GMI: Sex and Crime: Die Rollen von Pollen jenseits von Heuschnupfen

Brennende Augen, rinnende Nasen, Niesen - Pollen haben in der immer längeren Heuschnupfensaison ein schlechtes Image. Doch es gibt auch andere Aspekte: Milliardenschwerer Wirtschaftsfaktor, Grundlage für Sex bei Pflanzen und wichtiges Hilfsmittel bei der Verbrechensaufklärung, wie Forscher am Wiener Gregor-Mendel-Institut erläutern.

Das Unangenehme zuerst: Wenn viele Allergiker den Eindruck haben, dass die Heuschnupfen-Saison für sie immer länger wird, dann liegen sie richtig, so der Forscher Michael Borg von Wiener Gregor-Mendel-Institut (GMI): „Pflanzen blühen als Reaktion auf Licht und Wärme. Blühen Pflanzen früher, dann kommt es früher zum Pollenflug. Die Klimaerwärmung trägt mit großer Wahrscheinlichkeit dazu bei.“
 
Der Sex der Pflanzen

„Doch Pollen sind nicht nur das Zeug, das uns zum Niesen bringt“, schmunzelt Borg und erklärt die auch für Menschen lebenswichtige Funktion: „Pollen sind die Vehikel für die zwei Spermazellen der Pflanze. Bei Tieren und Menschen wird eine Eizelle immer nur von einem Spermium befruchtet. Bei Pflanzen kommt es zu zwei Befruchtungen, daher trägt jedes Pollenkorn zwei Spermien: Ein Spermium befruchtet die Eizelle, das andere wird für die Bildung des Endospermes benötigt – jenes Nährgewebe, das den Keimling umgibt. Über Pollen gelangen sie, wenn sie durch den Wind übertragen werden, wie in einem Helikopter zu der Pflanze, die sie befruchten.“
 
Nach der Landung auf der Narbe des Blütenstempels nimmt das zuerst trockene Pollenkorn Wasser auf und beginnt dramatisch zu einem Pollenschlauch zu wachsen, der am Ende bis zur weiblichen Samenanlage reicht. Beim Mais kann dieser Schlauch in nur 24 Stunden 30 Zentimeter wachsen. Durch diesen Schlauch gelangen die männlichen Spermazellen bis zur Eizelle, wodurch es zur Befruchtung kommt. Nur durch diese Befruchtung  wachsen die meisten Obst-, Gemüse- und Getreidesorten, die später auf unseren Tischen landen.   
 
Wesentliche Grundlage für Welternährung
Pflanzen sind eine wesentliche Grundlage der Welternährung - deren zukünftige Sicherung eines der Hauptziele der Grundlagenforschung am GMI ist. „Vieles, das wir essen, ist komplett von Pollen abhängig. Pollen sind die Grundlage für Ernten in Milliardenwert“, so Borg. Daher ist auch das Bienensterben ein ernst zu nehmendes Problem: „Pollen werden entweder durch den Wind oder über Insekten, und hier vor allem Bienen übertragen, da Bienenvölker selbst wiederum leicht von Feld zu Feld zu transportieren sind. Das Bienensterben, das immer noch nicht eindeutig erklärt ist, hat daher gravierende Auswirkung auf Ernten.“ Jährlich sind in der EU Ernten im Wert von 14 Milliarden Euro von der Bestäubung durch Insekten abhängig.
 
Aufgrund der unterschiedlichen Übertragungsarten haben Pollen sehr unterschiedliche Formen, so Borg: „Sie sind meisterhafte Ingenieursleistungen. Diejenigen, die an Bienen haften, sind zum Beispiel stacheliger, die vom Wind übertragenen sind aerodynamischer. Und sie sind sehr hübsch.“

CSI und Pollen
Diese vielfältigen Formen machen Pollen auch zu einem ausgezeichneten Beweismittel bei der Verbrechensaufklärung, das übrigens weltweit erstmals 1959 bei der Aufklärung eines Mordes in Niederösterreich eingesetzt wurde. Pollen haften oft monatelang an Kleidung, Schuhen und Haaren. Jeder Ort wiederum hat ein unterschiedliches Pollenprofil, sogar nebeneinander liegende Räume unterscheiden sich. Zur der Beantwortung der typischen Frage, ob ein Verdächtiger am Tatort war, liefern Pollen die Antwort.
 
Im Fall des Mörders, der 1959 erstmals durch diese Methode überführt wurde, waren es fossile Pollen, die auf den Schuhen des Täters gefunden worden waren und die nur am Tatort in der Au in Spillern vorkommen. Pollen entkommt man nicht - nicht nur als Allergiker.

Über das GMI
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 100 MitarbeiterInnen aus 25 Ländern erforscht das GMI primär die Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, welches sich auf dem Campus des Vienna Biocenter befindet, auf dem mehrere Forschungsinstitute sowie Biotechnologie-Firmen angesiedelt sind.

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