Rund 4.700 Menschen in Österreich erkranken jährlich an Dickdarmkrebs. Bei ein bis zwei Prozent der Betroffenen treten im späten Krankheitsstadium auch Hirnmetastasen auf. ForscherInnen der MedUni Wien haben nun in einer gemeinsamen Studie mit der University of Southern California, USA, Gen-Variationen in der DNA-Sequenz spezifiziert, mit deren Hilfe genauere Prognosen über die Lebensdauer möglich sein könnten, die künftig aber auch als Angriffsziele für eine medikamentöse, personalisierte Therapie bedeutsam werden könnten. Die Ergebnisse der Studie mit 70 PatientInnen, dem weltweit bisher größten Patienten-Kollektiv überhaupt, wurden nun im renommierten Magazin „The Pharmacogenomics Journal“ veröffentlicht.
„Durch moderne Therapien, die eine immer längere Überlebensdauer ermöglichen, werden Hirnmetastasen im Zusammenhang mit dem kolorektalen Krebs in Zukunft immer häufiger und klinisch bedeutsamer werden“, sagt Stefan Stremitzer von der Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien und einer der Studienleiter, anlässlich des Welttags des Krebs‘ am kommenden Donnerstag. Häufiger als bei Darmkrebs sind Hirnmetastasen zum Beispiel bei Brustkrebs oder Lungenkrebs – auch bei diesen beiden Erkrankungen könnten die neuen Erkenntnisse der aktuellen Studie von Bedeutung sein, zukünftige Forschungen anstoßen und zu neuen, zielgerichteten Therapieoptionen führen.
Bestimmte Gen-Variationen helfen, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden
Für die Bildung von Hirnmetastasen müssen die Tumorzellen die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, eine Barriere zum Schutz des Gehirns, überwinden. Dabei konnten die ForscherInnen Gen-Variationen in der DNA-Sequenz identifizieren, die es den Tumorzellen möglicherweise leichter machten, im Gehirn anzudocken. Stremitzer: „Wir konnten Gen-Profile und -Gruppen bilden und darstellen, welche Kombination die Prognose beeinflussten.“
Unterschiede in den DNA-Sequenzen gibt es im menschlichen Körper viele. So ist zum Beispiel auch die Augenfarbe einem derartigen – und in diesem Fall harmlosen – Unterschied zuzuschreiben.
Neben der Gruppe mit Hirnmetastasen untersuchten die ForscherInnen auch 45 PatientInnen mit kolorektalem Krebs ohne Hirnmetastasen. Dabei wurden die Ergebnisse untermauert: Variationen in jenen Genen, denen ein Zusammenhang mit der Prognose bei PatientInnen mit Hirnmetastasen zugeschrieben wurde, waren auch mit dem Auftreten von Hirnmetastasen assoziiert.
Service: The Pharmacogenomics Journal
„Genetic variants associated with colorectal brain metasases suscptibility and survival.“ S. Stremitzer, A. Berghoff, N. Volz, W. Zhang, D. Yang, S. Stintzing, Y. Ning, Y. Sunakawa, S. Yamauchi, A. Sebio, S. Matsusaka, S. Okazaki, D. Hanna, A. Parekh, A. Mendez, R. El-Khoueiry, P. Birner, M. Preusser and H. Lenz. The Pharmacogenomics Journal advance online publication, 22 December 2015; doi:10.1038/tpj.2015.86.
Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert. Dort werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung vermehrt Schwerpunkte an der MedUni Wien gesetzt. Die Forschungscluster umfassen medizinische Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie, kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften und Immunologie. Die aktuelle Studie fällt in den Themenbereich des Clusters für Onkologie.