So haben Matura und Diplom gleich doppelt Sinn: Vier Schüler des TGM in Wien entwickelten als Abschlussarbeit eine neuartige Sehhilfe für Blinde. Ein Stirnband sendet Ultraschall aus, um Hindernisse zu orten. Vibrierende Armbänder verraten, ob sich das Hindernis eher links, rechts oder geradeaus befindet.
"Wir wollten als Diplomprojekt etwas Sinnvolles entwerfen, das anderen Menschen hilft", erzählt Andrea, eine der Schülerinnen aus dem Vierer-Team. Die Burschen und Mädchen besuchen die Richtung Biomedizin- und Gesundheitstechnik am TGM. "Von den Lehrern kam die Idee, Ultraschall für Blinde einzusetzen, und wir waren sofort begeistert."
Vorbild Fledermaus
Die Natur liefert das Vorbild: Fledermäuse verwenden Ultraschall, um sich ohne Sicht zu orientieren. Das Prinzip macht sich auch die Auto-Industrie zunutze und stattet Einparkhilfen mit dieser Technologie aus. Piepsen wie ein Auto beim Einparken sollte das Gerät allerdings nicht. "Blinde Menschen brauchen unbedingt ihre Ohren, um sich zurechtzufinden, da würden akustische Signale sehr stören", erklärt Philipp aus der Projektgruppe. "Wir entwickelten deshalb vibrierende Armbänder." Je nachdem, ob zuerst das linke oder das rechte Armband schwingt, kann ein Blinder die Richtung erkennen und das Hindernis orten. Die Stärke der Vibrationen zeigt die Entfernung an. Die Armbänder arbeiten mit Vibrationsmotoren, wie sie auch in Handys eingebaut werden.
Das System soll den bewährten Blindenstock nicht ersetzen, sondern ergänzen. Mit dem Stock kann ein Blinder Gegenstände auf dem Boden problemlos ertasten. Hindernisse in Brusthöhe oder Kopfhöhe, etwa einen Querbalken oder einen Postkasten, bemerkt er jedoch nicht und würde dagegenstoßen. In solchen Fällen warnt das Ultraschall-Gerät rechtzeitig.
Blinde Jugendliche testeten
Ob die Ultraschall-Ortung funktioniert, konnten Andrea, Sueda, Marcus und Philipp selbst testen. Sie bestückten ein Stirnband mit Sensoren, "schauten" zu Gegenständen hin und prüften die Ergebnisse - alles bestens. Die Ortung war gelöst. Nun folgte die entscheidende Frage, ob man die Richtung einem Blinden über die Armbänder auch verständlich mitteilen könnte. Dazu wollten die TGM-Schüler mit erfahrenen Einrichtungen für Blinde zusammenarbeiten. Als Partner stellte sich Wiens Blindenschule, das Bundesblindenerziehungsinstitut, zur Verfügung. Unterstützung für einen Prototyp kam von TSB-Transdanubia, einem Unternehmen, das Blinde und Sehbehinderte beschäftigt und Hilfsmittel erzeugt. Beide Einrichtungen halfen den jungen Technikern mit Tipps und wirkten bei Tests mit.
"Ich habe gerne bei den Tests mitgeholfen, das hat großen Spaß gemacht", schildert Xenia, ein Schulmädchen aus dem Bundesblindenerziehungsinstitut. Die Dreizehnjährige fand die vibrierenden Armbänder sehr lustig. "Es wäre schön, wenn ich so ein Gerät später einmal wirklich verwenden könnte."
Dank der Partner konnte das TGM-Team das Ultraschall-System an drei Altersgruppen testen: mit Schulkindern im Alter von 10 bis 14, mit Jugendlichen von 16 bis 18 und mit Erwachsenen, nämlich Mitarbeitern von TSB. Das Ergebnis fiel äußerst zufriedenstellend aus. Alle drei Altersgruppen lernten rasch, die Vibrationen der Armbänder zu deuten, und konnten Hindernisse auf mindestes 30 Grad genau orten - mehr als ausreichend zum Ausweichen.
Über das TGM
TGM - Die Schule der Technik - ist mit rund 2.600 Schülern und 330 Lehrern die größte HTL Wiens und eine der ältesten Österreichs. Die Versuchsanstalt des TGM übernimmt Forschungsprojekte und Prüfaufgaben im Auftrag der Wirtschaft und arbeitet an innovativen Entwicklungen mit. Die Ausbildungen umfassen Elektronik und Technische Informatik, Elektrotechnik, IT, Maschinenbau, Wirtschaftsingenieur und Kunststofftechnik sowie die Richtung Biomedizin- und Gesundheitstechnik. Absolventen sind im Verband der Technologinnen und Technologen weltweit vernetzt. http://www.tgm.ac.at
TGM: TGM-Schüler entwickeln Sehhilfe für Blinde
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