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FOPI: ExpertInnen-Diskussion zur Bedeutung klinischer Forschung: Zugang zu innovativen Therapien in Gefahr?

Die Bedeutung klinischer Studien ist vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie in aller Munde. Doch wie steht es um die klinische Forschung in Österreich? Welche Rolle kann Österreich in der klinischen Forschung rund um COVID-19 spielen? Und welchen Wert hat klinische Forschung für die Allgemeinheit? Diese Fragen wurden gestern bei einem digitalen ExpertInnen-Event von GPmed, Medizinische Universität Wien und FOPI diskutiert.

Nach zwei Impulsreferaten von Prof. Dr. Josef Penninger, Leiter des Life Sciences Institute an der University of British Columbia, Entwickler des COVID-19-Wirkstoffs APN01 gemeinsam mit APEIRON Biologics, und Dr. Alexander Dörr, Medical Director Europe South, AbbVie, widmete sich eine ExpertInnen-Runde den Fragen. Markante Aussagen daraus:

„Österreich hat sich im Forschungsbereich sehr gut entwickelt. Aber wir sollten aufhören zu glauben, wir wären überall Weltklasse. Sinnvoller wäre es, sich auf einige wenige Schwerpunkte konzentrieren. Weniger Gießkanne, mehr Leuchttürme. COVID-19 wäre eine Gelegenheit. Und noch etwas: Der Vergleich mit Nordamerika zeigt mir: Förderung der Forschung bzw. der Universitäten sollte Aufgabe des Staates sein.“
Prof. Dr. Josef Penninger, Leiter des Life Sciences Institute an der University of British Columbia

„Hinter jeder Arzneimittel-Innovation steht ein riesiges, kostenintensives Forschungsprojekt. Klinische Studien bieten für MedizinerInnen in einem Land die Möglichkeit, an der Speerspitze der Medizin zu forschen und sich in internationalen Teams zu vernetzen. Zugleich können sie wichtige Erfahrungen mit neuen Wirkmechanismen sammeln. Menschen mit Erkrankungen haben durch klinische Studien früh Zugang zu innovativen Arzneimitteln. Diese Möglichkeiten sind für manche Menschen die letzte Therapieoption, weil alle am Markt befindlichen Arzneimittel bereits eingesetzt wurden und nicht helfen. Klinische Studien sind somit für die Reputation des medizinischen Standorts eines Landes enorm wichtig.”
Dr. Alexander Dörr, Medical Director Europe South, Western Europe & Canada, AbbVie

„Patientinnen und Patienten sind in Österreich durchaus interessiert, an klinischen Studien teilzunehmen. Das Vertrauen in die Forschung ist da. Aber es braucht eine gezielte öffentliche Förderung der Forschung. COVID-19 hat eindrücklich gezeigt, dass Forschung ein öffentliches Interesse sein muss. Wir wollen ja eine unabhängige Forschung. Das sollte uns eine Lehre sein.”
Dr.in Sigrid Pilz, Wiener Pflege-, Patientinnen- & Patientenanwältin

„Rufen wir nicht nur nach Geld, sondern auch nach Transparenz. Denn die ist nötig fürs Vertrauen. Wir sollten auch jene Studien zu Gesicht bekommen, die ins Leere gehen oder weniger gute Ergebnisse bringen.“
Dr.in Sigrid Pilz, Wiener Pflege-, Patientinnen- & Patientenanwältin

„Die Qualität der klinischen Studien kann nicht oft genug betont werden: Dass Studien teurer und aufwändiger geworden sind, liegt an den Regularien, die unverzichtbar sind. Wir brauchen die großen, soliden klinischen Studien. Denn es geht um die Patientensicherheit.”
Univ.-Prof. Dr. Josef Smolle, Abgeordneter zum Nationalrat, Universitätsprofessor, Rektor der Medizinischen Universität Graz a.D.

„Als Behörde versuchen wir, so serviceorientiert und schnell wie möglich zu agieren sowie die ForscherInnen so gut es geht zu unterstützen. Aber die Sicherheit geht dennoch vor. Und all die Regularien dienen genau dafür. Da ist nichts unnötig. Da ist auch nichts einzusparen. Deshalb muss man auch sagen: Ohne Geld geht’s nicht. Denn die großen und nötigen Zulassungsstudien kosten enorm viel Geld.“
Dr. Stefan Strasser, Abteilungsleiter Klinische Prüfung BASG/AGES

„Wir haben in Österreich extrem viel Know-how und gut ausgestattete Universitäten mit gut ausgebildeten Leuten. Außerdem verfügen wir über viele SpezialistInnen, was bedeutet, dass wir dort punkten können, wo es um sehr spezifische Fragestellungen geht. Wo wir aber Nachholbedarf haben, ist bei den Netzwerken.”
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien

„Wir haben in Österreich sehr spezialisierte Zentren, sind also durchaus erfolgreich, und wir haben als Pharmaunternehmen gute Erfahrungen gemacht. Aber wir sehen leider Rückgange bei klinischen Studien - etwa gemessen an den Anträgen. Österreich sollte sich deshalb mehr vernetzen und mehr für sich werben. Außerdem halte ich es für wichtig, die Tür zur Nutzung von Patientendaten zu öffnen – wohlgemerkt von anonymisierten Patientendaten. Da verliert Österreich den Anschluss.”
Priv.-Doz. Dr. Johannes Pleiner-Duxneuner, Präsident der GPmed

„Wir haben einen ungeheuren Schatz an Daten, aber verteilt – in Spitälern, in Praxen usw. Es gilt, diesen Schatz zu heben – natürlich unter Wahrung des Personenschutzes. Forschung würde rascher und besser werden.“
Univ.-Prof. Dr. Josef Smolle, Abgeordneter zum Nationalrat, Universitätsprofessor, Rektor der Medizinischen Universität Graz a.D.

„Nicht zuletzt muss man auch in die Kommunikation der Forschung investieren. Gerade in den letzten Monaten haben wir erfahren, dass Forschung erklärt werden muss, damit die breite Bevölkerung die Zusammenhänge versteht. Es wäre doch eine Idee, von den jüngst diskutierten Regierungsbudgets für Kommunikation etwas dafür zu widmen.“
Mag. Thomas Haslinger, Generalsekretär des FOPI (bis 26. November 2020)

FOPI-Vizepräsident Dipl. Kfm. Wolfgang Kaps, der aus privaten Gründen kurzfristig verhindert war, meint grundsätzlich zum Thema: „Klinische Forschung hat nachweisbar hohen Nutzen. PatientInnen erhalten früheren Zugang zu innovativen Therapien. PatientInnen bekommen eine besonders engmaschige Betreuung durch die Studien-ÄrztInnen und Study-Nurses. Und zum Teil ist sogar eine höhere Lebenserwartung für PatientInnen nachweisbar, die im Rahmen klinischer Studien betreut werden. Eine Erhebung der ABCSG hat etwa nachgewiesen, dass Brustkrebs-Patientinnen in einer klinischen Studie eine Überlebensrate (Overall Survival) von fast 70 % haben, während das Overall Survival bei Frauen ohne Studienteilnahme deutlich unter 60 % liegt. Außerdem bewirken klinische Studien Einsparungen im Gesundheitssystem, u.a. durch kostenlose Studienmedikation. Das entspricht immerhin einem Wert von 100 Mio. EUR pro Jahr. Trotzdem ist die Zahl klinischer Studien rückläufig. Zuletzt hat sich die Zahl der laufenden Studien von 498 in 2014 auf 455 in 2018 reduziert. Das spricht eine deutliche Sprache und wirft die Frage nach forschungs- bzw. innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen auf.“

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