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IMBA: „Schlankmacher“-Gen heizt Fettverbrennung an

Warum manche Menschen so viel essen können, wie sie wollen und trotzdem schlank bleiben

Ein internationales ForscherInnenteam unter Beteiligung des IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften – konnte nachweisen, dass Mutationen eines bestimmten Gens mit erhöhter Fettverbrennung und Glukosetoleranz in Verbindung stehen und zu einer genetisch determinierten schlanken Linie führen. Das berichten die WissenschaftlerInnen in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Cell.

Die Zeit der Corona-Quarantäne hat wohl vielen unter uns auf die Figur geschlagen. Eingeschränkte Aktivität und mangelnder Sport bei gleichbleibenden oder gar verstärkten Ernährungsgewohnheiten führten verständlicherweise zu dem einen oder anderen Extrakilo. Dennoch gibt es Menschen, die es ganz ohne Gewichtszunahme durch diese Zeit geschafft haben. Denn neben Faktoren wie Bewegung und Ernährung sind diese individuellen Unterschiede in der Gewichtszunahme auch genetisch festgelegt.

Bisherige Studien konzentrierten sich in erster Linie auf Gene, die mit Adipositas in Verbindung stehen. Denn aus medizinischer und wirtschaftlicher Sicht ist krankhaftes Übergewicht ein großes Problem für unsere Gesellschaft: ein stark erhöhter Body Mass Index (BMI) ist ein Risikofaktor für sämtliche Erkrankungen des Stoffwechsels (vor allem Diabetes mellitus Typ 2), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch Krebs. Nun konnte ein internationales ForscherInnenteam um IMBAs Gründungsdirektor Josef Penninger ein „Schlankmacher“-Gen identifizieren. Die WissenschaftlerInnen konnten dabei durch Daten einer Estnischen Biobank und Studien an Fliegen und Mäusen herausfinden, dass Mutationen des Gens ALK, das für das Protein Anaplastic Lymphoma Kinase kodiert, mit gesteigerter Fettverbrennung, verbesserter Glukosetoleranz und einem sehr schlanken Äußeren in Verbindung stehen.

Wie bleiben Fliegen, Mäuse und Menschen dünn?

ALK ist ein Zellrezeptor und gehört zur Familie der Insulin-Rezeptoren. Bisher war bekannt, dass Mutationen in ALK häufig in unterschiedlichen Krebsarten, wie etwa Lungenkrebs und Neuroblastom, auftreten. Allerdings war wenig über die physiologische Funktion des nicht mutierten Gens bekannt. In der nun veröffentlichten Studie wurden die genetischen Profile von 47,102 sehr schlanken und normalgewichtigen Menschen aus der Estnischen Biobank analysiert. Dabei fanden die ForscherInnen bei der dünnen Gruppe 2 genetische Varianten im ALK Gen. In der Fruchtfliege Drosophila konnte man zeigen, dass ein Herunterregeln des ALK orthologen Gens bei den Tieren trotz zuckerreicher Ernährung zu weniger Fettanhäufung führt.

Michael Orthofer, Postdoktorand in der Gruppe von Josef Penninger am IMBA, arbeitete jahrelang an mehreren Mausmodellen, bei denen das Alk Gen in unterschiedlichen Geweben, die am Stoffwechsel beteiligt sind, ausgeschalten wurde. Wurde ALK im ganzen Körper deaktiviert, zeigten diese Tiere ein niedrigeres Körpergewicht. Dieser niedrigere Fettgehalt wurde verstärkt, wenn man den Tieren fettreiche Nahrung verabreichte, obwohl sie gleich viel Nahrung zu sich nahmen und sich gleich viel bewegten wie normale Mäuse. Dabei wurde schon nach wenigen Wochen auf dieser Diät ein Unterschied von 50% Körperfett beobachtet. Auffallend war, dass Mäuse ohne Alk Gen einen deutlich erhöhten täglichen Energieverbrauch und eine verbesserte Glukosetoleranz aufwiesen. Die ForscherInnen nahmen anschließend die Fettverbrennung, bei der Triglyceride in freie Fettsäuren und Glycerol aufgespalten werden, genauer unter die Lupe. Denn obwohl Mäuse ohne das Alk Gen viel weniger Körperfett hatten, zeigten sie einen Anstieg freier Fettsäuren im Blutplasma – ein Indikator für verstärkte Fettverbrennung. In Tieren mit deaktiviertem Alk Gen wurde schließlich eine erhöhte Aktivität der hormonsensitiven Lipase, ein Schlüsselenzym in der Fettverbrennung, festgestellt.

Fettverbrennung beginnt im Kopf

Wenn die ForscherInnen ALK in den Muskeln, im Fettgewebe, in der Leber oder im Immunsystem deaktivierten, konnte bei den Mäusen keine Gewichtsveränderung festgestellt werden. „Als wir jedoch ALK spezifisch in der Gehirnregion des Hypothalamus deaktivierten, konnten wir dieselbe Gewichtsreduktion wie in Tieren beobachten, bei denen ALK im ganzen Körper ausgeschalten wurde. Das ist insofern interessant, weil der Hypothalamus eine zentrale Koordinationsstelle für den Stoffwechsel ist und via Noradrenalin die Fettverbrennung reguliert. In der Folge konnten wir dann zeigen, dass Mäuse mit einem inaktiven Alk Gen einen höheren Noradrenalinspiegel im Fettgewebe aufweisen. Eine Blockierung des Alk Gens in den Nerven, die aus dem Hypothalamus hervorgehen, heizt daher die Fettverbrennung an. Deswegen bleiben die Tiere dünner, selbst bei fettreicher Ernährung“, so Orthofer, der Erstautor der aktuellen Publikation.

„Mit unserer Arbeit konnten wir nachweisen, dass ALK eine vollkommen neue und wesentliche Schnittstelle im Gehirn ist, die Nahrungsverwertung und Energiekreislauf steuert. Ein nächster wichtiger Schritt wäre es jetzt zu erforschen, wie die Neuronen im Hypothalamus, in denen ALK aktiv ist, diese Stoffwechselkontrolle beeinflussen,“ so IMBAs Gründungsdirektor Josef Penninger, der jetzt Direktor des Life Sciences Institutes der University of British Columbia ist und weiterhin eine Forschungsgruppe am IMBA leitet. „Eine Hemmung des Gens ALK könnte womöglich eine neue Therapiemöglichkeit sein, um Übergewicht vorzubeugen.“

Original Publikation:

„Identification of ALK in thinness”, Orthofer et al, Cell, 2020, doi:10.1016/j.cell.2020.04.034

Über IMBA

Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie ist das größte Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit dem Fokus auf zukunftsweisende Grundlagenforschung. 16 Forschungsgruppen stellen sich den molekularen Rätseln und unerforschten Gebieten der Molekularbiologie und Medizin. Erkenntnisse aus den Bereichen Zell- und RNA- Biologie, molekularer Medizin und Stammzellbiologie bilden den Nährboden für eine Medizin der Zukunft. Die Stammzellinitiative am IMBA wird durch eine Förderung des Bundesministeriums für Wissenschaft sowie durch die Stadt Wien finanziert.www.imba.oeaw.ac.at

Die aktuelle Studie ist Resultat einer Forschungskollaboration zwischen IMBA, Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; Metabolic Phenotyping, Nestlé Research, EPFL Innovation Park; Estonian Genome Center, Institute of Genomics, University of Tartu; IMP, Institute of Molecular Pathology, Vienna; School of Pharmaceutical Sciences (Shenzhen), Sun Yat-sen University, China; Department of Molecular Neurosciences, Center for Brain Research, Medical University of Vienna; Department of Internal Medicine II, Innsbruck Medical University; Department of Laboratory Medicine, Medical University of Vienna; Division of Endocrinology and Metabolism, Department of Medicine III; Medical University of Vienna; Dr. John and Anne Chong Lab for Functional Genomics, University of Sydney; Program in Developmental & Stem Cell Biology, The Hospital for Sick Children, Toronto; Department of Molecular Genetics, University of Toronto; Division of Clinical Chemistry, Department of Laboratory Medicine, Karolinska Institute; Clinical Chemistry, Karolinska University Laboratory, Karolinska University Hospital; Institute of Animal Breeding and Genetics; University of Veterinary Medicine Vienna; Center for Epigenetics, Van Andel Research Institute; Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases; Charles Perkins Centre and School of Life and Environmental Sciences, University of Sydney; Section for Chemical Neurotransmission, Department of Neuroscience, Solna, Sweden; und dem Department of Medical Genetics, Life Science Institute, University of British Columbia, Vancouver; Canada.

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