Frühjahrstagung 2024 von OeGHO und AHOP: Krebsversorgung steht vor Herausforderungen – „stronger together“ als Lösung

Die gemeinsame Frühjahrtagung der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) sowie der Arbeitsgemeinschaft hämatologischer und onkologischer Pflegepersonen in Österreich (AHOP) thematisiert in diesem Jahr die enormen Herausforderungen, vor denen die Onkologie in den nächsten Jahren stehen wird: Starker Anstieg der Zahl an Krebs-Patient:innen, Daten- und Expertise-Flut sowie zunehmender Mangel an Fachpersonal sind nur einige Stichworte. Mögliche Lösungsansätze sehen die Expert:innen unter anderem in interprofessioneller Zusammenarbeit und Digitalisierung.

Das Szenario bis 2040 bringt die Herausforderungen auf den Punkt: Die österreichische Bevölkerung wird um 5 % wachsen. Die Anzahl der älteren Menschen wird überproportional um 40-50 % steigen. Die modernen Therapien werden immer besser verträglich und verlängern bei gezieltem Einsatz auch das Überleben. Und in der Folge werden immer mehr Menschen mit Krebs leben. „Diese Menschen gilt es zu betreuen und zu behandeln“, weiß Prim. Priv.-Doz. Dr. Birgit Grünberger, Tagungspräsidentin der Frühjahrstagung 2024 und Leiterin der Abteilung Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie am Landesklinikum Wiener Neustadt. „Gleichzeitig erhöht sich aber der Informationsbedarf über Therapierichtlinien und -optionen für die behandelnden Ärzt:innen, weil eine regelrechte ‚Flut‘ an Expertise zur Verfügung steht. Zwischen 1995 und 2022 sind fast 180 innovative Therapien auf den Markt gekommen, und die Therapiealgorithmen werden zunehmend komplexer. Das ist an sich gut, doch mit den ohnehin äußerst knappen Personalressourcen kaum zu machen.“

„Deshalb braucht es kluge Lösungen“, so Grünberger. „Wir sehen vor allem die interprofessionelle Zusammenarbeit als Schlüssel und haben deshalb auch ‚stronger together‘ zum Motto der Tagung gemacht.“

Forderung nach familienfreundlichen Modellen – derzeit Gleichstellung laut Umfrage noch „unbefriedigend“ und vor allem frauenfeindlich

Einen wesentlichen Ansatz sieht die OeGHO-Vizepräsidentin in Modellen, die der Arbeitsrealität von Onkolog:innen besser gerecht werden. Eine Umfrage[i] der drei Fachgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt derzeit noch einen „unbefriedigenden Stand der Gleichstellung“ auf: Arbeitsorganisation, Arbeitszeitmanagement und Führungskultur unterstützen grosso modo die Karriereoptionen von Ärzt:innen mit Familie keineswegs. Betreuungsmöglichkeiten für Kinder sind unzureichend. Und Teilzeitoptionen fehlen sowohl für die Facharztweiterbildung als auch für Führungspositionen (z.B. Jobsharing).

In der Folge ist die Diskriminierung von weiblichen Onkologinnen über weite Strecken immer noch an der Tagesordnung. Frauen sind weniger oft in Führungspositionen vertreten (bei Chefärzt:innen 3,1 % Frauen versus 17,1 %) und nehmen häufiger Elternzeit zur Betreuung kleiner Kinder in Anspruch (83 % Frauen versus 27 % Männer). „Das ist nicht nur unfair, sondern schmälert auch das Potenzial an hochqualifizierten Krebs-Spezialist:innen“, betont Grünberger. „Mit familienfreundlicheren Modellen könnten wir mehr top ausgebildete Kolleg:innen in den Beruf bringen und so die Versorgung verbessern.“ Die OeGHO setzt sich daher für Maßnahmen wie Frauen-Mentoring-Programme, verbindliche Rückkehrvereinbarungen oder Teilzeitoptionen für leitende ärztliche und wissenschaftliche Tätigkeiten ein.

Förderung Nachwuchses

Um zusätzlich die nachkommende Generation an Onkolog:innen zu fördern und Anreize für das Fach zu bieten, hat die OeGHO die YHOGA (Young Hematologists & Oncologists Group Austria) etabliert und integriert diese gezielt in die Arbeit der Fachgesellschaft. Schwerpunkte der YHOGA sind Vernetzung, Fortbildung, Karriereentwicklung und Support.

Zukunftsmodell Cancer Nurse

Großes Potenzial sehen OeGHO und AHOP weiters in der Etablierung des Berufsbilds der Cancer Nurse[ii]. „Wir haben das Konzept und unsere Forderungen bereits letztes Jahr der Öffentlichkeit präsentiert und vor allem den relevanten Entscheidungsträger:innen im Gesundheitswesen vorgestellt“, verweist AHOP-Präsident Harald Titzer auf die Initiative in 2023. „Noch sind wir nicht am Ziel, denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen fehlen unverändert, und auch im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) ist die Cancer Nurse bislang nicht festgeschrieben. Doch wir bleiben hartnäckig.“

Denn das Konzept der Cancer Nurse, ist Titzer überzeugt, würde für die qualitative Versorgung von Krebspatient:innen enormes Potenzial bergen. Die Cancer Nurse kann als spezialisierte Pflegekraft mit vertieftem Fachwissen in einem multiprofessionellen Team als Betreuer:in und Navigator:in für Krebspatient:innen agieren und so die Ärzt:innen auf höchstem Niveau entlasten. „Das bringt klare Benefits für die Patient:innen, das Gesundheitssystem und die Volkswirtschaft“, sagt Titzer und verweist dabei auf entsprechende Studien.

Künstliche Intelligenz in der Onkologie – unverzichtbarer Schritt in Richtung Digitalisierung

Neben der personellen Komponente stellt die OeGHO die Digitalisierung als Lösungsansatz in den Fokus. „Der Slogan der Gesundheitsreform, also ‚Digital vor ambulant vor stationär‘ gilt auch für die Onkologie“, meint Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, Präsident der österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (OeGHO). „Der Ausbau von digitalen Netzwerkstrukturen erlaubt uns, komplexe Entscheidungsprozesse in Krebszentren abzubilden und die Versorgung der Patient:innen wohnortnah und dezentral zu gewährleisten.“

Darüber hinaus wird künftig auch Künstliche Intelligenz eine bedeutende Rolle spielen, ist Wöll überzeugt und hat deshalb den KI-Experten Clemens Heitzinger, Fakultät für Informatik und Co-Director von CAIML (Center for Artificial Intelligence and Machine Learning) der TU Wien, für die Tagung gewonnen.

Heitzinger sieht zwei große Anwendungsbereiche für KI in der Onkologie: die Diagnose und die Planung der bestmöglichen Therapie.

KI in der Diagnose

„Wir haben beim Einsatz von KI in der Medizin in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gemacht, und zwar aus drei Gründen“, sagt Heitzinger. „Erstens sammeln Mediziner:innen seit Jahrzehnten Daten in hoher Qualität. Zweitens stehen inzwischen ausreichend Rechenkapazitäten zur Verfügung, um riesige Datenmengen zu verarbeiten. Und drittens sind die Algorithmen deutlich besser geworden. Wir trainieren die Systeme heutzutage ganz anders als noch vor ein paar Jahren.“ Das kann die Treffsicherheit von Diagnosen markant erleichtern und präzisieren.

KI in der Behandlung

Schwieriger sei es, so Heitzinger, künstliche Intelligenz darauf zu trainieren, den zeitlich veränderlichen Zustand von Menschen zu untersuchen und Behandlungsvorschläge zu berechnen. Dennoch sieht er auch hier Potenzial: „Ärzt:innen treffen Entscheidungen auf Basis gut begründeter Regeln. Den meisten ist rasch klar, welche Parameter es zu beachten gilt, um die beste Krankenversorgung zu gewährleisten. Doch ein Computer kann problemlos auch noch viele andere Parameter berücksichtigen, die ein Mensch vielleicht ignorieren würde – und das zeigt weitere Optionen auf und kann helfen, die Entscheidungen zu verbessern.“ In der Behandlung von Sepsis konnte der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Heilungsquote in Bezug auf die 90-Tage-Mortalität um ca. 3 % auf ca. 88 % erhöhen, verweist er auf Studien der TU Wien und der MedUni Wien.

„Das zeigt deutlich, dass es auch in der Onkologie ein weites Betätigungsfeld für KI gibt“, unterstreicht OeGHO-Präsident Wöll. „Natürlich kann ein Computer nicht die medizinischen Entscheidungen oder das empathische Gespräch der Ärzt:innen ersetzen – aber das medizinische Personal kann sich auf diese Weise beraten lassen oder die eigene Einschätzung mit den Vorschlägen der künstlichen Intelligenz vergleichen.“

Fotos finden Sie unter

https://www.picdrop.com/mh-photography/VDYQBKXkcs

[i] https://www.dgho.de/publikationen/

[ii] https://www.oegho.at/service/ 

Rückfragen & Kontakt:

Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie
Walter Voitl-Bliem, MBA
Geschäftsführer
+43 (664) 4053646
walter.voitl-bliem@oegho.at
www.oegho.at

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