Uni Wien: Biologische Grundlagen für Häutung bereits bei Nesseltieren vorhanden

Zoologen entdecken Komponenten für Abwurf der Außenhülle bei einer Vielzahl mehrzelliger Tiere

Mit mehreren Millionen bekannten Arten stellen Insekten und Krebstiere die größten Tiergruppen der Erde dar. Trotz der morphologischen Vielfalt von zum Beispiel Fluginsekten wie Fliegen, Libellen, Bienen oder marinen Krebsen, wie fest an den Untergrund zementierte Seepocken oder im Plankton schwimmende Garnelen, eint all diese Tiere ein wesentlicher Prozess im Laufe ihrer Entwicklung: jener der Häutung, der es erlaubt, ihre starre Außenhülle abzuwerfen und durch ein neues Exoskelett zu ersetzen. In einer aktuellen Studie konnte eine Forschungsgruppe um Andreas Wanninger am Department für Integrative Zoologie der Universität Wien zeigen, dass wesentliche molekulare Grundlagen dieses komplexen Vorgangs bei der überwiegenden Mehrheit der mehrzelligen Tiere vorkommt und nicht erst im Laufe der Evolution der Arthropoden entstanden sind. Die Ergebnisse werden aktuell in der Fachzeitschrift eLife veröffentlicht.

"Egal ob sich ein Insekt von einer Raupe über ein Puppenstadium zu einem geflügelten Schmetterling entwickelt, oder ob sich eine Strandkrabbe mühsam aus ihrer alten Hülle befreit um sich nach einer Periode des Wachstums ein neues Außenskelett zuzulegen: Der Vorgang der Häutung beruht bei allen zu den Arthropoden gehörenden Tieren auf einem gemeinsamen, hormonell gesteuerten Prozess mithilfe des sogenannten Häutungshormons Ecdyson", berichtet Studienleiter Andreas Wanninger vom Department für Integrative Zoologie an der Universität Wien. Der gesamte Prozess ist hoch komplex und wird über eine Signalkaskade gesteuert, an der eine Reihe anderer molekularer Komponenten beteiligt sind: Rezeptoren und an sie bindende Liganden, verschiedene Neuropeptide und ein ganzes Arsenal an unterschiedlichen Hormonen. All diese Komponenten müssen in einem eng aufeinander abgestimmten Prozess koordiniert zusammenarbeiten, damit die Häutung korrekt abläuft und das entsprechende Tier in die nächste Phase seines Lebens treten kann.

"Ursprünglich gingen wir davon aus, dass die wesentlichen Komponenten dieses hochkomplexen Vorganges erst im Zuge der Evolution des Prozesses an sich entstanden sind – also einmalig für die Gruppe der Arthropoden sind", erläutert Postdoc André Luiz de Oliveira, der die wesentlichen Untersuchungen der Studie beisteuerte. "Im Zuge vergleichender Analysen großer genomischer Datensätze von einer Vielzahl mehrzelliger Tiere, sogenannten Metazoen, die so diverse Vertreter wie Nesseltiere (Cnidaria), Stachelhäuter (Echinodermata), Weichtiere (Mollusca), bis hin zu den Wirbeltieren umfasste, zeigte sich dagegen ein völlig anderes Szenario. Viele der an der Häutung beteiligten Peptide, Hormone und andere Signalmoleküle, sowie deren Rezeptoren, sind im Laufe der Evolution bereits sehr früh entstanden – teilweise viele Millionen Jahre vor der Evolution der Arthropoden selbst", erklärt de Oliveira weiter. Welche Funktionen diese Moleküle in den einzelnen, sich nicht häutenden Tiergruppen erfüllen, ist weitgehend unbekannt. Das in der vorliegenden Arbeit gezeigte, weit verbreitete Vorkommen ermöglicht es nun, diesen Funktionen in Folgestudien weiter auf den Grund zu gehen. 

"Trotz der weitestgehenden Konservierung des Häutungsprozesses innerhalb der Arthropoden zeigt unsere Arbeit, dass etwa die zweite Großgruppe der sich häutenden Tiere - die Rundwürmer oder Nematoda - die meisten Schlüsselelemente des Arthropoden-Häutungsprozesses verloren haben. Sie benutzen also weitgehend andere Mechanismen um ihr Exoskelett zu wechseln", erklärt Wanninger. 

Ob beide Prozesse nun im Laufe der Evolution unabhängig voneinander entstanden sind, oder auf einen gemeinsamen, sich häutenden Vorfahr zurückzuführen sind und dann jeweils stark abgewandelt wurden, bleibt eine spannende Frage für künftige Projekte. In jedem Fall zeigt sich, dass die eigentliche Innovation der Arthropoden nicht in der Evolution neuer Komponenten bestand, sondern vielmehr darin, existierende Moleküle in einem funktionierenden Netzwerk zu vereinen, aus dem die neuartige Verhaltensweise der Häutung entstand. 

Publikation in eLife

André Luiz de Oliveira, Andrew Calcino, Andreas WanningerAncient origins of arthropod moulting pathway components
DOI: 10.7554/eLife.46113

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