Eine Studie von Forscher*innen der Universität Wien und der Veterinärmedizinischen Universität Wien zeigt, dass Informationen aus Körperhaltungen für Hunde eine ähnlich wichtige Rolle spielen wie für Menschen. Die Ergebnisse bieten neue Einblicke in die Art, wie Hunde und Menschen einander und ihre Umwelt wahrnehmen und bestätigen, dass der Schläfenlappen eine zentrale Rolle für soziale Kommunikation und Wahrnehmung spielt. Die Studie erscheint aktuell in der Fachzeitschrift Communications Biology.
Menschen und Primaten besitzen gleichermaßen Gehirnregionen im Schläfenlappen, die auf die Wahrnehmung von Gesichtern und Körperhaltungen spezialisiert sind. Hunde besitzen ebenfalls einen Schläfenlappen, der sich unabhängig vom Primatengehirn entwickelt hat. In den letzten Jahren hat die Verhaltensforschung gezeigt, dass Hunde ähnlich wie Menschen Experten in der Wahrnehmung von Gesichtsausdrücken und körperlichen Gesten wie etwa Handzeichen sind. "Ob sich diese Verhaltensexpertise auch im Gehirn der Hunde widerspiegelt war Inhalt unserer Studie. Nur wenige Forschungsgruppen sind in der Lage, vergleichende Magnetresonanztomographie-Studien mit Hunden durchzuführen", erklärt Erstautorin Magdalena Boch.
Die Forschungsgruppe um Magdalena Boch, Claus Lamm und Ludwig Huber ist eine von derzeit nur vier weltweit, die Magnetresonanztomographie (MRT)-Studien mit Haustierhunden durchführt. Sie verwendet dabei speziell entwickelte Trainingsprotokolle, um die Hunde schrittweise an die MRT-Umgebung zu gewöhnen. Die Hunde werden dabei zu keiner Zeit sediert und können das MRT jederzeit verlassen.
Die Studie mit 40 Versuchspersonen und 15 Hunden lieferte nun den ersten Beleg dafür, dass Hunde ähnlich wie Menschen eine Gehirnregion im Schläfenlappen besitzen, die auf die visuelle Wahrnehmung von Körperhaltungen spezialisiert ist. Daneben gibt es weitere Regionen im Hundegehirn, die gleichermaßen an der Wahrnehmung von Gesichtern und Körpern beteiligt sind. Im Gegensatz zum Menschen betraf dies aber nicht nur visuelle Gehirnregionen. Wenn Hunde Gesichter und Körper betrachten, zeigen sich auch Aktivitätsunterschiede in Bereichen, die für die Verarbeitung von Gerüchen zuständig sind.
Bei Menschen wurden zusätzlich die bereits bekannten Regionen identifiziert, die ausschließlich auf die Wahrnehmung von Gesichtern spezialisiert sind. "Wir Menschen fokussieren uns oft auf das Gesicht in der Kommunikation mit anderen. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Gesichter ebenfalls eine wichtige Informationsquelle für Hunde darstellen. Jedoch scheinen Körperhaltungen und eine ganzheitliche Wahrnehmung eine übergeordnete Rolle zu spielen", erläutert Magdalena Boch.
Die spezialisierten Gehirnregionen waren bei Hunden gleichermaßen aktiv, wenn sie Bilder von Artgenossen oder Menschen betrachteten. Dies unterstreicht die enge Bindung zwischen Hunden und Menschen, so Ludwig Huber. "Hunde und Menschen sind zwar nicht nah verwandt, aber seit Jahrtausenden enge Weggefährten. Der Vergleich zwischen Hunden und Menschen ermöglicht uns daher auch neue Einblicke in die sogenannte konvergente Evolution sozialer Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsprozesse", ergänzt Claus Lamm abschließend.
Originalpublikation:
Magdalena Boch, Isabella C. Wagner, Sabrina Karl, Ludwig Huber, & Claus Lamm: Functionally analogous body- and animacy-responsive areas are present in the dog (Canis familiaris) and human occipito-temporal lobe. Communications Biology (2023)
DOI: 10.1038/s42003-023-05014-7
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