Biophysik als Basis zur COVID-Bekämpfung: Europäischer Fachkongress tagt als „Hybridmeeting“ in Wien

Die Biophysik ermöglicht die Visualisierung und das Verständnis der Funktionen und Schwachstellen von COVID-19. Damit schafft sie die Grundlage, um Medikamente und Impfungen entwickeln zu können. Sie deckt mit neuen Methoden sukzessive auch neue biophysikalische Zusammenhänge auf – wie jene von Proteinen und Lipiden. Neue in Österreich entwickelten Erkenntnisse zum komplexen Mechanismus von Entkoppler-Molekülen machen Hoffnung, zukünftig im Schlaf abnehmen zu können. Beim europäischen Biophysikerkongress EBSA werden vom 24. bis 28. Juli Erkenntnisse neuer Grundlagenforschung in die Welt getragen.

„Wir Biophysiker schaffen mit unserer Grundlagenforschung die Basis, um unter anderem auch Viren – wie das Corona-Virus und seine Mutationen – zu verstehen. Das ist Voraussetzung dafür, um Impfungen entwickeln und zukünftigen Pandemien Einhalt bieten zu können. Auch für die Bekämpfung anderer medizinischer Probleme wie Krebs, Herzkrankheiten und Fettleibigkeit entwickeln wir ein neues Rüstzeug. Neue, bahnbrechende Erkenntnisse, könnten es uns zukünftig ermöglichen, im Schlaf abzunehmen,“ so Univ.-Prof. Dr. med. Elena Pohl, Präsidentin des EBSA-Kongresses 2021, Vize-Präsidentin der EBSA (European Biophysical Societies’ Association) sowie von Biophysics Austria und Abteilungsleiterin des Instituts für Physiologie, Pathophysiologie und Biophysik an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

3 biophysikalische Säulen als Bollwerk für die COVID-Bekämpfung

Die Biophysik schlägt eine wichtige Brücke zwischen der Biologie und der Physik, indem sie einerseits biologische Systeme mit Hilfe von physikalischen Methoden untersucht und andererseits versucht, die zu Grunde liegenden molekularen Mechanismen zu verstehen. In Bezug auf die COVID-Forschung hilft sie, überhaupt ein Verständnis zu entwickeln, wie der Virus gebaut ist. „Mithilfe der hochmodernen biophysikalischen Methoden wie Hochgeschwindigkeitsrasterkraftmikroskopie,Kryoelektronenmikroskopie und Kristallographie, können die Wissenschaftler die molekulare Struktur und Oberfläche von einem lebenden Virus darstellen und auch die Ergebnisse wie seine Bindung an die Zelloberfläche und Eintritt in die Zelle sehen,“ so Pohl. „Zusätzlich zu dieser Visualisierung gibt es mit der Massenspektrometrie, einem speziellen Verfahren zum Messen der Masse von Molekülen, ein weiteres Tool zur Hand, das hilft die SARS-CoV-2-Proteine in stark verdünnten Proben, wie z. B. Gurgellösungen von COVID-19-Patienten, nachzuweisen. Das hilft den Wissenschaftlern, zu beobachten, wie sich der Virus vermehrt,“ erklärt die Kongress-Präsidentin. Die Membrantopologie ist die Dritte im Bunde und gibt Einblick, welche Proteine und Lipide das Virus hat, die als Schnittstellen zur Körperzelle verwendet werden können. Spezielle Oberflächenproteine, wie das SPIKE-Protein, können so identifiziert werden. „Verstehen wir mit diesen und anderen neuen Methoden die Struktur und Funktion der Virusproteine, können darauf basierend Vaccine und Medikamente entwickelt werden,“ so Pohl. Daher setzt der heurige EBSA-Kongress mit hochrangigen Vortragenden genau hier einen wesentlichen Schwerpunkt.

Proteine und Lipide – eine ungewöhnliche Liebesgeschichte

Für die Medikamenten- und Vaccine-Entwicklung spielt die biophysikalische Membranforschung eine wichtige Rolle, denn damit ein Wirkstoff im Körper überhaupt seine Wirkung entfalten kann, braucht er ein Ziel. „Dieses Target ist ein Biomolekül, an das sich der Wirkstoff binden kann. Viele dieser Targets sind Targetproteine, 60 % aller Zielproteine für die Medizin sind Membranproteine,“ erklärt Pohl. Sie sitzen in der Membran der Zelle und dienen der Kommunikation zwischen den Zellen. Da diese Membranproteine hydrophob, also wasserabweisend, sind, lassen sich diese Membranproteine nicht in Wasser lösen und es braucht spezielle Methoden, um die Zielproteine zu untersuchen. „Das Interessante ist nun, dass es hier zwischen Lipiden und Proteinen eine Wechselwirkung gibt, das heißt, die Lipide haben eine regulierende Wirkung auf die Proteine, die in ihnen sitzen, und auch die Proteine wirken auf die Lipide,“ so die Biophysikerin.

Winterschlaf der Tiere als Vorbild, um zukünftig abzunehmen

Den Zusammenhang zwischen Proteinen und Lipiden will man sich zukünftig auch in der Bekämpfung von Adipositas zu Nutze machen. „Wir schauen uns die Mechanismen, die die den Winterschlaf haltenden Tiere entwickelt haben, genau an. Denn während ihres Winterschlafs benutzen sie die zitterfreie Wärmeproduktion, um nicht zu erfrieren. Das passiert durch das Protein Thermogenin, das ist ein entkoppelndes Protein in der Mitochondrienmembran des braunen Fettgewebes. Wird es aktiviert, kommt es zur Thermogenese, also der Wärmeerzeugung bei Winterschlaf haltenden Tieren und auch Neugeborenen,“ erklärt Pohl. Bis jetzt hat man die komplexen molekularen Mechanismen der beteiligten Proteine noch nicht gänzlich verstanden, aber man ist dank Protein- und Lipidforschung wieder einen Schritt weiter.

Zusammenspiel mehrerer Moleküle bei dem Entkopplungsprozess

Eine brandneue Erkenntnis bei den Proteinen der mitochondrialen Entkoppler-Familie ist nun, dass dieser Mechanismus nicht nur über die Membran, sondern auch über andere Moleküle aktiviert wird. Vor allem Substanzen, die Protonen transportieren, sind am Prozess beteiligt. „Diese Erkenntnis ist wesentlich, vor allem bei synthetisch hergestellten Entkoppler-Molekülen wie Dinitrophenol (DNP), weil sie uns zeigt, warum bisherige Dosierungsversuche fehlgeschlagen sind,“ betont Pohl. Viele Proteine in Mitochondrien scheinen die Funktion des Entkoppler-Moleküls zu verstärken. „Aufgrund dieser neuen Grundkenntnis, müssen wir in eine neue Richtung denken – und zwar hin zu modifizierten Molekülen“, betont sie. Diese Erkenntnis und neue Forschungsansätze dazu werden nun aus Österreich in die ganze Welt getragen. „Gemeinsam arbeiten wir nun daran, den Traum vom Abnehmen im Schlaf Wirklichkeit werden zu lassen,“ betont Pohl.

Über die EBSA/Biophysics Austria

Die European Biophysical Societies’ Association (EBSA) widmet sich der Förderung und Verbreitung von Kenntnissen über die Prinzipien, jüngsten Entwicklungen und Anwendungen der Biophysik in Europa. Alle zwei Jahre lädt sie zum EBSA-Kongress, dem zweitgrößten Biophysiker-Kongress der Welt. Auf diesen Kongressen werden grundlagenorientierte Problemlösungen, neueste Technologien und Forschungsergebnisse präsentiert. Heuer findet der EBSA-Kongress als Hybridmeeting im Austria Center Vienna statt. Als lokaler Veranstalter fungiert die österreichische biophysikalische Gesellschaft Biophysics Austria. Sie feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Jubiläum und ist damit eine der ältesten biophysikalischen Gesellschaften in Europa.

Über die IAKW-AG

Die IAKW-AG (Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien, Aktiengesellschaft) ist verantwortlich für die Erhaltung des Vienna International Centre (VIC) und den Betrieb des Austria Center Vienna. Das Austria Center Vienna ist mit 24 Sälen, 180 Meetingräumen sowie rund 26.000 m2 Ausstellungsfläche Österreichs größtes Kongresszentrum und gehört zu den Top-Playern im internationalen Kongresswesen. www.acv.at

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