Vom 10. bis 12.Mai findet – heuer erstmals in Wien – die „9. Europäische Konferenz über Seltene Erkrankungen und Orphan-Produkte“ statt, das größte Treffen von Patientenvertretern aus dem Bereich seltener Erkrankungen in Europa. Internationale Fachreferenten aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft sprechen und diskutieren, gemeinsam mit Betroffenen und Patientenvertretern, zur Versorgungssituation, zu wirtschaftlichen Perspektiven seltener Erkrankungen, Innovationen im Arzneimittelbereich, Digitalisierung und zur öffentlichen Gesundheitspolitik.
Bundesministerin Beate Hartinger-Klein wird bei der Konferenz eine Keynote halten und begrüßt, dass die Veranstaltung heuer in Wien stattfindet: „Die Verbesserung der Situation von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen ist mir ein großes Anliegen. Im nationalen Aktionsplan für seltene Erkrankungen sind eine Reihe wichtiger Maßnahmen für den Zeitraum 2014 bis 2018 festgehalten. Ich setze mich dafür ein, dass die Ziele des Aktionsplans über 2018 hinaus verfolgt und auch jene Maßnahmen umgesetzt werden, die bis dato nicht realisiert werden konnten. Insbesondere arbeiten wir derzeit an der Designation von Expertisezentren. Zusätzlich zu den zwei vorhandenen wurde für sieben weitere Einrichtungen auf Grund medizinischer und gesundheitsplanerischer Gesichtspunkte das Designationsverfahren eingeleitet. Für diese Einrichtungen soll die Anbindung an die europäischen Referenznetzwerke ERN mit dem nächsten Aufruf zur Bewerbung der EU-Kommission für neue Vollmitglieder möglich sein.“
Rainer Riedl, Obmann von Pro Rare und Mitvorsitzender des Programmausschusses der Konferenz, kämpft seit Jahren für die Anliegen der Patienten mit seltenen Erkrankungen (SE). Er war bei der Erstellung des nationalen Aktionsplans (NAP.se) aktiv als Mitglied des Beirates für SE eingebunden und ist es nun auch bei der Umsetzung vieler darin enthaltener Ziele und Maßnahmen, wie etwa die Verbesserung der Diagnostik von SE und Anerkennung der Leistungen der Selbsthilfe. Dazu Riedl: „Der nationale Aktionsplan für SE enthält alle relevanten Maßnahmen, um wirksame Verbesserungen für Patienten mit SE herbeizuführen. Er wurde in vorbildlicher Zusammenarbeit aller Stakeholder erarbeitet. Von den darin angeführten 82 Maßnahmen wurde bislang allerdings nur ein Bruchteil umgesetzt. Umso begrüßenswerter ist es, dass sich Bundesministerin Hartinger-Klein dafür einsetzt, dranzubleiben und die Maßnahmen tatsächlich umzusetzen.“ Für Riedl ist die bevorstehende Konferenz eine hervorragende Chance, um nächste konkrete Schritte zu setzen: „Es treffen sich an die 1000 Experten aus Europa und der ganzen Welt. Gemeinsam mit Vertretern aus der Politik können die Herausforderungen bei der Umsetzung der nationalen Aktionspläne diskutiert und neue Lösungsansätze gesucht werden“, so Riedl.
Auch Susanne Greber-Platzer, Klinikleiterin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde an der MedUni Wien und ebenfalls Mitglied im Beirat für SE, setzt sich seit langem für eine bessere Versorgungslage in Österreich ein: „Wir haben mit dem NAP.se eine sehr gute Basis, um Patienten mit seltenen Erkrankungen in Zukunft rascher diagnostizieren und besser behandeln zu können. Aber was auf dem Papier steht, muss auch in die Tat umgesetzt werden, und zwar schneller. Bei den seltenen Erkrankungen sind über die Hälfte Kinder betroffen. Seit Jahren ist die Kinderklinik auf diese meist komplexen und schweren Erkrankungen spezialisiert und die Ärzte sind bei vielen dieser Erkrankungen Experten, die international eng vernetzt sind. Damit wir auch weiterhin aktiv in die internationalen Prozesse hinsichtlich Verbesserung in Diagnostik und Therapie sowie bei neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen mitarbeiten können, brauchen wir die nationale Designation als Expertisezentren. Dies würde zudem auf nationaler Ebene die Zuständigkeit der Expertise bei den Seltenen Erkrankungen definieren und diese wären auch Ansprechpartner für medizinisch relevante Fragen. Andere Länder in Europa machen hier größere Fortschritte.“
Martin Munte, Präsident der Pharmig, des Verbands der pharmazeutischen Industrie in Österreich, sieht Handlungsbedarf vor allem im Bereich der klinischen Forschung: „Weltweit laufen zahlreiche Forschungsprojekte, um mehr seltene Erkrankungen behandeln zu können und bestehende Therapien weiter zu verbessern. Österreich könnte dabei eine viel größere Rolle spielen, gäbe es ein innovationsfreundlicheres Umfeld und ein klareres Bekenntnis zur Forschungsförderung seitens der Politik.“ Darauf aufbauend könnten eine internationale Vernetzung über die Expertisezentren, verstärkte Forschungskooperationen mit Universitäten und Instituten und die stärkere Einbindung von Betroffenen in die Arzneimittelentwicklung die Verfügbarkeit von Therapien vorantreiben.
Wesentlich ist, dass Patienten auch Zugang zu diesen Therapien haben. Menschen mit seltenen Erkrankungen haben in Österreich denselben Versicherungsanspruch wie Patienten, die an häufiger auftretenden Erkrankungen leiden. Dennoch haben gerade sie oft mit bürokratischen Hürden, wie etwa unklaren Zuständigkeiten bei Therapiekostenübernahmen, zu kämpfen.
Dass die europäische Konferenz heuer in Wien stattfindet, ist ein wichtiges Zeichen auch für die Öffentlichkeit. Dazu betont Patientenvertreter Rainer Riedl: „Die Konferenz bietet die Plattform zum intensiven Austausch und zur Auseinandersetzung mit seltenen Erkrankungen. Wenn wir das Wissen darüber vertiefen, und zwar bei den Betroffenen genauso wie bei Ärzten, Behörden und der Politik, wird die Versorgung effizienter. Das spart Patienten Mühen und dem System Kosten.“
Organisiert wird die Konferenz von EURORDIS, einer nicht-staatlichen Allianz von 798 Patientenorganisationen aus 69 Ländern. Ziel ist es, grenz- und krankheitsüberschreitend zur Verbesserung der Lebensqualität und Heilung von Menschen mit einer seltenen Erkrankung beizutragen.