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CeMM und MedUni Wien: Geplatzte Blutzellen lassen Bakterien sprießen

Der Zerfall von roten Blutkörperchen, die sogenannte Hämolyse, ist eine schwere Komplikation bei systemischen Entzündungen oder Krankheiten wie Malaria oder Sichelzellanämie. In Folge kommt es häufig zu lebensbedrohlichen bakteriellen Infektionen - die Gründe dafür waren bisher unklar. In der neuesten Ausgabe von Nature Immunology zeigen WissenschaftlerInnen des CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Medizinischen Universität Wien warum es zu dem Bakterienbefall kommt. Die Studie räumt nicht nur mit alten Theorien auf und beschreibt den tatsächlichen molekularen Mechanismus – sie liefert auch einen neuen Therapieansatz.

Eisen war für die Wissenschaft lange Zeit der Hauptverdächtige: Als zentraler Bestandteil des Häms im Blutfarbstoff Hämoglobin verleiht das Metall den roten Blutkörperchen ihre Farbe und die Fähigkeit, Sauerstoff zu transportieren – doch es ist auch ein wichtiger Nährstoff für Bakterien. Die schweren bakteriellen Infektionen, die häufig nach einer Hämolyse beobachtet werden, führte man daher auf das freiwerdende, eisenhaltige Häm zurück. Diese Theorie konnte nun von einer Forschungsgruppe unter der Leitung von Sylvia Knapp, Direktorin für Medizinische Angelegenheiten am CeMM und Professorin für Infektionsbiologie an der Medizinischen Universität Wien, widerlegt werden: Häm dient nicht als Bakterienfutter, sondern lähmt Immunzellen.

„Wir konnten im Reagenzglas und im Mausversuch zeigen, dass das Bakterienwachstum in den meisten Fällen nicht vom Eisen im Häm abhängt“ erklärt Rui Martins, PhD Student am CeMM und Erstautor der Studie. „Stattdessen fanden wir heraus, dass Häm die Makrophagen bewegungsunfähig macht - diese Fresszellen sind eine der wichtigsten Immunzellarten für die Bakterienabwehr“. Ein bis dahin völlig unbekannter Mechanismus wurde entdeckt: Das Häm-Molekül bringt das Cytoskelett der Makrophagen durcheinander und nimmt den Zellen dadurch ihre Beweglichkeit. Durch die Aktivierung eines genetischen Schalters wächst das Cytoskelett in jede Richtung – die Zelle wird flach, breit und steif. „Es erinnert an einen Muskelkrampf, die Zellen werden innerhalb von drei Minuten komplett bewegungsunfähig“ beschreibt Martins die Wirkung des Häms.

Das Cytoskelett ist für die Beweglichkeit der Fresszellen entscheidend: Es besteht aus langen, verzweigten Fasern, die sich wie ein Gerüst durch die gesamte Zelle ziehen. Durch gezielten Auf- und Abbau dieser Fasern kann die Zelle in bestimmte Richtungen „wachsen“, um sich beispielsweise ein eindringendes Bakterium einzuverleiben. Doch dafür ist ein fein abgestimmtes genetisches Programm nötig, in dem das Protein DOCK8 eine zentrale Rolle spielt. „Durch biochemische Versuche haben wir herausgefunden, dass Häm sich mit DOCK8 verbindet und es dauerhaft aktiviert“ erklärt Sylvia Knapp. Dadurch geht die Kontrolle über das Cytoskelett verloren – die Fasern wuchern in alle Richtungen und legen die Zelle lahm.

Das Resultat: Bakterien können sich praktisch ungehindert vermehren. Eine lebensbedrohliche Situation für Millionen Menschen weltweit, die durch systemische Entzündungen oder Krankheiten wie Sichelzellanämie, Malariainfektionen oder Beta-Thalassämie an Hämolyse leiden. Doch in der nun publizierten Studie konnten die WissenschaftlerInnen um Sylvia Knapp nicht nur die molekulare Wirkungsweise des Häms auf die Makrophagen aufklären, sie fanden auch einen bereits zugelassenen Wirkstoff, der die Makrophagen wieder funktionstüchtig machen kann:
„Chinin, das zur Behandlung von Malaria eingesetzt wird und von dem man bereits vermutete, dass es an Häm bindet, blockiert auch die Verbindung mit DOCK8“ sagt Sylvia Knapp. „Wir zeigen damit, dass es tatsächlich möglich ist Immunzellen zu „re-aktivieren“, und die Immunabwehr gegen Bakterien bei PatientInnen mit Hämolyse wiederherzustellen.“

Service: Nature Immunology Die Studie “Heme drives hemolysis-induced susceptibility to infection via disruption of phagocyte functions” erschien am 31.10.2016 in Nature Immunology, DOI: 10.1038/ni.3590

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