MedUni Wien: Forscher des CeMM und der MedUni Wien entdecken neue seltene Erkrankung

Die Entschlüsselung der molekularen Ursachen seltener angeborener Immundefekte hilft, das menschliche Immunsystem zu verstehen

Der Wiener Forschergruppe um Kaan Boztug ist es gelungen, die genetische Ursache für eine neue seltene Erkrankung zu entschlüsseln. Die PatientInnen litten unter einer angeborenen Störung des Immunsystems, die keiner bisher bekannten Erkrankung zugeordnet werden konnte. Die WissenschafterInnen am CeMM und an der MedUni Wien konnten nun zeigen, dass die Erkrankung durch eine Mutation in einem zentralen Signalweg verursacht wird, der für die Steuerung von Immunzellen verantwortlich ist: Durch Ausfall des sogenannten NIK-Gens können die Abwehrzellen ihre Aufgabe, eindringende Krankheitserreger unschädlich zu machen, nicht mehr erfüllen. Die Erkenntnisse wurden im Top-Journal "Nature Communications" publiziert. Sie leisten einen wichtigen Beitrag dazu, das menschliche Immunsystem besser zu verstehen und können langfristig zur Entwicklung neuer Therapien beitragen.

Kaan Boztug ist Forschungsgruppenleiter am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Arzt an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien. Seine Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, die molekularen Ursachen seltener Erkrankungen zu entschlüsseln.

Besonderes Augenmerk richtet die Forschungsgruppe, die auf ihrem Gebiet zur Weltspitze zählt, auf angeborene Störungen des Immunsystems, die sich mit Infektionen, Autoimmunität und Störungen der Immunregulation, sowie einer verstärkten Neigung zur Entwicklung von Tumoren manifestieren können. Von den Ergebnissen profitieren nicht nur die unmittelbar betroffenen Patienten, denen im besten Fall eine zielgerichtete Therapie angeboten werden kann - die Studien liefern darüber hinaus wichtige Beiträge zur Entschlüsselung des komplizierten Zusammenspieles im menschlichen Immunsystem.

In der aktuellen Publikation konnte das Team um Studienleiter Kaan Boztug nun erstmals die Folgen eines Ausfalls der NF-k-B-induzierenden Kinase (NIK) für das menschliche Immunsystem entschlüsseln und den Signalweg aufzeigen, der in der menschlichen Immunabwehr von NIK gesteuert wird. Kaan Boztug: "Wir sind damit einem zentralen Steuerungsmechanismus auf die Spur gekommen, der auch für häufigere Erkrankungen wie chronische und wiederkehrende Infektionen, Autoimmunerkrankungen, Allergien und Entzündungen relevant ist." Demzufolge führt ein Ausfall von NIK zu einem Defekt in den B-Lymphozyten, die dadurch nicht mehr imstande sind, geeignete Antikörper zu bilden.

Überraschender Weise sind auch andere Abwehrzellen von einem NIK-Defekt beeinträchtigt. Dies betrifft sowohl T-Lymphozyten, die auf das spezifische Wiedererkennen von Krankheitserregern spezialisiert sind, als auch die sogenannten natürlichen Killerzellen, die unspezifisch von Viren betroffene Zellen eliminieren.

Erstautorin Katharina Willmann, Postdoktorandin im Labor von Kaan Boztug am CeMM: "Für mich als Grundlagenwissenschaftlerin ist die Arbeit an einem solchen Projekt vor allem deshalb faszinierend, weil uns Patienten mit seltenen Erkrankungen Grundsätzliches über das Immunsystem lehren können." Für die ForscherInnen bedeutet die Entschlüsselung der molekularen Mechanismen der Immunabwehr einen wichtigen Schritt für die Zukunft. Kaan Boztug: "Langfristig könnten die Forschungsergebnisse dazu beitragen, die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten zu verbessern und wichtige Fortschritte bei der zielgerichteten Behandlung von Infektionskrankheiten zu erzielen."

Studie
Biallelic loss-of-function mutation in NIK causes a primary immunodeficiency with multifaceted aberrant lymphoid immunity. Katharina L. Willmann, Stefanie Klaver, Figen Doğu, Elisangela Santos-Valente, Wojciech Garncarz, Ivan Bilic, Emily Mace, Elisabeth Salzer, Cecilia Domínguez Conde, Heiko Sic, Peter Májek, Pinaki P. Banerjee, Gregory I. Vladimer, Sule Haskoloğlu, Musa Gökalp Bolkent, Alphan Küpesiz, Antonio Condino-Neto, Jacques Colinge, Giulio Superti-Furga, Winfried F. Pickl, Menno C. van Zelm, Hermann Eibel, Jordan S. Orange, Aydan Ikincioğulları & Kaan Boztug. Nature Communications. 2014 Nov. DOI:10.1038/ncomms6360

Die Forschungsarbeiten am CeMM wurden unter anderem durch einen ERC Starting Grant und einen FWF START Preis von Kaan Boztug ermöglicht. Wir bedanken uns auch bei den Patienten und deren Familien für die Teilnahme an der Studie.

CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) - Kurzprofil
Das CeMM ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin. "Aus der Klinik für die Klinik" - orientiert sich das CeMM unter der Leitung des Wissenschaftlichen Direktors Giulio Superti-Furga an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung mit klinischer Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen und Immunstörungen. Infos: www.cemm.oeaw.ac.at.

Medizinische Universität Wien (MedUni Wien) - Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit fast 7.500 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit ihren 27 Universitätskliniken, drei klinischen Zentren, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten biomedizinischen Spitzenforschungseinrichtung Europas. Für die klinische Forschung stehen über 48.000m2 Forschungsfläche zur Verfügung.

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