Hisashi Tamaru, Gruppenleiter am Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat in Zusammenarbeit mit Robert L. Fischer und Daniel Zilberman von der University of California, Berkeley, USA, einen komplexen Regulationsprozess in der Keimzellentwicklung von Arabidopsis thaliana geklärt. Die lange ungelöste Frage war, wie sich Pflanzen im Zuge der Keimzellentwicklung vor Mutationen und Instabilität im Genom schützen. Tamaru und seine Kollegen untersuchten das haploide Genom der weiblichen und männlichen Gametophyten, die sich in einigen wenigen post-meiotischen Teilungen entwickeln und schließlich aus Ei- beziehungsweise Spermazelle und ihren jeweiligen vegetativen Begleitzellen bestehen. Die Keimzellen sind in diesem Prozess vor Mutationen ungewöhnlich gut geschützt. Des Rätsels Lösung sind, wie Tamaru und seine Kollegen beweisen konnten, eine Zellen übergreifende, korrespondierende Aktivierung- und Reaktivierung von Transposons im Gametophyten.
Transposons haben zwei Gesichter: Sie können als mobile DNA-Abschnitte das Genom stabilisieren, solange sie nicht durch enzymatische Prozesse daran gehindert werden. Positive Wirkung hingegen entfalten sie unter anderem bei der Chromosomen-Segregation während der Zellteilung. Für die Zelle gilt also, die Aktivität der Transposons sehr strikt zu regeln. Das geschieht über Methylierung und De-Methylierung der entscheidenden DNA-Abschnitte. De-Methylierung macht die DNA – egal ob Gen oder Transposon - zugänglich für den Ablesevorgang mittels RNA, Methylierung verhindert den Prozess. Das Ausmaß der Methylierung wird aber über die Zellteilung nur unvollständig an die Tochterzellen weitergegeben und muss daher über einen Reparaturmechanismus immer wieder nachgebessert werden. Besonders wichtig ist die Korrektur über eine Neu-Methylierung bei den Keimzellen, die ja das Leben an die nächste Generation weitergeben.
Tamaru und seine Kollegen quantifizierten nun die übernommene und die Neu-Methylierung in den vegetativen Zellen der Gametophyten. Sie fanden, dass die sogenannte DEMETER-DNA-Glycosylase die De-Methylierung tausender Transposons in den vegetativen Zellen der Gametophyten katalysiert. Wenn die Wissenschaftler das Enzym experimentell stilllegten, blieb zwar die Methylierung in allen Zellen weitgehend erhalten. Allerdings funktionierte in diesem Fall in Ei- und Spermazelle der Reparaturmechanismus durch die Neu-Methylierung von komplementären Transposons nur mehr ungenügend.
Diese Entdeckung hat mehrere faszinierende Aspekte: Erstens das Enzym DEMETER: Es vermittelt zwei gegensätzliche Prozesse, die Methylieriung und De-Methylierung von DNA, jeweils in zwei getrennten Zellen - aber sowohl im weiblichen als auch im männlichen Gametophyten. Und zweitens das Zusammenspiel zwischen den vegetativen und den Keimzellen im Gametophyten. Die Neu-Methylierung der DNA bedient sich spezieller regulierender RNA-Typen (small RNAs). „Daraus schließen wir, dass DNA-De-Methylierung und Aktivierung von Transposons in den Begleitzellen mobile Signale auslöst, nämlich die kleinen RNAs. Sie wandern in die Keimzellen ein und verhindern in einer Art „Immunisierung“ die Aktivierung der Transposons im Verlauf der Keimzellenentwicklung“, erklärt Tamaru die komplexen Zusammenhänge. Wie die Verhältnisse in tierischen Organismen ablaufen, bei denen die begleitenden Zellen fehlen, bleibt nach wie vor ungeklärt.
Über das GMI
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI, organisiert als GmbH, ist die einzige internationale Grundlagenforschungseinrichtung auf diesem Gebiet in Österreich. Die Forschung am GMI gilt primär den Grundlagen der Pflanzenbiologie und umfasst vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana ist die am meisten verwendete Versuchspflanze. Das GMI hat ca. 80 MitarbeiterInnen aus 22 verschiedenen Ländern. Die Umgangssprache ist Englisch. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, das im Januar 2006 fertig gestellt wurde. Dieses gehört zum Vienna Biocenter Campus (VBC), auf dem mehrere Forschungseinrichtungen sowie Biotechnologie-Firmen angesiedelt sind.