfach entwickelt. Zudem zeigte sich, dass die Blätter von Furcula eine geringere Aderndichte erreichte – sie waren daher bei der Kohlenstoffbindung nicht so effizient wie heutige Blütenpflanzen. Insgesamt kann sie daher als ein gescheitertes evolutionäres Experiment in der späten Trias angesehen werden.

Gescheiterte Evolutions-Experimente

Als ein weiteres solches gescheitertes Evolutionsexperiment, allerdings schon rund 50 bis 100 Millionen Jahre früher, identifizierte das Forschungsteam zudem eine weitere Gruppe mysteriöser Samenpflanzen, die Gigantopteridales. Sie entwickelten eine ähnliche Blattstruktur bereits während der Permzeit (vor ca. 300 Millionen - 250 Millionen Jahren), sind aber ebenfalls ausgestorben. "Durch diese ‚natürlichen Experimente‘ haben wir die Möglichkeit, die Gründe für Erfolg und Misserfolg im Laufe der Evolution von Blütenpflanzen besser zu verstehen – entscheidend ist dabei vermutlich eher die Kombination mehrerer Merkmale und nicht nur eine einzige Schlüsselinnovation", erklärt Seyfullah von der Universität Wien.

Originalpublikation: 

Parallel evolution of angiosperm-like venation in Peltaspermales: a reinvestigation of Furcula
Mario Coiro, Stephen McLoughlin, Margret Steinthorsdottir, Vivi Vajda, Dolev Fabrikant and Leyla J. Seyfullah. In: New Phytologist
DOI: 10.1111/nph.19726

Abbildungen: 

Abb. 1: Fossile Blätter der Furcula granulifer aus der späten Trias, Grönland, scale bar = 5cm. C: Mario Coiro, Leyla Seyfullah

Abb. 2: Künstlerische - und spekulative - Rekonstruktion der Furcula granulifer C: Dolev Fabrikant.

Wissenschaftlicher Kontakt

Dott. Dott. mag. Dr. Mario Coiro
Institut für Paläontologie
1090 - Wien, Josef-Holaubek-Platz
mario.coiro(at)univie.ac.at

Ass.-Prof. Dr. Leyla Jean Seyfullah, Privatdoz. BSc MSc
Institut für Paläontologie
Universität Wien
1090 - Wien, Josef-Holaubek-Platz 2
+43-(0)1-4277-53502
leyla.seyfullah(at)univie.ac.at

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