Bei Krebszellen ist die Zellteilung verändert. Sie wachsen schneller als sie absterben. Für ihre permanente Entwicklung produzieren sie ein Übermaß an Wachstumsfaktoren und Nährstoffen und blockieren körpereigene Sicherheitsmechanismen. Mutationen ermöglichen zusätzlich eine ungebremste Zellteilung. Bei akuter myeloischer Leukämie (AML) kommt eine dieser Mutationen in dem Enzym FLT3, einer Tyrosinkinase, vor.
Blockieren des Enzyms FLT3 alleine hilft nicht
Die krebsfördernde Wirkung von FLT3 bei AML-PatientInnen ist bekannt. Laut Erstautorin Iris Uras vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Vetmeduni Vienna sind bei einer Unterform von AML die Krebszellen vollständig abhängig von der Wirkung von FLT3. Wird FLT3 blockiert, stirbt die Krebszelle ab.
Es gibt deshalb auch Medikamente, die die Wirkung des Enzyms bremsen. Durch diese Wirkstoffe wird die Teilung der Krebszellen allerdings nur abgeschwächt. „Möglich ist, dass die Funktion von FLT3 nicht vollständig unterbunden ist, oder dass sich eine Abwehr gegen den Wirkstoff entwickelt“, erklärt Uras.
Brustkrebsmedikament blockiert wichtigen Einflussfaktor
Die Erstautorin fand in ihrer Studie einen möglichen, neuen Therapieansatz für diese speziellen AML-PatientInnen. Sie zeigte, dass ein weiterer, krebsfördernder Faktor, der Wachstumsregulator CDK6, das mutierte FLT3 direkt beeinflusst. Die FLT3-Produktion wird von CDK6 sozusagen angetrieben und gesteuert. Der Wachstumsregulator CDK6 spielt bei Brustkrebs eine entscheidende Rolle.
Die Entwicklung von Wirkstoffen gegen CDK6 ist dementsprechend weit vorangeschritten. In Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, zeigte Uras nun zum ersten Mal, dass einer dieser Wirkstoffe, ein Brustkrebsmedikament, gleichzeitig gegen CDK6 und damit auch gegen FLT3 wirkt. Entfernt man CDK6 aus den Tumorzellen, verschwindet auch FLT3 und die Zelle kann nicht überleben.
„Wir haben einen Therapieansatz entdeckt, der die Abhängigkeit der Krebszelle von Faktoren ausnutzt, die das Wachstum regulieren“, sagt Uras. „Durch den Wirkstoff aus der Brustkrebstherapie wird den Krebszellen sozusagen der Boden weggezogen.“ In den Versuchen starben AML-Krebszellen mit der Mutation in FLT3 sofort ab. Auf Zellen ohne Mutation wirkt sich der Wirkstoff nicht aus.
Wirkstoff bereits zugelassen
Der verwendete Wirkstoff aus der Brustkrebstherapie verdoppelt die Lebenserwartung der Brustkrebspatientinnen und wurde 2015 zugelassen. Das erlaubt nun die rasche Planung klinischer Studien und verkürzt damit die sonst üblichen langen Zeiten bis ein Medikament verwendet werden darf. Eine Kombination mit Medikamenten, die FLT3-Aktivität direkt blockieren, erwies sich als zielführend. „Dadurch beschießen wir FLT3 von zwei Seiten“, sagt Uras. „ Wir blocken die Produktion und hemmen die Aktivität.“ Eine Kombinationstherapie könnte einen Durchbruch für viele Leukämiekranke bedeuten.
Über akute myeloische Leukämie
Leukämie, auch Blutkrebs genannt, ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Die häufigste Form ist AML, die akute myeloische Leukämie. Trotz der großen Fortschritte in vielen Krebsarten haben AML-PatientInnen eine schlechte Prognose. An einer verbesserten Therapie wird daher intensiv gearbeitet.
Service:
Der Artikel „Palbociclib treatment of FLT3-ITD+ AML cells uncovers a kinase-dependent transcriptional regulation of FLT3 and PIM1 by CDK6“ von Iris Uras, Gina Walter, Ruth Scheicher, Florian Bellutti, Michaela Prchal-Murphy, Anca S. Tigan, Peter Valent, Florian H. Heidel, Stefan Kubicek, Claudia Scholl, Stefan Fröhling und Veronika Sexl wurde im Journal Blood veröffentlicht.
DOI: dx.doi.org/10.1182/blood-2015-11-683581
www.bloodjournal.org/content/early/2016/04/20/blood-2015-11-683581?sso-checked=true
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