Eine Übersichtsstudie der MedUni Wien zeigt geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnose und dem Krankheitsverlauf von Typ-2-Diabetes bei Frauen und Männern auf. Typ-2-Diabetes wird bei Frauen im Vergleich zu Männern später diagnostiziert, zudem weisen Frauen mehr Risikofaktoren für die Erkrankung auf. Dies hat negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf bei Frauen, insbesondere in Bezug auf Herzinfarkt und Schlaganfall. Die Studie wurde im renommierten Fachjournal "Diabetologia" veröffentlicht.
Die Studie von Alexandra Kautzky-Willer, Michael Leutner und Jürgen Harreiter von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien zeigt, dass weltweit mehr Männer als Frauen von Diabetes mellitus betroffen sind, jedoch wird Typ-2-Diabetes bei Männern oft früher diagnostiziert als bei Frauen. Männer sind in der Regel weniger übergewichtig zum Zeitpunkt der Diagnose und weisen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung und hormonellen Situation eine höhere Insulinresistenz und mehr Bauchfett auf. Bei Frauen wird die Diagnose von Typ-2-Diabetes hingegen oft erst im Zuge von Untersuchungen während der Schwangerschaft gestellt. Schwangerschaftsdiabetes gilt zudem als starker Risikofaktor für später auftretenden Typ-2-Diabetes bei Frauen.
„Hormonelle Unregelmäßigkeiten bei Frauen, wie Zyklusstörungen oder polyzystisches Ovarsyndrom (mehrere Zysten in den Eierstöcken), sollten stärker beachtet werden, da sie Einfluss auf das Risiko für Typ-2-Diabetes haben können“, erklärt Stoffwechselexpertin Alexandra Kautzky-Willer, „auch chronischer Stress und Übergewicht sind Risikofaktoren bei Frauen.“ Die Expert:innen empfehlen, bereits vor dem Kinderwunsch Prädiabetes, die Vorstufe von Diabetes, auszuschließen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass sich das Risikoprofil von Frauen nach der Menopause aufgrund des Abfalls von Östrogen als hormoneller Schutzfaktor ändert und ihr Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark ansteigt. Eine Hormonersatztherapie kann das Diabetesrisiko bei Frauen in der Menopause deutlich senken.
Frühzeitige Diagnose und Therapie wesentlich
Die Studie hebt auch hervor, dass die derzeitigen Grenzwerte für die Diagnose von Typ-2-Diabetes bei Frauen möglicherweise problematisch sind, da Nüchternblutzucker-Werte und HbA1c-Werte (Langzeitzucker) im frühen Stadium oft noch im Normbereich liegen. „Es ist notwendig, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnose und dem Krankheitsverlauf von Typ-2-Diabetes berücksichtigt werden sollten, um die Gesundheit von Frauen besser zu schützen“, fügt Kautzky-Willer hinzu.
Die Autor:innen betonen die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose und einer konsequenten medikamentösen Therapie bei Frauen mit Typ-2-Diabetes, um den Krankheitsverlauf zu verbessern und das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall zu reduzieren.
Psychosoziale Faktoren bei Frauen einbeziehen
Eine große Rolle bei Typ-2-Diabetes spielen bei Frauen auch psychosoziale Faktoren wie ein geringerer Bildungsgrad, Traumatisierung, emotionaler Stress bis Depressionen und ein schlechter sozioökonomischer Status. Dazu kommt im Fall der bereits bestehenden Diabetes-Erkrankung der spezifische Diabetes-Distress, der mit Sorgen, Ängsten und Belastung im Zusammenhang mit der fordernden Krankheit auftritt. Kautzky-Willer: „Das ist bei Frauen ein größeres Thema, nicht zuletzt wegen einer anderen Planung der Schwangerschaft im gebärfähigen Alter“.
Publikation: Diabetologia
Sex differences in type 2 diabetes
Alexandra Kautzky-Willer, Michael Leutner, Jürgen Harreiter
doi: 10.1007/s00125-023-05891-x