CeMM: Arzneimittelforschung: Erste rationale Strategie für die Entdeckung von „Molecular Glue Degraders“

Der gezielte Proteinabbau („targeted protein degradation“ oder kurz „TPD“) stellt ein neues Paradigma in der Arzneimittelentdeckung dar, das zu wirksameren Medikamenten für die Behandlung von Krankheiten wie Krebs führen könnte. „Molecular Glue Degraders“ sind eine immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückende, bislang aber wenig erforschte Klasse kleiner Wirkstoffe, welche den Abbau von Proteinen induzieren, der gemeinhin als medikamentös inert gilt. ForscherInnen am CeMM, dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, haben eine Strategie beschrieben, welche erstmals die rationale und hochgradig skalierbare Entdeckung von neuen Molecular Glue Degraders ermöglicht. Ihre Erkenntnisse wurden nun in der renommierten Zeitschrift Nature Chemical Biology veröffentlicht.Der gezielte Proteinabbau („targeted protein degradation“ oder kurz „TPD“) stellt ein neues Paradigma in der Arzneimittelentdeckung dar, das zu wirksameren Medikamenten für die Behandlung von Krankheiten wie Krebs führen könnte. „Molecular Glue Degraders“ sind eine immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückende, bislang aber wenig erforschte Klasse kleiner Wirkstoffe, welche den Abbau von Proteinen induzieren, der gemeinhin als medikamentös inert gilt. ForscherInnen am CeMM, dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, haben eine Strategie beschrieben, welche erstmals die rationale und hochgradig skalierbare Entdeckung von neuen Molecular Glue Degraders ermöglicht. Ihre Erkenntnisse wurden nun in der renommierten Zeitschrift Nature Chemical Biology veröffentlicht.

Trotz der enormen Anstrengungen, die unternommen werden, um mit traditionellen pharmakologischen Ansätzen Fortschritte zu erzielen, bleiben über drei Viertel aller menschlichen Proteine für die Entwicklung von Therapien unerreichbar. Der gezielte Proteinabbau (Targeted Protein Degradation, TPD) ist ein neuer Ansatz, der diese und andere Einschränkungen überwinden könnte und damit eine vielversprechende therapeutische Strategie darstellt. TPD beruht auf kleinen Wirkstoffen, die im Allgemeinen als „Degraders“ bezeichnet werden, und die krankheitsauslösenden Proteine eliminieren können, indem sie diese destabilisieren. Mechanistisch betrachtet, erfolgt durch diese Degrader eine Neuprogrammierung des zellulären Proteinqualitätskontrollsystems, wodurch dieses so verändert wird, dass es schädliche Proteine erkennt und eliminiert. Im Detail reprogrammieren sie sogenannte E3-Ubiquitin-Ligasen (E3s), damit diese das krankheitsauslösende Protein erkennen. Dies führt durch einen als „Ubiquitinierung“ bezeichneten Vorgang zu einer „molekularen Markierung“ des schädlichen Proteins. In der Folge wird das ubiquitinierte Protein von der als Proteasom bezeichneten und als zelluläre Müllabfuhr dienenden molekularen Maschine erkannt und abgebaut.

In dieser Studie richteten CeMM-ForscherInnen ihren Fokus auf eine als "Molecular Glue Degraders" bezeichneten Degrader-Untergruppe: Die am besten charakterisierten Beispiele für Molecular Glue Degraders sind die klinisch zugelassenen Thalidomid-Analoga, die für die Behandlung verschiedener Blutkrebsarten wirksam sind. Leider ist die Entdeckung dieser Wirkstoffklasse historisch betrachtet allein durch glückliche Zufälle, und nicht etwa über rationale Entdeckungsstrategien zustande gekommen.

Um diese Einschränkung zu überwinden, machte sich Georg Winters Gruppe am CeMM daran, eine innovative skalierbare Strategie für die Ermittlung neuer Molecular Glue Degraders durch phänotypisches chemisches Screening zu entwickeln. Zu diesem Zweck haben Erstautor und CeMM Postdoc Cristina Mayor-Ruiz und Kollegen zelluläre Systeme mit stark eingeschränkter E3- Aktivität entwickelt. Diese zellulären Systeme wurden verwendet, um potenzielle Molecular Glue Degraders zu ermitteln. Gesucht wurde speziell nach Degradern, die das Wachstum von Blutkrebszellen unterbinden. In weiterer Folge integrierten Mayor-Ruiz und Kollegen funktionelle Genomik mit Proteomik, um die aussichtsvollsten Wirkstoffe molekular zu charakterisieren. Dies führte interessanterweise zur Entdeckung neuer Molecular Glues, die den Abbau des Proteins Cyclin-K induzieren. Spannenderweise spielt Cyclin-K in verschiedenen Krebsarten eine wesentliche Rolle. Mechanistisch funktionieren diese neuen Cyclin-K-Degrader über einen beispiellosen molekularen Wirkmechanismus, der noch nie zuvor therapeutisch verwendet worden ist.

Damit liefert diese in enger Zusammenarbeit mit CeMM PI Stefan Kubicek durchgeführte Studie den ersten Rahmen für die Entdeckung von Molecular Glue Degraders, die sowohl hochgradig skalierbar als auch stark diversifizierbar ist. „Ich glaube fest daran, dass wir damit erst an der Oberfläche des Möglichen kratzen. Diese Studie ist das erste Kapitel von vielen, die noch folgen werden. Wir werden eine Revolution der Art und Weise erleben, wie Forscher therapeutische Strategien für bislang unheilbare Erkrankungen planen und ausführen“, sagt Georg Winter, CeMM PI und verantwortlicher Autor der Studie.

Die Studie

Die Studie „Rational discovery of molecular glue degraders via scalable chemical profiling” wurde am 3. August 2020 in Nature Chemical Biology veröffentlicht. DOI: 10.1038/s41589-020-0594-x

Autoren: Cristina Mayor-Ruiz, Sophie Bauer*, Matthias Brand*, Zuzanna Kozicka, Marton Siklos, Hana Imrichova, Ines Kaltheuner, Elisa Hahn, Kristina Seiler, Anna Koren, Georg Petzold, Michaela Fellner, Christoph Bock, André C. Müller, Johannes Zuber, Matthias Geyer, Nicolas H. Thomä, Stefan Kubicek, Georg E. Winter | *gleicher Beitrag

Fördermittel:

Die Studie wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem European Research Council (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizon 2020“ der Europäischen Union (Förderungsvertrag Nr. 851478) und dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF Projekt Nr. P32125-B und P30271-B28) gefördert. C. Mayor-Ruiz wurde durch ein Marie Skłodowska-Curie Stipendium (Förderungsvertrag Nr. 796010) unterstützt.

Georg Winter

Georg Winter absolvierte sein PhD Studium am CeMM, wo er im Labor des Wissenschaftlichen Direktors Prof. Giulio Superti-Furga an der Aufklärung des Wirkmechanismus von Antineoplastika arbeitete. Er spezialisierte sich auf Proteomik sowie chemisch-genetische Ansätze zur Identifizierung von Arzneimittelresistenzmechanismen und zur mechanistischen Aufklärung synergistischer Arzneimittelkombinationen. Nach der Promotion an der Medizinischen Universität Wien setzte er seine Ausbildung in chemischer Biologie fort und arbeitete als Postdoktorand bei Dr. James Bradner am Dana Farber Cancer Institute / der Harvard Medical School. Dort entwickelte er eine pharmakologische Lösung für den Abbau von Zielproteinen und wandte diese Strategie auf die Untersuchung der Leukämie-Genregulation an. Seit 2016 ist Georg Winter CeMM Principal Investigator am CeMM. Sein Labor entwickelt Methoden und wendet diese für den Abbau von Zielproteinen an, um onkogene Transkriptionskreise zu verstehen und zu blockieren. Zu diesem Zweck kombiniert das Winter-Labor phänotypische WirkstoffScreenings, chemische Genetik und Ansätze zur Identifizierung von Wirkstoffzielen mit ganzheitlichen Messungen der globalen Genaktivität und der Genomstruktur. Ziel der Forschung von Georg Winter ist es, Grundlagenforschung zur Genregulation und zum Ubiquitin-ProteasomSystem mit funktioneller Genomik und der Entwicklung chemischer Substanzen zu verbinden, um neue und personalisierte therapeutische Paradigmen zu entwickeln.

CeMM

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.oeaw.ac.at 

 

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