FH Technikum: Mundmaus oder Eyetracking: FH Technikum Wien entwickelt neue Steuerungstechnologien für Menschen mit Beeinträchtigungen

Institut für Embedded Systems setzt Forschungsschwerpunkt auf Assistive Technologies für Menschen mit Behinderungen und ältere PersonenFH-eigenes Forschungslabor zur Entwicklung von individuell angepassten User InterfacesLeichter Wohnen im Alter: Wegweisende Basisforschung für Smart-Home-TechnologienDie FH Technikum Wien, die größte rein technische Fachhochschule in Österreich, verstärkt ihre Forschungsaktivitäten im Bereich der Assistive Technologies (AT). Als AT bezeichnet man technische Lösungen, die mehr Lebensqualität und Komfort für Menschen mit starken motorischen Beeinträchtigungen in ihrem persönlichen Wohnumfeld schaffen.

Mehr als 2,6 Millionen Menschen in Europa sind in der Bewegung ihrer oberen Extremitäten eingeschränkt. Die motorischen Fähigkeiten sind oft sehr unterschiedlich und können sich im Laufe der Zeit verändern. Daher sind individuelle Lösungen notwendig, um ihnen uneingeschränkten Zugang zur modernen Welt zu ermöglichen. "Bei unserer Forschung an Assistive Technologies verfolgen wir das Ziel, die Restmotorik von körperlich stark behinderten Personen zu messen und diese für die Bedienung von Computern oder Alltagsgegenständen nutzbar zu machen", fasst FH-Prof. DI Peter Balog, Leiter des Instituts für Embedded Systems an der FH Technikum Wien, zusammen. Neben der Steuerung durch Muskeln konzentriert sich die Forschung der Fachhochschule zunehmend auf Steuerung durch Sprache, Auswertung bioelektrischer Signale sowie kameragestützte Verfahren. In Zukunft werden vor allem kamerabasierte Technologien dank immer besserer Rechenleistungen an Bedeutung gewinnen. Diese übernehmen entweder selbst das "Sehen" oder registrieren die Augenbewegungen der Personen (Eyetracking) und führen entsprechende Befehle aus. Damit sollen Computer ebenso wie Mobiltelefone, Haushaltselektronik oder auch selbstfahrende Rollstühle gesteuert werden können.

FH-eigenes Forschungslabor Embedded ArT
Im Rahmen eines EU-Projektes mit neun Partnern war ein Forschungsteam der FH unter der Leitung von AT-Experte DI Christoph Veigl an der Entwicklung der Open-Source-Plattform "AsTeRICS" (Assistive Technology Rapid Integration and Construction Set) beteiligt. Die Plattform hatte das Ziel, eine flexible Lösung für die effiziente Erstellung alternativer Mensch-Maschine-Schnittstellen (Human Computer Interfaces) zu erarbeiten. Dieses Baukastensystem erleichtert es nun, für jeden einzelnen Patienten preisgünstige, personalisierte Lösungen zu finden und diese leicht miteinander kombinieren zu können. Dafür hat die FH ein eigenes Forschungslabor zur Entwicklung von individuell angepassten User Interfaces eingerichtet.

Mundmaus: Steuerung durch Lippenbewegung
Ein Beispiel ist die Entwicklung einer "Mundmaus" in der FH Technikum Wien für eine Patientin mit Quadriplegie, einer Lähmung des gesamten Körpers ab dem zweiten Halswirbel abwärts. "Nachdem die Patientin nur den Kopf bewegen kann, machten wir uns die Beweglichkeit der Lippen zunutze und entwickelten eine Maus, mit der sie ihren Computer autonom bedienen kann, insbesondere E-Mail-Programm, Web-Browser, Videotelefonie und bestimmte Spieleanwendungen." Das Gerät ist an einem Gelenkarm am Tisch montiert und wird mit einem 10 cm langen Mundstück bedient.

Barrierefreies Bedienen mit Blasen, Saugen oder Sprechen
In einem weiteren Anwendungsfall bedient ein Patient mit fortgeschrittener Muskeldystrophie (Muskelschwund) mit der Mundmaus seinen Fernseher und die HiFi-Anlage, die über Infrarot-Schnittstellen mit einem Bedienbildschirm verbunden sind. Die Bewegung des Maus-Cursors erfolgt durch minimale Mundbewegungen, die Maus-Klicks durch Saugen und Blasen am Mundstück. "Der User gewinnt dadurch ein hohes Maß an Autonomie in seinem Alltag", so Veigl, Projektleiter der AsTeRICS-Academy, ein durch die Stadt Wien gefördertes Internationalisierungs-Projekt. Die Kombination mehrerer solcher Sensorsysteme und perfekt aufeinander abgestimmter Bedienelemente ermöglicht dem Patienten sogar die zentimetergenaue Steuerung eines Modellhubschraubers.

Leichter Wohnen im Alter: Smart Homes, Domotics und selbstfahrende Rollstühle
In Zukunft werden deutlich mehr ältere Menschen alleine oder betreut in ihren eigenen Wohnung leben. Um diesen ein sicheres und komfortables Wohnen zu ermöglichen, wird intensiv an smarten "Ambient Assisted Living"-Technologien (AAL) geforscht, also Einrichtungen, die den Alltag erleichtern. DI Friedrich Praus, Experte für Smart-Home-Lösungen, entwirft im Rahmen der von der Stadt Wien geförderten Stiftungsprofessur für Ambient Assistive Technologies Konzepte für den praktischen Einsatz von elektronischen Lösungen im Wohnumfeld. Derzeit ist das Institut für Embedded Systems der FH Technikum Wien in die technologische Umsetzung einer AAL-Modellregion im Burgenland eingebunden. Erstmals wurden hier unter der Projektkoordination des Austrian Institute of Technology (AIT) und gemeinsam mit dem Samariterbund Burgenland 50 betreute Wohneinheiten mit smarten Technologien ausgerüstet, die sich im Alltag beweisen müssen. Diese reichen von einfachen Anwendungen wie Essen bestellen oder Skypen mittels intuitiv bedienbare Tabletcomputer bis zur Steuerung von Licht, Heizung, Jalousien. Der geistige und körperliche Aufwand soll für die Bewohner in dem benefit-Projekt "moduLAAr" durch die weitgehende Integration der Systeme auf ein Minimum reduziert werden.

"Die Herausforderung der Zukunft wird die Benutzerfreundlichkeit
der Technologien sein, um die Akzeptanz zu erhöhen", ist Praus überzeugt. "Unsere Forschung arbeitet bereits an Domotics-Lösungen in Form von Heimautomation und Servicerobotik, die einfache Pflegedienste übernehmen können. Sie können zum Beispiel zur richtigen Zeit Medikamente und ein Glas Wasser bringen." Ein weiteres Forschungsprojekt der FH Technikum Wien betrifft eMobilität innerhalb von Wohnungen. In etwa 2 bis 3 Jahren rechnet Balog mit selbstfahrenden Rollstühlen, die weitgehend autonom den Weg durch eine Wohnung finden. "Hierfür sind unter anderem absolut zuverlässige Systeme und eine hochentwickelte Indoor-Navigation notwendig." Für die Entwicklung des smarten Rollstuhls kann das Institut für Embedded Systems auf langjähriges Know-how in elektrischen Systemen für die Automotive Industrie aufbauen. "Wir arbeiten mit Computern, die sehen lernen und auf ihre Umwelt entsprechend reagieren können."

Forschung an der FH Technikum Wien
Die Fachhochschule Technikum Wien betreibt derzeit Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 3,3 Millionen Euro. Fördermittel machen derzeit über 65 % vom Gesamtvolumen aus. Das Forschungsvolumen hat sich in den vergangenen fünf Jahren zwischen 2008/09 und 2011/12 von 1,7 auf 3,3 Millionen Euro fast verdoppelt. Gemessen an der jährlichen Umsatzentwicklung gehört die FH Technikum Wien im Bereich F&E zu den Top 5 der österreichischen Fachhochschulen. Die geförderten Forschungsaktivitäten der FH Technikum Wien konzentrieren sich verstärkt auf die vier Schwerpunkte eHealth, Embedded Systems, Erneuerbare Energie und Tissue Engineering.An der FH Technikum Wien stellt F&E rund um Embedded Systems seit 2003 mit 23 öffentlich geförderten Projekten (FFG, EU, MA23) und zahlreichen Industrieprojekten das derzeit größte Forschungsgebiet dar. Überdies widmet sich das 2013 gegründete Josef Ressel Zentrum für Verifikation von eingebetteten Computersystemen in Kooperation mit Firmenpartnern (Bluetechnix GmbH, Infineon Austria AG, Kapsch TrafficCom, Loytec electronics GmbH, Siemens AG) aktuellen Fragestellungen rund um die Zuverlässigkeit von elektronischen Systemen. Intensive wissenschaftlicerhe Publikationstätigkeit sowie Beiträge im Rahmen nationaler und internationaler Konferenzen und Gremien runden die Aktivitäten der Mitarbeiter des Instituts ab. www.technikum-wien.at/forschung

Pressefotos finden Sie auf der Website der FH Technikum Wien unter http://www.technikum-wien.at/presse.

Fachhochschule Technikum Wien
Mit bisher rund 6.800 AbsolventInnen und etwa 3.300 Studierenden
ist die Fachhochschule Technikum Wien Österreichs größte rein technische FH. Das Studienangebot umfasst aktuell 12 Bachelor- und 17 Master-Studiengänge, die in Vollzeit, berufsbegleitend und/oder als Fernstudium angeboten werden. Der Bereich Forschung & Entwicklung an der FH Technikum Wien ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und konzentriert sich aktuell auf vier Schwerpunkte: eHealth, Embedded Systems, Erneuerbare Energie und Tissue Engineering. Die FH Technikum Wien wurde 1994 gegründet und erhielt im Jahr 2000 als erste Wiener Einrichtung Fachhochschulstatus. Seit 2012 ist sie Mitglied der European University Association (EUA). Sie ist ein Netzwerkpartner des FEEI - Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie.
www.technikum-wien.at

Glossar (Quelle: Wikipedia)
Embedded Systems
Der Ausdruck eingebettetes System (Embedded System) bezeichnet
einen elektronischen Rechner oder auch Computer, der in einen technischen Kontext eingebunden (eingebettet) ist. Dabei übernimmt der Rechner entweder Überwachungs-, Steuerungs- oder Regelfunktionen oder ist für eine Form der Daten- bzw. Signalverarbeitung zuständig, beispielsweise beim Ver- bzw. Entschlüsseln, Codieren bzw. Decodieren oder Filtern. Eingebettete Systeme verrichten - weitestgehend unsichtbar für den Benutzer - den Dienst in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen und Geräten, beispielsweise in Geräten der Medizintechnik, Waschmaschinen, Flugzeugen, Kraftfahrzeugen, Kühlschränken, Fernsehern, DVD-Playern, Set-Top-Boxen, Routern, Mobiltelefonen oder allgemein in Geräten der Unterhaltungselektronik. Im Fall von komplexen Gesamtsystemen handelt es sich dabei meist um eine Vernetzung einer Vielzahl von ansonsten autonomen, eingebetteten Systemen (z. B. im Fahrzeug oder Flugzeug).

Ambient Assisted Living
Ambient Assisted Living (AAL, Altersgerechte Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben) umfasst Methoden, Konzepte, (elektronische) Systeme, Produkte sowie Dienstleistungen, welche das alltägliche Leben älterer und auch benachteiligter Menschen situationsabhängig und unaufdringlich unterstützen. Die verwendeten Techniken und Technologien sind nutzerzentriert, also auf den Menschen ausgerichtet und integrieren sich in dessen direktes Lebensumfeld. Die Technik passt sich folgerichtig an die Bedürfnisse des Nutzers an und nicht umgekehrt. Um Kontextinformationen zu teilen, können Technologien im AAL-Umfeld sinnvollerweise modular und vernetzbar aufgebaut sein, um ein pseudointelligentes Verhalten aufzuweisen. Diese Eigenschaft ist jedoch nicht zwingend erforderlich.

Human Computer Interface (HCI)
Die Mensch-Computer-Interaktion (englisch Human-computer interaction;HCI) als Teilgebiet der Informatik beschäftigt sich mit der benutzergerechten Gestaltung von interaktiven Systemen und ihren Mensch-Maschine-Schnittstellen. Dabei werden neben Erkenntnissen der Informatik auch solche aus der Psychologie (vor allem der Medienpsychologie), der Arbeitswissenschaft, der Kognitionswissenschaft, der Ergonomie, der Soziologie und dem Design herangezogen.

Domotics
Dieses Kunstwort setzt sich aus Domus (Heim) und Robotics
zusammen, bedeutet also wortgetreu "Heimrobotik". Der Begriff Domotics wird aber heutzutage häufig für Heimautomation (home automation) bzw. ganz allgemein Smart Homes verwendet. Haus- oder Heimautomation ist der Teilbereich der Gebäudeautomation, der auf die Gegebenheiten privater Wohnhäuser und die speziellen Bedürfnissen seiner Bewohner ausgerichtet ist. Während bei der Automatisierung von öffentlichen Gebäuden, Industriegebäuden usw. die damit erzielbaren Energie- und Personaleinsparungen im Vordergrund stehen, sind dies bei der Hausautomation der erhöhte Wohnkomfort, die Sicherheit der Bewohner und die Möglichkeit, mehrere Wohnsitze überwachen zu können.
Hauptunterschied zur allgemeinen Gebäudeautomation ist die besondere Wichtigkeit einer komfortablen Benutzerschnittstelle (Visualisierung). Häufig gibt es bei der Hausautomatisierung Funktionen, die bei der Gebäudeautomatisierung - wenn überhaupt - nur eine untergeordnete Rolle spielen (z.B. Unterhaltungsprogramme, automatische Pflanzenbewässerung oder Haustierfütterung, Beleuchtungsprogramme für Partys usw.)

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