Der Verband der pharmazeutischen Industrie, PHARMIG und der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller, ÖVIH, gründeten gemeinsam das „Austrian Vaccines Strategy Forum“. Ziel ist es, mit der Expertise der Impfstoffhersteller und auf Basis der Erfahrungen der vergangenen Jahre mitzuhelfen, die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit Impfstoffen zu verbessern und Durchimpfungsraten zu erhöhen. Unter anderem sehen beide Organisationen Verbesserungsbedarf bei der Art, wie Impfstoffe beschafft werden, bei der Entwicklung und Finanzierung nationaler Impfprogramme sowie bei der Implementierung öffentlicher Aufklärungskampagnen. Details dazu gaben PHARMIG und ÖVIH gemeinsam mit dem Zentrum für Public Health der MedUni Wien heute im Rahmen eines Pressegesprächs bekannt.
„Die Corona-Pandemie zeigt auf, wie wichtig Impfungen sind. Das ist einerseits gut, weil sie nach wie vor zu den wirkungsvollsten Präventionsmaßnahmen zählen. Gleichzeitig sehen wir noch offene Fragen bezüglich der Beschaffung, der Verteilung und der Effektivität der Impfstoffkandidaten. Wir möchten daher aufklären und legen Ansätze vor, wie das Impfwesen in Österreich generell weiter verbessert werden kann“, so Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG.
Das Problem: die Datenlage zu Durchimpfungsraten ist lückenhaft und eine genaue Bedarfsplanung für verschiedene Impfstoffgruppen, vor allem im Erwachsenenbereich, sehr schwierig. Aktuell zeigt die Diskussion um den saisonalen Grippe- bzw. Influenza-Impfstoff, wie wichtig es unter anderem ist, eine konkrete Bedarfsplanung zu haben, damit die Hersteller rechtzeitig Impfstoffe für Österreich sicherstellen können. Hierzu erklärt Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des ÖVIH: „Die Herstellung von Impfstoffen ist hoch komplex. Die Produktion kann – unterschiedlich von der Impfstoffgruppe – bis zu zwei Jahre dauern. Derzeit können wir weltweit gegen 27 Infektionskrankheiten mit Impfstoffen schützen. Der Bedarf steigt, die Produktionskapazitäten sind aber limitiert. Bei den Influenza-Impfstoffen kommt zusätzlich noch dazu, dass diese Impfstoffe nur in der aktuellen Saison verwendet werden können. Daher ist es umso notwendiger, den Bedarf, den jedes einzelne Land hat, möglichst genau und möglichst früh festzulegen. Gibt es eine rechtzeitige und regelmäßige Abstimmung zwischen Behörden und Impfstoff-herstellenden Unternehmen, können sie die Länder entsprechend beliefern. Wenn wir das in Österreich hinbekommen würden, könnten wir sicherstellen, dass jeder, der sich impfen lassen möchte, auch einen Impfstoff erhält. Es geht daher um die flächendeckende Erhebung der Impfbereitschaft, des daraus resultierenden Bedarfs und in der Folge um eine zeitgerechte Bestellung durch die Hersteller.“
Ursula Kunze vom Zentrum für Public Health an der MedUni Wien sieht ebenso die Notwendigkeit, Maßnahmen für eine bessere Versorgung zu setzen: „In Österreich haben wir zwar ein Impfprogramm für Kinder, aber keines für Erwachsene. Es fehlen nationale Ziele, die die gesamte Bevölkerung mit einbeziehen. Impfungen zählen zu den wichtigsten Methoden, Krankheiten vorbeugend zu vermeiden. Sie sollten dementsprechend auch in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und von der Bevölkerung angenommen werden.“
Die Lücke bei Versorgung und Durchimpfungsraten will nun der „Nationale Aktionsplan Impfen“ schließen, den das ÖVIH erstellt hat. Darin finden sich sieben Themenfelder und konkrete Vorschläge, wie etwa gesundheitspolitische Ziele durch die Politik definiert werden könnten. „Es geht etwa um die Etablierung von Impfzielen oder die Erhebung von Durchimpfungsraten. Hier ist das Sozialministerium gefragt, dies zu etablieren. In einem weiteren Schritt müssen Anreizsysteme geschaffen werden, damit die Durchimpfungsraten auch erhöht werden können“, erläutert Gallo-Daniel.
Diese Anreizsysteme können finanzieller Natur sein, beispielsweise durch die Übernahme der Kosten oder Zuschüsse für Impfstoffe durch die öffentliche Hand. Das ist bei einzelnen Impfungen für Kinder bereits der Fall, aber nicht für Erwachsene. Weiters sollten die Gründe, weshalb manche sich nicht impfen lassen, flächendeckend erhoben werden. „Nur wenn wir wissen, worauf sich Zweifel oder Ängste gegenüber einer Impfung gründen, können wir auch erfolgreiche Aufklärung betreiben. Diese ist neben finanziellen Anreizen genauso wichtig“, fügt Kunze hinzu.
Heikel ist für die PHARMIG und das ÖVIH gleichermaßen auch die Frage der Beschaffungsmodalitäten von Impfstoffen. Hier herrscht eine Zweiteilung: bei Impfungen im Rahmen des Gratiskinderimpfkonzeptes gibt es Ausschreibungen. Dabei gilt das Billigstbieterprinzip, nach dem ein einziger Anbieter den Zuschlag erhält. Dazu Herzog: „Das erhöht die Gefahr, dass es zu Impfstoffknappheiten und Versorgungsproblemen kommt, wenn entweder der Bedarf viel höher als erwartet ist oder wenn es zu Lieferengpässen kommt.“
Im Erwachsenenbereich gibt es dagegen keinerlei definierte Bedarfsmengen, weil Impfstoffe nicht von der öffentlichen Hand finanziert werden und sie daher keiner Bedarfsplanung unterliegen. „Daher ist es unumgänglich, dass entsprechende Daten erhoben werden. Nur wenn wir wissen, was wir brauchen, können wir es auch optimal planen und organisieren“, bringt Herzog die Situation auf den Punkt.
Der „Nationale Aktionsplan Impfen“ mit seinen sieben Handlungsfeldern ist hier abrufbar. Alle Unterlagen des Pressegesprächs stehen auf www.pharmig.at zum Downlod zur Verfügung.
Über die PHARMIG:
Die PHARMIG ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband 120 Mitglieder (Stand Oktober 2020), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die PHARMIG und ihre Mitgliedsfirmen stehen für eine bestmögliche Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Gesundheitswesen und sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt.