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MedUni Wien: Geophagie: Erde essen könnte Babys schaden

Zu hohe Bleibelastung: fast fünf Mal so hohe Werte wie bei Neugeborenen in Österreich

Bis zu 80 Prozent der Menschen in Afrika, insbesondere Frauen, essen regelmäßig lehmhaltige Erde – das nennt man Geophagie. Eine vorangegangene Studie der MedUni Wien konnte bereits zeigen, dass es sich dabei um ein suchtartiges Verhalten handelt. Nun konnten die ForscherInnen vom Zentrum für Public Health und vom Institut für Medizinische Genetik der MedUni Wien zeigen, dass diese Sucht auch gesundheitsgefährdend sein kann: Schwangere Frauen, die bestimmte Erden konsumieren, haben erhöhte Bleibelastungen – genauso wie ihre Babys.

Das ist das Ergebnis einer Studie, die im Rahmen von zwei Diplomarbeiten (von Rosina Glaunach und Coloman Deweis) an der MedUni Wien entstanden ist und nun in „Environmental Research“ veröffentlicht wurde.

Dazu wurden Mutter-Kind-Paare in der Demokratischen Republik Kongo untersucht, die jeweils aus zwei unterschiedlichen Regionen lehmhaltige Erde zu sich nahmen bzw. nehmen. Blutproben von der Mutter bzw. nach der Geburt aus der Nabelschnur der Neugeborenen zeigten einen deutlich erhöhten Bleiwert etwa im Vergleich zu Neugeborenen in Österreich: „In der Demokratischen Republik Kongo haben wir bei Neugeborenen eine mittlere Bleibelastung von 60 Mikrogramm Blei pro Liter Blut gefunden. Zum Vergleich ist die Bleibelastung bei Neugeborenen in Österreich deutlich niedriger, wir finden im Mittel nur 13 Mikrogramm Blei pro Liter“, erklären die Studienleiterinnen Ruth Kutalek und Claudia Gundacker. „Und es ist wahrscheinlich, dass es einen direkten Zusammenhang mit Geophagie gibt. Der Konsum sollte unbedingt gedrosselt werden.“ Der Maximalwert liegt bei 155 Mikrogramm.

Derzeit läuft eine internationale Neubewertung der Blutbleibelastungen. Gundacker: „Die amerikanische Gesundheitsbehörde sieht Belastungen, die 50 Mikrogramm pro Liter übersteigen als so bedenklich an, dass sie gezielte Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Reduktion dieser Belastungen empfiehlt.“

Ziel der ForscherInnen ist es nun, eine größere Studie durchzuführen, in der genauer untersucht werden soll, welche Erden in welchem Ausmaß zu Bleibelastungen beitragen. Dies soll eine gezieltere Beratung von Schwangeren ermöglichen. In Zukunft könnten so, wissenschaftlich begleitet, Ersatznahrungsmittel angeboten werden – das kann von „gesünderer“ Erde bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln mit hohem Eisenanteil reichen, aber auch eine generelle Erde-„Diät“ inkludieren.

Erde-Essen als „Belohnung“
Geophagie ist eine Art Substanzverlangen, ähnlich wie Heißhunger auf Schokolade oder als eine Art „Belohnung“. Kutalek: „Diese Menschen konsumieren Lehmerde oft als Snack zwischendurch und berichten, dass sie ohne die Substanz nicht auskommen können.“   

Der Hintergrund könnte aber ein anderer sein – und ist zugleich vielschichtig: In der Erde sind Lehmanteile enthalten, die Giftstoffe (Toxine) binden, ähnlich wie in Kohletabletten gegen Durchfallerkrankungen. Diese Lehmanteile können einerseits den pH-Wert der Magensäure beeinflussen und gegen Sodbrennen wirken – viele der Frauen in Afrika ernähren sich hauptsächlich von Mais, Maniok und Bohnen. Aber auch aus Afrika stammende MigrantInnen in Europa und Menschen in Asien essen immer wieder Erde. Diese wird in exotischen Supermärkten angeboten.   

Service: Environmental Research
„Geophagy during pregnancy: Is there a health risk for infants?“ Claudia Gundacker, Ruth Kutalek, Rosina Glaunach, Coloman Deweis, Markus Hengstschläger, Armin Prinz. March 2017, dx.doi.org/10.1016/j.envres.2017.03.028.

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