BKA: Medizin und Ökonomie: Kein Tabuthema für Bioethikkommission

Bundesminister Josef Ostermayer eröffnet öffentliche Sitzung in Wien

"Die Bioethikkommission hat schon in einigen schwierigen Fragen an der Grenze zwischen Medizin und Ethik herausgefiltert, was gesellschaftlich akzeptabel und ethisch wünschenswert ist und hat daraus Leitlinien entwickelt. Sie berät nicht nur den Bundeskanzler, sie hat damit auch Einfluss auf die gesamte Politik und die Gesetzgebung, wie etwa am Beispiel der Fortpflanzungsmedizin zu sehen war. Die Politik hofft auch im komplexen Bereich von Medizin und Ökonomie auf die Expertise der Kommission, die wohl ohne Tabu der schwierigen Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen nachgehen wird", sagte Bundesminister Josef Ostermayer bei der Eröffnung der öffentlichen Sitzung der Bioethikkommission zum Thema "Medizin und Ökonomie - Ein Tabu?" am Montag in Wien.

Die Vorsitzende der Kommission, Christiane Druml, skizzierte das Anliegen: "Österreich hat unbestritten eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Doch die Mittel sind endlich, die Hochleistungsmedizin teuer. Die Entscheidung über die Verteilung ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir werden das sehr komplexe Thema von ärztlicher, sozialer und ethischer Seite beleuchten und eingrenzen. Doch es ist klar: Im Mittelpunkt muss das Wohl des Einzelnen und die soziale Gerechtigkeit stehen."

Zu diesem Bereich referierten Alena Buyx, Professorin für Medizinethik an der Universität Kiel, Hepatologe Peter Ferenci und Pharmakologe Michael Wolzt von der Medizinuniversität in Wien, Berta Schrems, Pflegewissenschafterin an der Universität Wien, Georg Marckmann, Ethiker und Mediziner der Universität München, sowie Medizinökonom Jürgen Wallner, der Koordinator dieser Diskussion in der Bioethikkommission.

In ihrem Problemaufriss skizzierte Buyx die schwierige Frage der Verteilungsgerechtigkeit angesichts von Ressourcenknappheit, demografischer Entwicklung und Ökonomisierungstendenzen. Der einzige Lösungsansatz sei evidenzbasierte Priorisierung medizinischer Leistungen, um den Ressourceneinsatz zu optimieren, so das Credo des Medizinethikers Marckmann.

Hepatologe Ferenci, der anhand der Preisexplosion für Hepatis-Medikamente die herausragende Macht der Pharmabranche darstellte, verlangte nach mehr Steuerung durch die öffentliche Hand. Denn "Shareholder-Orientierung" sei "die beste Garantie, die Kosten noch zu erhöhen". Generika hingegen böten großes Einsparpotential, so Pharmakologe Wolzt, in Österreich werde dieses Potential aber noch nicht entsprechend genutzt. Zudem wisse die Pharmaindustrie immer wieder die Preisreduktionen zu verzögern.

Auf die Gefahren durch Personalreduktion wies Pflegewissenschafterin Schrems hin. Oft würden sinnvolle Tätigkeiten wie Zuwendung, Beratung und Pflege, die zur nachhaltigen Genesung beitragen können, weggelassen, was den vordergründigen Einsparungen oft unwirtschaftliche Ergebnisse, wie wiederkehrende Krankenhausaufenthalte der unterversorgten Patienten, gegenüberstellen würde. Zudem leide das Personal unter moralischem Stress, sei immer öfter von Burnout gefährdet. "Wenn die Zeit nicht reicht, werden Komplikationsrisiken erhöht, ebenso wie die Unzufriedenheit des Personals und im Endeffekt die Kosten für das Gesundheitssystem."

Diskussionskoordinator Wallner fasst zusammen: Im medizinischen Bereich seien immer schon ökonomische Interessen involviert gewesen, doch die Logik der Ökonomie habe derzeit die Logik des Heilens überflügelt. Der Grat zwischen Rationalisierungen und Rationierungen, von der Vermeidung von Verschwendung und dem Vorenthalten wünschenswerter Leistungen wie persönlicher Betreuung, sei schmal und alles andere als einfach zu begehen. Die Ethik müsse die Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, der Fairness der Zuwendungen und den Respekt vor Lebenseinstellungen der Betroffenen berücksichtigen. "Wir reden immer von Kosten, nie von Investitionen und moralischen Gewinnen. Die Organisation der Medizin sollte aber nicht Gewinn maximierend agieren, sondern gemeinnützig."

"Für Bioethikkommissionen kann es keine Tabus geben: Wir müssen uns den Fragen stellen, die durch die Weiterentwicklung der Lebenswissenschaften auf uns zukommen. Über alles reden heißt nicht, alles zuzulassen, aber es bedeutet, die einzelnen Themen unter Beiziehung von Experten zu beleuchten und zu erwägen und zu einem Ergebnis zu kommen", so Druml abschließend.

(Quelle: APA-OTS)

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