Artboard 11

GMI: Pflanzen-Spermien: Die Evolution begann vor 700 Millionen Jahren mit einer einzigen molekularen Veränderung - Forschungsergebnisse könnten langfristig die Welternährung sichern

Wie neue Zell-Typen entstehen, bleibt eine große Frage in der Biologie. Bei vielzelligen Organismen läuft die Reproduktion im Allgemeinen über kleine, bewegliche Spermien, die die großen unbeweglichen Eizellen befruchten. Die stark variierende Morphologie der Spermien wirft jedoch die Frage auf, ob dieser Zelltyp aus einem einzigen gemeinsamen Vorfahren entstanden ist, oder ob die Identität der Spermien durch mehrere Ereignisse in verschiedenen Gruppen von Organismen definiert wurde.

Nun haben die Forscher entdeckt, dass ein einziges molekulares Ereignis vor 700 Millionen Jahren für die Evolution der Spermien aller Landpflanzen verantwortlich war: Die gemeinsame Arbeit des Labors von Frederic Berger am Gregor Mendel Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Takashi-Araki-Labors an der Kyoto-Universität wurde heute, Dienstag, im Fachjournal Nature Communications publiziert.

„Wir wussten bereits durch unsere früheren Forschungsarbeiten, dass ein Protein namens DU01 die Entwicklung der nicht beweglichen Spermien in der Modellpflanze Arabidopsis kontrolliert. Wir fanden ähnliche DU01-Proteine in Moosen und im Lebermoos, die zu den ersten Landpflanzen gehören und bewegliche Spermien besitzen. Als wir die DU01-Gene in Lebermoosen stilllegten, waren die Pflanzen nicht mehr in der Lage Spermien zu bilden. Das beweist, dass seit der Entstehung der Landpflanzen DU01 die Differenzierung der Spermien kontrolliert”, so Tomokazu Kawashima, der das Projekt im Labor von Frederic Berger geleitet hat und mittlerweile als Assistenz-Professor an der Universität von Kentucky am College of Agriculture, Food and Environment tätig ist.

Die Forscher haben anschließend die biochemischen Eigenschaften von DU01 mit anderen nahe verwandten Proteinen verglichen. Dabei fanden sie heraus, dass eine kleine Veränderung im Protein es ermöglicht eine neue DNA-Sequenz zu binden, wodurch zusätzliche Gene reguliert werden. Diese Gene bilden ein Netzwerk zur Steuerung der Spermienentwicklung. Während DU01 weiterhin diese Netzwerke kontrolliert, haben sich diese dann noch selbst weiterentwickelt. So entstanden die unterschiedlichen Morphologien der Spermazellen der heutigen Landpflanzen.

Die Forscherteams beobachteten daraufhin die DU01-Proteine in anderen Vorfahren der Landpflanzen. Es wurde kein DU01 in den ältesten Algen, die auch keine Spermien bilden, gefunden. Im Gegensatz dazu fanden sie DU01 in Armleuchteralgen, die bewegliche Spermien haben. Die Armleuchteralgen entstanden vor 700 Millionen Jahren aus einem alten gemeinsamen Vorfahren aller Landpflanzen.

Frederic Berger: „Zusammengefasst zeigen diese Daten, dass ein einziges Ereignis  zu der Entwicklung der Diversität geführt hat, die wir heute bei Spermien aller Pflanzenarten sehen. Diese Arbeit gibt uns auch Auskunft über den Ursprung der sexuellen Fortpflanzung bei den Tieren, die ebenfalls sehr unterschiedliche Sperma-Morphologien aufweisen. Wir denken, dass diese Arbeit langfristig eine wichtige Basis ist, um die Pflanzenreproduktion zu steigern und so die Welternährung zu sichern, beispielsweise indem man männliche Sterilität bei Pflanzen steuert um neue Pflanzen zu züchten oder Saaten zu kreuzen.“

Higo A, Kawashima T, et al. (2018) MYB transcription factor neo-functionalization was associated with evolution of sperm differentiation in plants. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-018-07728-3

Über das GMI

Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 35 Ländern erforscht das GMI primär die Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Vienna BioCenter, gemeinsam mit mehreren Forschungsinstituten sowie Biotechnologie-Firmen.

Die inhaltliche Verantwortung für diesen Beitrag liegt ausschließlich beim Aussender. Beiträge können Vorhersagen enthalten, die auf Erwartungen an zukünftige Ereignisse beruhen, die zur Zeit der Erstellung des Beitrags in Aussicht standen. Bitte verlassen Sie sich nicht auf diese zukunftsgerichteten Aussagen.

Als Life Sciences Organisation mit Sitz in Wien möchten Sie, dass LISAvienna auf Ihre News und Events hinweist? Senden Sie uns einfach Ihre Beiträge an news(at)lisavienna.at.