FOS-B ist ein Transkriptionsfaktor im Gehirn, der gemeinsam mit anderen Molekülen im Rahmen der sogenannten Signaltransduktion (Reizübertragung auf die Zellen) beteiligt ist, genetische Informationen zwischen den Zellen zu transportieren und auch daran, ob bestimmte Gene aktiv werden oder nicht. FOS-B selbst ist ein Teil des Aktivierungsproteins AP1. Durch die ständige Versorgung durch Drogen wie Heroin wird FOS-B zu Delta-FOS-B, das bei chronischem Konsum immer mehr angeregt wird und auch Wachstumsfaktoren beeinflusst und strukturelle Veränderungen (Neuroplastizität) im Gehirn – etwa in der Region für die Gedächtnisbildung – bewirkt.
Unter der Leitung von Monika Seltenhammer vom Department für Gerichtsmedizin der MedUni Wien (Leitung: Daniele U. Risser) konnte nun in einer Studie im „Journal of Addiction Research & Therapy“ gezeigt werden, dass die Auswirkungen dieser chronischen Reize auch noch post mortem als „Sucht-Gedächtnis“ nachweisbar ist. Dazu wurden die Gewebeproben aus dem Nucleus accumbens (Anm.: ein Areal im Gehirn) von 15 verstorbenen Heroinsüchtigen untersucht. Seltenhammer:
„Selbst neun Tage nach dem Tod war Delta-FOS-B mittels hochsensitiver Nachweismethoden noch feststellbar.“ Die ForscherInnen gehen aber davon aus, dass dieser Zustand im Lebenden noch viel länger, möglicherweise über Monate, anhält.
Diese Ergebnisse wiederum haben, so die MedUni Wien-GerichtsmedizinerInnen, Auswirkungen auf die künftige Behandlung und das Management von Opiatabhängigen und Heroinsüchtigen bzw. insbesondere beim Entzug: „Wenn das Suchtverlangen über Monate im Gehirn erhalten bleibt, ist eine sehr lange Nachsorge und eine dementsprechende psychologische Unterstützung sehr wichtig“, sagt Seltenhammer. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Forensik und Gerichtsmedizin auch einen direkten Nutzen für die Lebenden haben können“, betont Risser.
In einem Folgeprojekt, in Kooperation mit dem Institut für Pharmakologie und dem Center for Addiction Research and Science (AddRess) der MedUni Wien und insbesondere u. a. mit dem Drogen- und Dopamin-Experten Harald Sitte, soll nun geklärt werden, ob und wie man die Aktivierung von Delta-FOS-B verhindern und somit diesen Ansatzpunkt für die Entstehung süchtigen Verhaltens möglicherweise therapieren kann.
Service: Journal of Addiction Research & Therapy
„Accumulation of Highly Stable ΔFosB-Isoforms and Its Targets inside the Reward System of Chronic Drug Abusers - A Source of Dependence-Memory and High Relapse Rate?“ M. Seltenhammer, U. Resch, M. Stichenwirth, J. Seigner, C. Reisinger W. Vycudilik, C. Schöfer, R. De Martin2, J. Sölkner and D. U. Risser. DOI:
10.4172/2155-6105.1000297. Seltenhammer et al., J Addict Res Ther 2016, 7:5.