GMI: Neue Rolle für Qualitätssicherungs-Mechanismus in Zellen

Genauso wie bei Menschen, müssen die Aktivitäten des Immunsystems bei Pflanzen wohldosiert sein. Ist es zu wenig präsent, haben Krankheitserreger leichtes Spiel, übertreibt es aber, wird der eigene Organismus durch eine Autoimmunreaktion geschädigt. Forscher des Gregor Mendel Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) fanden nun heraus, dass dies ein Mechanismus bewerkstelligt, dem bislang bloß die Qualitätssicherung in der Proteinherstellung zugeschrieben wurde (der sogenannte Nonsense-mediated mRNA Decay, kurz NMD). Erstmals konnte damit auch ein direktes Ziel des NMD-Mechanismus gefunden und erklärt werden, warum Organismen sterben, wenn er defekt ist, so GMI-Forscher Jiradet Gloggnitzer. Die Studie wird im renommierten Fachjournal „Cell Host & Microbe“ veröffentlicht.

Werden Gene vom Erbgut abgelesen und Proteine nach ihrer Anleitung hergestellt, geschieht dies nicht ohne Qualitätsstandards. Die Bauanleitungen (mRNAs) werden kontrolliert und zerstört, wenn sie Fehler enthalten. Dieser Mechanismus wird als Nonsense-mediated mRNA Decay (NMD) bezeichnet.  Damit können die Zellen vermeiden, dass sie defekte und möglicherweise schädliche Proteine herstellen. Ist der NMD-Mechanismus aber selbst fehlerhaft, führt dies bei hochentwickelten Organismen wie Mäusen, Fruchtfliegen und den von den GMI-Forschern untersuchten Ackerschmalwandpflanzen (Arabidopsis thaliana) zum Tod. Die genauen Ursachen dafür waren jedoch bislang unbekannt.
 
„Wir stellten fest, dass der NMD-Mechanismus auch vollkommen intakte mRNAs regulieren kann, darunter die Bauanleitungen für Immunrezeptoren, die für eine effiziente Antwort auf Krankheitserreger notwendig sind“, erklärte Jiradet Gloggnitzer, Postdoc in der Forschungsgruppe von Karel Riha am GMI. Dadurch wird die Menge dieser Immunrezeptoren, die mit den menschlichen Toll-like Immunrezeptoren verwandt sind, in gesunden Pflanzen niedrig gehalten, sagte er.
 
Gemeinsam mit seinen Kollegen konnte Gloggnitzer zeigen, dass eine Autoimmunreaktion ausgelöst wird, wenn der NMD-Mechanismus nicht funktioniert. „Für die Pflanzen ist dies fatal, sie stecken ihre ganze Energie in eine vollkommen unnötige Immunantwort und bleiben dadurch zwergwüchsig, ihre Blätter sterben ab, weil sie so die Ausbreitung von gar nicht vorhandenen Krankheitserregern zu verhindern versuchen, und letztendlich führt die Autoimmunreaktion sogar zu ihrem Tod“, so der Molekularbiologe.
 
Im Angesicht der Bedrohung von Bakterien nehmen es die Pflanzen jedoch in Kauf, diese Regulation auszuschalten und auf die Qualitätskontrolle ihrer Proteine zu verzichten, stellte Gloggnitzer überrascht fest. „Offensichtlich ist dies kurzfristig ein Vorteil, obwohl dadurch massenhaft defekte Proteine hergestellt werden“, sagte er. Bislang hatte man geglaubt, dass die fehlerhafte Proteinherstellung Grund für das Sterben der NMD-gestörten Organismen sei. „Die vielen defekten Proteine tragen jedoch im Gegensatz zu der Immunrezeptor-Überproduktion gar nicht dazu bei, erklärte der Wissenschafter.
 
Er konnte auch zeigen, wie wichtig das kurzfristige Abschalten des NMD-Mechanismus für die Pflanzen im Bedarfsfall ist. „Konnten ihn die Pflanzen in unseren Experimenten nicht drosseln, ging es ihnen bei einer Infektion mit Bakterien sehr schlecht, und sie konnten sich nicht angemessen wehren“, so Gloggnitzer.
 
„Wir konnten also zeigen, dass der NMD-Mechanismus die Menge der Immunrezeptoren ganz diffizil reguliert und damit die Balance zwischen einem gesunden Wachstum und einer angemessenen Immunantwort hält“, fasste er die Erkenntnisse der Studie zusammen. Man kannte zwar schon viele Auswirkungen von NMD-Störungen, doch bei den davon schwer geschädigten Organismen war es bislang nicht feststellbar, ob sie eine unmittelbare Konsequenz davon oder nur Spätfolgen sind. Die GMI-Forscher konnten nun als Erste einen biologischen Prozess identifizieren, der direkt durch Nonsense-mediated mRNA Decay gesteuert wird. +++
 
Über Jiradet Gloggnitzer und Karel Riha
Forschungsgruppe: https://www.gmi.oeaw.ac.at/research-groups/karel-riha/
Lebenslauf: https://www.gmi.oeaw.ac.at/research-groups/karel-riha/profile/
Publikationen: https://www.gmi.oeaw.ac.at/research-groups/karel-riha/publications/
 
Publikation

Gloggnitzer et al., Nonsense-Mediated mRNA Decay Modulates Immune Receptor Levels to Regulate Plant Antibacterial Defense, Cell Host & Microbe (2014), http://dx.doi.org/10.1016/j.chom.2014.08.010
 
Über das Gregor Mendel Institut
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das Gregor Mendel Institut ist die einzige internationale Grundlagenforschungseinrichtung auf diesem Gebiet in Österreich. Die Forschung am Gregor Mendel Institut gilt primär den Grundlagen der Pflanzenbiologie und umfasst vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das Gregor Mendel Institut beschäftigt rund 100 MitarbeiterInnen aus 25 Ländern, sein hochmodernes Laborgebäude befindet sich direkt auf dem Campus des Vienna Biocenter.
http://www.gmi.oeaw.ac.at/

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