MedUni Wien: Evolutions-bedingte Verwechslung des Immunsystems könnte Ursache für Organversagen bei IntensivpatientInnen sein

Immunsystem „verwechselt“ eigene Mitochondrien mit Bakterien und reagiert mit einer „Schein-Sepsis“

Zumindest jede/r zweite IntensivpatientIn zeigt ein "Systematic Inflammatory Response Syndrome" (SIRS). Dabei handelt es sich um ein Krankheitsbild, das einer Sepsis ähnelt, ohne dass dabei eine bakterielle oder durch Pilze hervorgerufene Infektion nachweisbar ist. Bisher war die genaue Ursache dieses Syndroms unbekannt. ForscherInnen der Universitätsklinik für Innere II der MedUni Wien haben nun eine mögliche Ursache dieser "Schein-Sepsis" entdeckt: Mitochondrien, die etwa nach einem Kreislaufversagen oder Herzstillstand in das Blut gelangen, werden vom Immunsystem mit Bakterien verwechselt und bekämpft. Die Erklärung dafür liegt rund 1,5 Milliarden Jahre zurück und fußt auf der so genannten Endosymbiontentheorie.

Die Endosymbiontentheorie besagt, dass sich einzellige Lebewesen im Laufe der Evolution zu einer Symbiose zusammengeschlossen haben und so zu einem höheren Lebewesen wurden (Endosymbionten). In diesem Fall nahmen Einzeller Bakterien auf und diese wurden zu deren Mitochondrien, die auch als Kraftwerke der Zellen bezeichnet werden, weil in ihnen das energiereiche Molekül Adenosintriphosphat gebildet wird.

Beim "Systematic Inflammatory Response Syndrome" (SIRS) weisen die Ergebnisse der MedUni Wien-Forscher daraufhin, dass das Immunsystem dabei die Mitochondrien mit den Bakterien, aus denen sie früher entstanden sind, "verwechselt" (die DNA-Struktur der Mitochondrien ist gleich wie jene der Bakterien) und darauf mit einer Entzündungsreaktion reagiert. "Wenn PatientInnen mit Schock und Organschädigung vermehrt mitochondriale DNA freisetzen und diese an spezielle signalübertragende Moleküle, die TLR-9-Rezeptoren, binden, steigt das Risiko für Organversagen und sinkt die Chance die Erkrankung zu überleben", erklärt Walter Speidl von der Universitätsklinik für Innere Medizin II (Abteilung für Kardiologie). Die Forscher wollen nun herausfinden, ob es durch Hemmung der TLR-9-Rezeptoren gelingen kann, die "Schein-Sepsis" zu unterbinden.

In der aktuellen Studie, die nun im Top-Magazin "Critical Care Medicine" publiziert wurde, waren 233 PatientInnen der kardiologischen Intensivstation im AKH Wien involviert. Es konnte gezeigt werden, dass PatientInnen mit hohen Plasmaspiegeln der mitochondrialen DNA und gleichzeitig vermehrter Expression des Rezeptors TLR-9 ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko aufwiesen. Fast jeder zweite Intensivpatient ist in irgendeiner Form von SIRS betroffen welches mit einer hohen Mortalität assoziiert ist. Die Symptome sind unter anderem hohes Fieber oder Unterkühlung, rascher Herzschlag und Hyperventilation sowie eine erhöhte Anzahl von weißen Blutkörperchen im Blut.

Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert. Dort werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung vermehrt Schwerpunkte an der MedUni Wien gesetzt. Die Forschungscluster umfassen medizinische Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie, kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften und Immunologie. Die vorliegende Arbeit fällt in den Bereich kardiovaskuläre Medizin.

Service: Critical Care Medicine
"Mitochondrial DNA and Toll-like Receptor are Associated with Mortality in Critically III Patients." K. Krychtiuk, S. Ruhittel, P. Hohensinner, L. Koller, C. Kaun, M. Lenz, B. Bauer, L. Wutzlhofer, D. Draxler, G. Maurer, K. Huber, J. Wojta, G. Heinz, A. Niessner, W. Speidl. doi: 10.1097/CCM.0000000000001311.

Medizinische Universität Wien - Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit fast 7.500 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit ihren 27 Universitätskliniken und drei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.

(Quelle: APA-OTS)

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