MedUni Wien: Neue Technologien ermöglichen bessere Behandlung von Netzhauterkrankungen – insbesondere der diabetischen Retinopathie

Neue Technologien ermöglichen die schnellere und bessere Diagnose und Behandlung von Netzhauterkrankungen. Das betonte Ursula Schmidt-Erfurth, Leiterin der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien, bei einer Pressekonferenz anlässlich des internationalen Augenkongresses ART Vienna am kommenden Samstag in Wien. Dabei geht es um Technologien wie die digitale „OCT-Angiografie“, die Möglichkeit, die Sehfähigkeit mittels moderner Bildgebung auch im Gehirn messen zu können sowie um die Therapie durch Medikamenteninjektionen bei diabetischer Netzhauterkrankung (Retinopathie).

Medikamenteninjektionen ersetzen die Laserverödung bei Retinopathie
Diabetes als Zivilisationskrankheit breitet sich rasant aus und betrifft insbesondere das Auge und die Netzhaut. Bei Personen im mittleren Lebensalter gehört die diabetische Netzhauterkrankung zu den häufigsten Ursachen für Erblindung und schweren Sehverlust. Besonders Menschen mit den Diabetes-typischen Gefäßwucherungen der Netzhaut, der sogenannten proliferativen Retinopathie, erleiden zu 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren einen schweren Sehverlust. Mit Einführung der Laserverödung der Netzhaut wurde der Verlauf der Erkrankung zwar deutlich verbessert, nur noch fünf Prozent der PatientInnen verloren ihre Sehkraft. Allerdings hatte die Therapie drastische Nebeneffekte wie Verlust großer Teile des Gesichtsfeldes und die eingeschränkte Fähigkeit, in der Dämmerung zu sehen oder ein Ödem in der Netzhautmitte mit Verlust des Lesevermögens.

Die erfolgreiche Behandlung der Makula-Erkrankung bei Diabetes mit Medikamenten, die direkt in das erkrankte Auge injiziert werden, ließ den Schluss zu, dass dieselben Substanzen auch gegen die schwerste Form, die proliferative Retinopathie, wirksam sein könnten. Im November 2015 wurde in den USA die erste Studie dazu veröffentlicht. Das Ergebnis: Die mit der Injektion behandelten Patienten hatten nach zwei Jahren eine bessere Sehkraft und ein gut funktionierendes Gesichtsfeld, bekamen seltener ein Makula-Ödem und mussten auch seltener operiert werden.

Schmidt-Erfurth: „Nach 40 Jahren Laserverödung setzen wir einen neuen Meilenstein für eine wirkungsvollere und gleichzeitig wesentlich schonendere Behandlung bei einer der häufigsten Bedrohungen des Augenlichtes, der diabetischen Netzhauterkrankung. Für Patienten, die ohnehin über viele Lebensjahrzehnte durch ihre chronische Erkrankung in ihrer Lebensführung eingeschränkt sind, ist dies ein ganz erheblicher Fortschritt. Für die Augenheilkunde bedeutet das, dass die letzte Bastion der Laserverödung damit gefallen ist. Neue Richtlinien und Empfehlungen für die Behandlung von Tausenden von diabetischen Patienten müssen erstellt werden.“

Digitale OCT-Angiografie
Die Darstellung von Blutgefäßen am Augenhintergrund ist eine unerlässliche Basisuntersuchung für Diagnose und Verlaufskontrolle einer Reihe von Erkrankungen, die in Österreich führende Ursachen für erhebliche Sehbeeinträchtigungen sind – wie die altersbedingte Makuladegeneration (AMD), die diabetische Netzhauterkrankung oder Gefäßverschlüsse. Bis vor kurzem war die klassische Angiografie mittels Kontrastmittel die einzige Möglichkeit, diese Blutgefäße darzustellen.

Die neue digitale „OCT-Angiografie“ ermöglicht erstmalig mittels digitaler Analysemethoden die Untersuchung von Blutgefäßen am Augenhintergrund. Andreas Pollreisz von der MedUni Wien erläutert:
„Im Gegensatz zur klassischen Angiografie dauert die digitale Angiografie nur wenige Sekunden. Und es wird dabei auch kein Farbstoff verabreicht, der bei manchen Patienten zu Übelkeit und Erbrechen geführt hat.“

Beim neuen Verfahren werden innerhalb weniger Sekunden berührungs-und schmerzlos mehrere Bilder der Netzhaut mittels eines speziellen, für das Auge ungefährlichen Laserlichtes angefertigt. Das System vergleicht die Folgeaufnahmen an jeder einzelnen Stelle, und errechnet eine Landkarte der durchbluteten Gefäße über die Wahrnehmung der Bewegung der Erythrozyten. Neben der Gefäßdarstellung werden im Rahmen derselben Aufnahme auch Schichtbilder der gesamten Netzhaut angefertigt. „Somit können erstmalig die einzelnen Gefäßstrukturen auch den zugehörigen Netzhautschichten zugeordnet werden. Innerhalb von Sekunden entsteht so eine dreidimensionale Rekonstruktion der gesamten Gefäßstrukturen des Augenhintergrundes“, so Pollreisz.

Messung der Sehfähigkeit – auch im Gehirn
Bei konventionellen Netzhautuntersuchungen wurde bisher nicht berücksichtigt, dass die Netzhaut quasi bereits einen Teil des Gehirns darstellt. Um den Verarbeitungsprozess von Seheindrücken in den entsprechenden Gehirnarealen zu untersuchen, wurden NetzhautpatientInnen in einem Kooperationsprojekt der Augenklinik und des Zentrums für medizinische Physik und biomedizinische Technik der MedUni Wien mit funktioneller Magnetresonanztherapie untersucht. Die PatientInnen erhielten Sehreize in Form von sich bewegenden Mustern, gleichzeitig wurde über den lokalen Sauerstoffverbrauch die Aktivität im Gehirn gemessen. Es zeigte sich, dass einer definierten Region der Netzhaut ein entsprechendes Areal des Sehzentrums zugeordnet werden kann. Fällt im Rahmen von Netzhauterkrankungen die Funktion einer bestimmten Netzhautregion aus, würde man bei der Darbietung von Sehreizen im entsprechenden Areal des Sehzentrums eine reduzierte Aktivität erwarten, was bei den meisten PatientInnen auch so nachgewiesen werden konnte.

„Allerdings scheinen bei einigen Patienten mit über viele Jahre bestehenden Netzhauterkrankungen benachbarte, relativ gesunde Netzhautareale die Funktion der verloren gegangenen Areale teilweise zu übernehmen, was sich in einer veränderten Darstellung der entsprechenden Netzhaut-Sehzentrumregionen widerspiegelt“, so Markus Ritter von der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien. „Damit scheint dieses System nicht starr zu sein, sondern zu einem gewissen Teil anpassungsfähig. Und es scheint Funktionsstörungen an der Netzhaut teilweise kompensieren zu können. Eine Erkenntnis, die zu einem besseren Verständnis der Veränderungen der Sehfähigkeit von Patienten mit Netzhauterkrankungen beiträgt und neue therapeutische Ansätze aufzeigen wird.“

Termin: ART 2015; Samstag, 5. Dezember 2015, Van Swieten Saal der MedUni Wien, Van Swieten Gasse 1, 1090 Wien.

Link: www.artvienna.eu/presse/

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