Die Verbreitung der Adipositas hat sich zwischen 1980 und 2008 verdoppelt und verursacht weltweit der Gesellschaft dieselben Kosten wie das Rauchen oder Waffengewalt, Krieg und Terrorismus. Insbesondere das Auftreten von Diabetes Typ 2, der Krankheit, die am ehesten mit Adipositas in Verbindung gebracht wird, überfordert die Gesundheitssysteme, so Professor Nicholas Finer, ehrenamtlicher Konsulent für Endokrinologie und Spezialist für Bariatrie am University College London Hospital.
„Bereits 5 Prozent der Weltbevölkerung sind mittlerweile an Typ 2 Diabetes erkrankt und besonders gefährlich ist auch, dass die Erkrankung oft bereits ab dem zwanzigsten Lebensjahr auftritt. Das bedeutet wiederum, dass durch das jahrzehntelange Leben mit Diabetes die Wahrscheinlichkeit für gravierende Folgeerkrankungen sehr groß ist und die damit verbunden Kosten enorm sind“, so Finer.
Eine grundlegende Rolle schreibt er auch der genetischen Vorbelastung zu, wenn man davon ausgeht, dass diese bei 60% der Adipositas Fälle von Bedeutung ist.
„Obwohl ich nicht denke, dass es möglich ist, alle Gene zu erfassen, haben wir doch rund 100 Gene identifiziert, die einen Einfluss auf die Adipositas Entwicklung haben können. Wenn man 20 bis 30 dieser Variablen in seinen Genen hat, dann ist es wahrscheinlich, dass man einen Body Mass Index hat, der 4 bis 5 Einheiten höher ist, als bei einer Person ohne diese“, so Finer.
Viel verspricht sich Finer von der Beurteilung von relevanten Phänotypen, um Krankheiten, die in Verbindung zur Adipositas stehen, zu verhindern, ein Bereich in welchem die medizinische Bildgebung einen wichtigen Beitrag leisten kann. Ultraschall ist zum Beispiel äußerst hilfreich bei der Feststellung der Arterienwanddicke der Halsschlagader, einer wichtigen Komponente bei der Vorbeugung und Behandlung von Schlaganfällen.
Eine kürzlich erschienene Studie hat gezeigt, dass PatientInnen, die im Erwachsenenalter ihren BMI um eine Stufe verringert haben, eine geringe Arterienwanddicke aufweisen konnten, selbst wenn der Gewichtsverlust nicht gehalten werden konnte.
„Das ist ein sehr interessantes Ergebnis. Wir wissen bereits, dass übergewichtige Personen, die an Gewicht verlieren, eine niedrigere Wahrscheinlichkeit haben, an Diabetes Typ 2 zu erkranken und es gibt darüber hinaus Hinweise, dass dieser positive Einfluss auch eintritt, wenn der Gewichtsverlust nicht gehalten wird“, so Finer.
Die medizinische Bildgebung bietet darüber hinaus exakte Möglichkeiten zur Bestimmung des Körperfettanteils, die nicht wie der BMI auf Kalkulationen unter Zuhilfenahme von Körpergröße und Gewicht basieren, und auch bestimmen können, wo das Fett lokalisiert ist. Insbesondere bei der Fettverteilung rund um die Taille ist eine Unterscheidung wichtig, da Bauchfett wesentlich schädlicher ist als jenes an den Hüften oder Oberschenkeln.
Eine der besten Methoden hierfür ist die Magnetresonanztomografie, die sich allerdings auf Grund der langen Untersuchungszeit, der nicht flächendeckenden Verfügbarkeit und der Tatsache, dass Standardgeräte nicht für sehr stark übergewichtige PatientInnen geeignet sind, nicht als Primärmethode einsetzen lässt.
Eine Methode die hier besser geeignet ist, ist die Doppelröntgenabsorptiometrie, bei welcher zwei Aufnahmen mit unterschiedlicher Röntgenenergie gemacht werden und der Anteil des Weichteilgewebes an der Röntgenabsorption subtrahiert werden kann. Eine Indikation für die Feststellung des Körperfettes und dessen Verteilung mittels bildgebender Methoden ist die sarkopenische Adipositas, die den mit fortschreitendem Alter zunehmenden Muskelabbau bei gleichzeitigem Übergewicht und die damit einhergehenden funktionellen Einschränkungen bei älteren Menschen beschreibt. Hierbei muss überwacht werden, dass es durch den angestrebten Gewichtsverlust nicht auch zeitgleich zu einer Verstärkung des Muskelabbaus kommt.
Minimal-invasive radiologische Methoden als Zukunftshoffnung
Die Interventionelle Radiologie ist ein Gebiet, welches interessante Optionen für die Zukunft bietet, um Adipositas zu behandeln. Insbesondere die Bariatric Arterial Embolisation (BAE), bei welcher minimal-invasiv Blutgefäße zum Magen hin blockiert werden um Hungersignale des Körpers zu unterdrücken, erweist sich bisher als vielversprechend.
Die bisher erfolgreichste Methode gegen Adipositas ist die bariatrische Chirurgie, welche bewiesenermaßen zu einer signifikanten Gewichtsreduktion führt. Ein Großteil dieses Effekts wird den hormonellen Veränderungen zugeschrieben, die sich unmittelbar nach der Operation einstellen. Interventionelle Radiologen an der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, arbeiten an einer Möglichkeit, diese hormonellen Veränderungen auch mittels einer minimal-invasiven BAE bewerkstelligen zu können.
Bariatrische Chirurgie umgeht oder entfernt den Fundus des Magens, in welchem das meiste Ghrelin produziert wird, ein Hormon, welches unter anderem appetitanregend wirkt. Nach der Operation fällt das Ghrelin Level und das jener Hormone, die ein Völlegefühl erzeugen, steigt und der Patient verspürt weniger Hunger.
„Mit der Bariatric Arterial Embolisation versuchen wir, diesen Effekt mit einer minimal-invasiven Technik nachzuahmen. Wir haben festgestellt, dass wir auf Grund der Lage der Ghrelin produzierenden Zellen und der spezifischen vaskulären Versorgung des Magens, den Effekt nachahmen können, wenn wir bestimmte Blutgefäße blockieren“, so Dr. Clifford Weiss, Direktor für Interventionelle Radiologische Forschung an der Johns Hopkins University.
Obwohl BAE noch nicht für den klinischen Einsatz zur Verfügung steht, ist Weiss überzeugt, dass die Methode ein wichtiges zukünftiges Werkzeug zur Behandlung von Adipositas werden kann.
Prof. Nicholas Finer und Dr. Clifford Weiss sind Vortragende in einer Session über Bildgebung bei Adipositas am Donnerstag, 3. März, um 16:00 am ECR. Professor Finer wird außerdem in der Eröffnungspressekonferenz des ECR am Mittwoch, 2. März, 09:30–11:00 im Austria Center Vienna sprechen.
Ab 2. März tagen in Wien über 20.000 Radiologen
Beim 28. Europäischen Radiologenkongress (European Congress of Radiology/ECR) vom 2. bis 6. März 2016 im Austria Center in Wien werden auch heuer wieder Spezialisten aus dem Bereich der medizinischen Bildgebung ihr Fachwissen auf den verschiedensten Gebieten austauschen, und die neuesten Erkenntnisse der Forschung präsentieren.
Der ECR ist die Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Radiologie (European Society of Radiology/ESR), welche weltweit über 63.600 Radiologen vertritt. Mit mehr als 20.000 Teilnehmern aus der ganzen Welt ist der ECR einer der größten medizinischen Kongresse weltweit; zusätzlich bietet er eine der größten Industrieausstellung in Europa, bei der auf über 26.000 m² mehr als 300 internationale Firmen die neuesten Produkte der Medizintechnik vorstellen.