Ein Konsortium bestehend aus drei österreichischen Universitäten hat ihre Expertise und Infrastruktur bereitgestellt und in kürzester Zeit einen Test für den Nachweis von SARS CoV-2 Antikörpern entwickelt.
Im Grünen Salon: von links Rektor Hubert Hasenauer, Reingard Grabherr, Florian Krammer (per Videozuschaltung), Miriam Klausberger, Christoph Binder und Wilhelm Gerner. (c) BOKU Medienstelle/Christoph Gruber
Um SARS-CoV-2 zu bekämpfen und gezieltere Maßnahmen einzusetzen, ist ein Immuntest unerlässlich. Ende März begann ein Konsortium bestehend aus drei österreichischen Universitäten – BOKU, Vetmeduni Vienna und MedUni Wien - mit der Entwicklung eines serologischen Tests, der einen spezifischen und sensitiven Nachweis von SARS CoV-2 Antikörpern im Blut erlaubt. Mit diesem Test kann nachgewiesen werden, ob jemand die Erkrankung bereits durchgemacht hat, unabhängig davon ob Krankheitssymptome vorlagen oder nicht. Damit kann nun sicher und effizient nachgewiesen werden, wie weit sich SARS CoV-2 in der Bevölkerung ausgebreitet hat. Dies ist eine wichtige Information, um Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen COVID-19 in der Zukunft besser planen zu können.
Umsetzung in Rekordzeit
Innerhalb von nur acht Wochen ist es diesem Forschungsteam gelungen, ein Testsystem zu entwickeln, das nicht nur qualitativ hochwertig ist, sondern auch keine speziellen, vollautomatische Analysegeräte erfordert und so auch in kleinen Labors angewendet werden kann. Mit der Auslieferung der ersten Chargen Anfang Juni an die diagnostischen Partnerinstitute rückt der Test nun einen Schritt näher in Richtung CE Zertifizierung entsprechend den europäischen und österreichischen Regularien.
"Es freut mich, dass wir an der Universität für Bodenkultur Wien innerhalb kürzester Zeit einen Antikörpertest entwickeln haben und nun zur Verfügung stellen können", so BOKU-Rektor Hubert Hasenauer. "Die BOKU hat damit gezeigt, dass sie einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Biotechnologie leistet.“
Die Universität für Bodenkultur Wien steht in engem Kontakt mit dem Virologen und BOKU-Absolventen Florian Krammer, der für den von ihm entwickelten ersten nicht-kommerzielle Antikörpertest die Emergency Use- Zulassung der US-Arzneimittelbehörde FDA erhalten hat und ihn bereits an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York einsetzt. „Wenn man sich mit einem Virus infiziert, erhält man eine adaptive Immunantwort. Ein serologischer Test versucht, die spezifischen Antikörper dieser Immunantwort zu detektieren. Wir haben Anfang Jänner, als das neue Virus SARS CoV-2 in China aufgetreten ist und die Genomsequenz bekannt wurde, begonnen, Proteine herzustellen, mit denen man diese Tests durchführen kann. Eine sich daraus ergebende Therapiemöglichkeit, die in China entwickelt worden ist, ist die Plasmatherapie. Mit Hilfe des Tests können Personen identifiziert werden, die schon wieder gesundet sind und eine starke Immunantwort entwickelt haben. Das Serum dieser Personen kann in Patienten mit schweren Symptomen transferiert werden. Mittlerweile haben wir mehr als 350 Patienten mit Plasma behandelt – und es war das erste Mal, dass sich das positiv auf die Erkrankung ausgewirkt hat. Es gibt aber auch andere Anwendungen für einen serologischen Test. Man kann damit herausfinden, wie viele Leute in der Bevölkerung wirklich infiziert waren. Man kann damit auch versuchen zu verstehen, wie sich die Immunantwort entwickelt und wie lange eine Imunantwort vorhält. Was wir derzeit versuchen herauszufinden, ist, wieviel von diesen Antikörpern gebildet werden müssen, sodass man vor einer Wiederinfektion geschützt ist“, so Krammer.
Proteine für österreichweite Antikörpertests
„Wir haben dieses Testkonzept etwas modifiziert und an unsere Expressionssysteme adaptiert“, so Reingard Grabherr, Leiterin des Departments für Biotechnologie an der BOKU. Die Antigene sind Teile von Virusproteinen, die von den Antikörpern der Patienten erkannt werden. „Wir können die beiden Antigene, auf die wir uns im Konsortium geeinigt haben, nun in Bakterien bzw. in humanen Zelllinien im Labor in ausreichenden Mengen herstellen. Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass die Testergebnisse im Gegensatz zu den bereits am Markt befindlichen Tests wesentlich genauer sind. Es gibt also weniger fasch positive bzw. falsch negative Resultate“, so Grabherr.
"Wir haben die an unsrem BOKU-Standort verfügbaren breit gefächterte Expertisen im Bereich der Proteinexpression, -aufreinigung und -charakterisierung gebündelt, um hier für den Test nachhaltig und reproduzierbar qualitativ-hochwertige Antigene bereitstellen zu können“, betont Miriam Klausberger, die Koordinatorin des Projektes an der BOKU ist.
Dank Unterstützung des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) haben sich die Vetmeduni Vienna und MedUni Wien mit der BOKU zu einem Konsortium zusammengeschlossen. An der Vetmeduni Vienna arbeiten derzeit Forscher an der Etablierung eines ELISA-Tests, der auch in normalen medizinisch-diagnostischen Labors mit standardmäßiger Ausstattung gemacht werden kann. „In der Veterinärmedizin ist die Entwicklung von neuen Testsystemen aufgrund der Vielzahl an Tierarten und neu auftretenden Erkrankungen eine immer wiederkehrende Aufgabe. Unser Team konnte somit in kürzester Zeit den serologischen Test aufbauen und in enger Zusammenarbeit mit den ForscherInnnen der BOKU optimieren“, so Wilhelm Gerner vom Institut für Immunologie an der Veterinärmedizinische Universität Wien.
Validierung für Serienproduktion
Die klinische Validierung des Antikörpertests wird von Christoph Binder am Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien durchgeführt. „Um die Robustheit des neuen Testsystems unter den Bedingungen eines diagnostichen Labors zu überprüfen, werden mehr als 1500 gut charakterisierte Proben von Personen, die entweder mit Sicherheit keine COVID-19-Infektion durchgemacht haben oder nachweislich mit SARS CoV-2 infiziert waren, getestet. Dadurch sollen die Spezifität und Sensitivität des Antikörpertests beurteilt und auch mit der Leistung anderer derzeit angebotener Tests verglichen werden“, so Binder.
Wenn alles wie geplant läuft, soll noch vor dem Hochsommer die behördlich vorgeschriebene Leistungsbewertungsüberprüfung abgeschlossen werden. Dann kann der neue Test routinemäßig eingesetzt werden.