Lungenkrebs ist eine der häufigsten Krebstodesursachen sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Die Erkrankung versursacht erst im fortgeschrittenem Stadium Beschwerden. So ist die Diagnose oft ein Zufallsbefund bei der Abklärung anderer Erkrankungen oder Operationen. Die Corona-Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft: So kam es zu 42 Prozent[1] weniger Neudiagnosen, bei denen es sich nach Beobachtungen von ExpertInnen um fortgeschrittenere Erkrankungen handelt. Dabei wäre eine frühzeitige Diagnose im doppelten Sinne wichtig: Je früher die Therapie starten kann, desto besser die Überlebensprognose. Darüber hinaus können nun frühzeitig Medikamente zum Einsatz kommen, die eine spätere Wiederkehr des Krebses stark reduzieren können. +++
Lungenkrebs ist nach wie vor mit einer hohen Sterblichkeit verbunden. Erste spezifische Symptome treten oft erst auf, wenn sich die Erkrankung schon in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. „Die meisten Betroffenen klagen über Husten, Atemnot und/oder Schmerzen in der Brust. Allerdings haben auch rund 1/3 aller PatientInnen keine Beschwerden, da die Diagnose oft ein Nebenbefund ist oder einen Zufallsbefund darstellt“, erklärt Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, Klinik Floridsdorf und Leiter des Karl Landsteiner Instituts für Lungenforschung und Pneumologische Onkologie. Nicht jeder Husten muss Lungenkrebs sein, dennoch raten ExpertInnen zur Vorsicht und dazu, mögliche Symptome ernst zu nehmen: „Husten entsteht durch eine Irritation der Atemwege. Somit ist Husten ein relativ häufiges Symptom und kann gelegentlich auch bei lungengesunden Personen ohne weitere Bedeutsamkeit vorkommen. PatientInnen mit anhaltendem Husten über mehrere Wochen (> vier Wochen), die keine Besserung durch herkömmliche Therapien (z.B. Behandlung einer Atemwegsinfektion, Asthma oder COPD) aufweisen, sollten jedoch einer weiterführenden lungenärztlichen Abklärung zugeführt werden“, erläutert der Experte weiter.
Auswirkungen der Corona-Pandemie: 42 Prozent weniger Neudiagnosen
Nachteilig hat sich auch die Corona-Pandemie auf die Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten ausgewirkt: „Unser Versorgungsangebot ist während der Pandemie unverändert geblieben, die Inanspruchnahme ist aber gesunken. In den letzten Jahren hatten wir in Krems einen stetigen Zuwachs an Neudiagnosen. Im Jahr 2020 kam es aber im Vergleich zum Jahr 2019 zu einem Rückgang von 42 Prozent“, führt Prim. Assoc. Prof. Dr. Peter Errhalt, Leiter der Klinischen Abteilung für Pneumologie am Universitätsklinikum Krems aus. Die Gründe sieht der Experte vor allem in einem Rückgang weniger dringlicher Eingriffe oder geplanter Operationen, daher auch in einem Rückgang an „Zufallsbefunden“. Einen anderen Grund ortet er im Pandemiegeschehen selbst: „PatientInnen gaben an, speziell im ersten Lockdown, aus Angst vor einer Ansteckung mit COVID-19 das Krankenhaus gemieden zu haben. Eine Folge daraus ist, dass es vermutlich mehr fortgeschrittene Erkrankungen gibt.“ Dies wirkt sich wiederum nachteilig auf den Krankheitsverlauf aus: „Es scheint sich eine leichte Tendenz dahingehend abzuzeichnen, dass nach den ersten beiden Wellen der COVID-Pandemie vermehrt PatientInnen in späteren Stadien der Erkrankung vorstellig wurden. Die Überlebenswahrscheinlichkeit korreliert eindeutig mit dem Stadium der Erkrankung. Je früher PatientInnen vorstellig werden, desto besser sind die Therapieerfolge“, erläutert Prim. Valipour. Die Zurückhaltung der PatientInnen hinsichtlich medizinischer Inanspruchnahme bei offenbar nicht lebensbedrohlichen Beschwerden kann auch die Lungenunion bestätigen: „Die PatientInnen und deren Angehörigen berichten uns, dass sie aus Angst vor einer Ansteckung oft zuhause geblieben sind und Termine nicht wahrgenommen haben bzw. auch von den Institutionen teilweise sogar darin bestärkt worden sind, zu Hause zu bleiben. Gerade bei Lungenkranken hat das verheerende Folgen, denn eine frühe Diagnose kann viel Leid ersparen“, erklärt Gundula Koblmiller, Vorstandsmitglied der Österreichischen Lungenunion.
Hauptrisikofaktor Zigarettenrauch – Forderung nach stärkerem Raucherschutz und mehr Aufklärung
Der Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Lungenkrebs ist der Zigarettenrauch und damit in Verbindung stehende Erkrankungen wie COPD. „Lungenkrebs wäre zu über 90 Prozent vermeidbar! Rauchen ist für die meisten Lungenkrebsfälle verantwortlich und auch für Krebs im HNO-Bereich sowie Magen- und Blasenkrebs“, erklärt Prim. Errhalt. Das bestätigt auch Prim. Arschang Valipour aus der Klinik Floridsdorf: „Lediglich 10 Prozent der betroffenen PatientInnen, die bei uns vorstellig werden, haben nie geraucht. Rund 50 Prozent sind aktive RaucherInnen und etwa 40 Prozent Ex-RaucherInnen“. Aber auch das steigende Alter sowie eine Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz oder in der Umwelt können mögliche Ursachen sein. Prim. Errhalt fordert hier von der Politik einen nächsten Schritt: „Es gibt von öffentlicher Seite noch immer nicht genügend Aufklärung zum Thema Rauchen. Umso wichtiger ist es, den Nichtraucherschutz auf europäisches Niveau zu bringen.“ Auch die Lungenunion fordert den Ausbau der Raucherentwöhnung: „Wichtig ist es, ein dauerhaftes und niederschwelliges sowie kostenloses Angebot für Raucherentwöhnung - flächendeckend - in Österreich zu schaffen. Dieses Angebot würde langfristig Kosten sparen und bei der Aufklärung unterstützen. Mit dem Rauchverbot in der Gastronomie ist ein erster Schritt getan“, so Gundula Koblmiller.
Was jeder Einzelne unternehmen kann, um Lungenkrebs vorzubeugen, erklärt Prim. Valipour: „Die effektivste Maßnahme, um Lungenkrebs zu vermeiden, ist ein konsequenter Rauchstopp. Darüber hinaus empfiehlt sich ein allgemein gesunder Lebensstil mit gesunder Ernährung und körperlicher Bewegung.“
Vorsorge und Früherkennung sind wichtig
Trotz guter innovativer Therapien steigt die Sterblichkeit bei Lungenkrebs mit der Zunahme des Tumorstadiums. Umso wichtiger ist die Vorsorge, um Lungenkrebs frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, darin sind sich alle drei ExpertInnen einig: „Vorsorge und Frühdiagnose sind das Um und Auf. Wir fordern PatientInnen auf, auch in Pandemiezeiten zur Vorsorge zu gehen und eventuell auftretende Symptome, wie zum Beispiel einen langanhaltenden Husten, abklären zu lassen“, so Gundula Koblmiller. Doz. Valipour plädiert für die Installation eines umfassenden Früherkennungsprogrammes für HochrisikopatientInnen. „Personen mit erhöhtem Risiko für Lungenkrebs sollten großzügig einer low-dose-CT zugeführt werden, vor allem wenn anhaltende respiratorische Beschwerden in der Anamnese bestehen.“ Prim. Dr. Errhalt geht noch einen Schritt weiter und fordert: „Früherkennung wäre wichtig. Ich wünsche mir für die Lungenkrebstherapie in 10 Jahren jedoch, dass bereits jetzt in Entwicklung befindliche Screeningprogramme mit State-of-the-Art Screeningparametern ausgestattet werden.“
Neue Therapien geben Anlass zur Hoffnung
Bei Lungenkrebs werden zwei große Gruppen unterschieden: Das Nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) und das Kleinzellige Bronchialkarzinom (SCLC). Beide Gruppen unterscheiden sich im Verlauf der Erkrankung und in der Behandlung. Es überwiegt der Anteil der PatientInnen mit einem NSCLC.
Das Tückische an Lungenkrebs und speziell am NSCLC ist, dass er nach erfolgreicher erster Behandlung erneut auftreten kann (Rückfall oder Rezidiv). Die Rezidivrate ist bei Lungenkrebs besonders hoch. Nur etwa 38 Prozent der PatientInnen in Stadium II bzw. 24 Prozent in Stadium III sind nach fünf Jahren noch krankheitsfrei.[2] Der Krebs kehrt wieder und kann sich dabei an verschiedenen Stellen des Körpers manifestieren, sogenannte Metastasen bilden. Besonders häufig siedelt er sich bei Lungenkrebs im Gehirn, im zentralen Nervensystem, an. Für die PatientInnen bedeutet dies, sich unter erschwerten Bedingungen erneut einer onkologischen Behandlung unterziehen zu müssen. Neue, zielgerichtete Therapien können nun jedoch schon frühzeitig eingesetzt werden und somit die Rezidivraten erheblich reduzieren. „Lungenkrebs ist nach wie vor mit einer hohen Sterblichkeit verbunden. Moderne Behandlungsmöglichkeiten erlauben uns jedoch, Betroffenen Lebensqualität und Lebensjahre zu schenken. So haben auch zielgerichtete Therapien in der jüngsten Vergangenheit die Behandlung von Lungenkrebs revolutioniert. Voraussetzung ist die entsprechende Verfügbarkeit von molekularer Diagnostik und eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit“, so Prim. Arschang Valipour. Das bekräftigt auch Prim. Errhalt abschließend: „In den letzten Jahren gab es einen großen Innovations-Schub durch viele Entwicklungen im Bereich der "zielgerichteten" Therapien. Da die Sterblichkeit mit Zunahme des Tumorstadiums steigt, ist es wichtig, diese zielgerichteten Therapiemöglichkeiten schon in einem frühen Stadium einzusetzen.“
Tipps der ExpertInnen:
Die wichtigste Maßnahme ist, mit dem Rauchen aufzuhören bzw. noch besser, gar nicht damit zu beginnen!
Gesunder Lebensstil in Form von ausreichend Bewegung und gesunder Ernährung sowie regelmäßige ärztliche Vorsorgeuntersuchungen.
Bei anhaltenden Beschwerden (Husten, Atemnot, Schmerzen im Brustkorb etc.) ärztliche Hilfe aufsuchen und Abklärung einfordern.
Bei bereits bestehender Diagnose weiterhin die vereinbarten Termine der Nachsorge wahrnehmen.
Eine COVID-19 Immunisierung schützt: PatientInnen mit Lungenkrebs haben ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19 Verläufe und sollten daher geimpft werden.
[1] Quelle: Erhebung und Daten aus dem Universitätsklinikum Krems (Vergleichsraum: Jänner bis Oktober 2019: 280 neue PatientInnen (Erstdiagnosen). Jänner bis Oktober 2020: 197 neue PatientInnen)
[2] Pignon J et al. J Clin Oncol 2008;26:3552-3559.
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