Der European Research Council (ERC) verleiht Anton Goloborodko, Gruppenleiter am IMBA, einen Starting Grant für sein Projekt zur Homologiesuche während der DNA-Reparatur. Ein ERC Starting Grant ist die prestigeträchtigste europäische Forschungsförderung für NachwuchswissenschaftlerInnen. Im geförderten Projekt nimmt Goloborodko den nächsten Schritt in seiner Forschung zur Biophysik der DNA.
Homologie-gerichtete Reparatur: Die enigmatische Lösung
Sowohl biologische Faktoren als auch Umweltfaktoren können die DNA schädigen, womit wichtiges genetisches Material verloren geht. Um das Erbmaterial zu erhalten, müssen zelluläre DNA Reparaturmechanismen versuchen, die Schäden an der DNA schnell und effektiv zu beheben. Einer der eingesetzten Mechanismen ist die sogenannte Homologie-gerichtete DNA Reparatur (HRD). Dabei wird eine homologe Kopie der beschädigten DNA-Stelle als Vorlage für die exakte Reparatur verwendet.
„Während der HDR wird die geschädigte DNA-Region von der Reparaturmaschinerie erkannt und stabilisiert“, erklärt Goloborodko. Der nächste Schritt der HDR ist jedoch noch kaum verstanden: „Wir wissen nicht, wie es der Reparaturmaschinerie dann gelingt, das riesige und dicht gepackte Genom schnell zu durchkämmen, um die homologe Vorlage zu finden und sie möglichst nahe an die beschädigte Stelle zu bringen”.
In den letzten Jahren entstanden verschiedene Theorien, um diese Unbekannte des HDR-Prozesses zu erklären. „Theorien schlagen vor, dass die thermisch bedingte Diffusion von Molekülen oder die Umordnung der DNA durch molekulare Motoren erklären könnte, wie die homologe Vorlage zur geschädigten DNA-Stelle gelangt. Aber bisher wurden diese Theorien noch nicht bewiesen“, erklärt Goloborodko.
Im Rahmen des neu geförderten ERC-Projekts wird die Goloborodko-Gruppe ihre Kenntnisse in Biophysik und Computerbiologie einsetzen und neue physikalisch basierte Computersimulationen entwickeln. „Anhand dieser Simulationen prüfen wir, welche dieser Theorien mit dem übereinstimmt, was wir über die Struktur und Mechanik von Chromosomen wissen. Wir werden uns darauf konzentrieren, wie sich die beschädigte DNA-Stelle und der Rest der DNA in der komplexen Umgebung des Zellkerns bewegen“, erklärt Goloborodko. Durch die Veränderung der Kräfte in ihren Simulationen und die Anpassung ihrer Parameter wird das Team in der Lage sein, die Auswirkungen verschiedener biologischer Faktoren auf den für die HDR entscheidenden Prozess der Homologiesuche vorherzusagen.
Vom Experiment zum Model und wieder zurück
In den letzten Jahren hat sich die Untersuchung der DNA-Struktur stark weiterentwickelt. Mit neuen Technologien wie Hi-C können WissenschaftlerInnen die DNA-Struktur in einem noch nie dagewesenen Ausmaß vermessen. Gleichzeitig ermöglichen technische Fortschritte wie die von Daniel Gerlich am IMBA, die Faltung beider Kopien desselben Chromosoms gleichzeitig zu untersuchen. „Die von diesen Forschungsteams erarbeiteten Daten und Ideen haben unser Verständnis der DNA-Faltung und damit unsere Fähigkeit, sie zu simulieren, erweitert“, erklärt Goloborodko.
Goloborodko und sein Team möchten sich diese Fortschritte zunutze machen: „Wir wollen diese Erkenntnisse auf die Zellen von Wirbeltieren übertragen, um auch den letzten Anhaltspunkt für das Verständnis von HDR zu finden“, so Goloborodko. „Dazu werden wir die Bewegung der beschädigten DNA-Stelle auf allen möglichen Skalen untersuchen - von der mikroskopischen Bewegung entlang der DNA-Fasern bis hin zur großräumigen Neuordnung im Zellkern.“
Die Ergebnisse von Goloborodkos Simulationen werden wiederum einen Weg für die experimentelle Untersuchung der Homologiesuche während der HDR eröffnen. Dazu wird Goloborodko mit verschiedenen Forschungsgruppen am Vienna BioCenter kooperieren, darunter Daniel Gerlich am IMBA, sowie David Hasselbach und Francesco Balzarotti am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP). Darüber hinaus wird Goloborodko mit einer der weltweit führenden ExpertInnen auf dem Gebiet der HDR, Anjana Badrinarayanan am National Centre for Biological Sciences (NCBS) in Indien, zusammenarbeiten.
„Die Zusammenarbeit mit diesen weltweit führenden WissenschaftlerInnen wird es uns ermöglichen, Spitzentechnologien zu nutzen, um die von uns vorgeschlagenen Ideen experimentell zu testen. Das war bisher unmöglich“, erklärt Goloborodko. „Dies wird unser Verständnis dieses wichtigen molekularen Prozesses revolutionieren.“
Über den ERC
Der European Research Council wurde 2007 von der Europäischen Union gegründet und ist der wichtigste europäische Finanzierungsmechanismus für exzellente Pionierforschung. Die Aufgabe des ERC besteht darin, durch wettbewerbsorientierte Finanzierung die höchste Qualität der Forschung in allen Bereichen in Europa zu fördern. Der ERC bietet vier zentrale Förderprogramme an: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants.
„Der ERC Starting Grant unterstützt mein Labor nicht nur finanziell, sondern unterstreicht auch die Qualität unserer Forschung“, sagt Goloborodko. „Letztendlich wird uns der Grant dabei helfen, die besten Voraussetzungen zu schaffen, um weiterhin Spitzenkräfte zu rekrutieren und wichtige wissenschaftliche Fortschritte zu erzielen.“
ERC Starting Grants bieten eine Finanzierung von bis zu 1,5 Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren, um Personal- und Forschungskosten des geförderten Projekts zu unterstützen. Anton Goloborodkos neuer ERC Starting Grant ist der dreiundzwanzigste ERC-Grant, der von FakultätsmitgliederInnen des IMBA eingeworben wurde.
Über das IMBA
IMBA, das Institut für Molekulare Biotechnologie, ist eines der führenden biomedizinischen Forschungsinstitute in Europa. Das IMBA ist im Vienna BioCenter angesiedelt, einem dynamischen Cluster aus Forschungsinstituten, Universitäten und Biotech-Unternehmen in Österreich. IMBA ist ein Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem führenden nationalen Förderer der außeruniversitären akademischen Forschung. Zu den Forschungsthemen des IMBA gehören Organoid- und Entwicklungsbiologie, Regenerationsbiologie, Neurowissenschaften, RNA-Biologie und Chromosomenbiologie.
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